Bücher über Interreligiöse Spiritualität, Meditation und Universaler Sufismus Die Erleuchtung des Schattens - Leseprobe | Page 17
Einleitung des Herausgebers
Um den Beginn des 20. Jahrhunderts herum begann sich etwas
Neues in der Geschichte der Religion und Spiritualität zu zeigen, was
vermeldet wurde als: „westliche“ Schüler von „östlichen“ Lehrern. Auf
der einen Ebene war und ist es die uralte Geschichte von Suchenden,
die von einer Welt in eine andere reisen und mit einem Weisheitsschatz
zurückkehren. Zweifellos gab es dies, seit Menschen anfingen, auf weite
Reisen zu gehen; doch im Verlauf der modernen Geschichte erfuhren
wir mehr davon, nämlich seit der europäische Kolonialismus damit
begann, eine schonungslose Schneise des Einflusses durch die übrige
alte Welt zu schneiden. Im 20. Jahrhundert entwickelten sich diese
einzelnen Ereignisse des Suchens (und manchmal Findens) langsam
von einem Schneeball zu einer Lawine, die von Gelehrten der heutigen
Zeit als „neue religiöse Bewegungen“ bezeichnet wird. Nicht zufällig
geschah dies, als Europa und der übrige Westen ihre eigene alte Welt,
die von Gemeinschaft und Dorfleben geprägt war, durch die Realität der
Weltkriege des 20. Jahrhunderts drastisch zerbrechen sahen.
In jüngster Zeit wurden ganze Generationen den neuen politischen
Göttern der Verbindung von Kommerz, Industrie und Militarismus ge-
opfert. Die Sicherheit des geordneten Familien- und Gemeinschaftsle-
bens fiel auseinander. Wissenschaft und Religion bekämpften sich ge-
genseitig. Und mit zunehmender Dringlichkeit wurden der Menschheit
Rechnungen für die Ausnutzung der Umwelt als grenzenlose Vorrats-
k ammer und Rohstofflager präsentiert. All dies führte auch zum Auf-
kommen dessen, was heute als moderne Psychologie und Psychotherapie
bezeichnet wird; doch wie einer ihrer Vertreter freimütig in einem Buch
gleichen Titels bemerkte: „Hundert Jahre Psychotherapie, und der Welt
geht’s immer schlechter.“Der Psychologie fehlten meist die Mittel, um
mit dem eigentlichen Sinn und Zweck in Berührung zu kommen – ei-
nen Kontakt mit dem Numinosen, das sich jenseits der Festlegung eines
individuellen „Selbst“ befindet. Andere Lösungen waren gefragt – und
viele Menschen begannen, in der Spiritualität der alten Welt danach zu
suchen, da spirituelle Erfahrung in der modernen Welt oft durch religi-
ösen Formalismus erstickt worden war.
Der Religionswissenschaftler Andrew Rawlinson (1997) untersuchte
die Geschichten einer großen Zahl von westlichen Schülern östlicher
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