Mass“ und Pablo Traperos „Der Clan“ zu sehen. Und dann durfte sich Eddie Redmayne
freuen, dass ihm die Auguren für „The Danish Girl“ schon wieder eine Oscarnominierung prognostizierten. Und das mit Recht.
Spektakulär ist sein Porträt des Malers Einar
Wegener, der seine weibliche Seite entdeckte
und Anfang der Dreißiger als einer der ersten
Transsexuellen eine Geschlechtsumwandlung wagte. Und weil er mit Alicia Vikander
in der Rolle von Wegeners Frau eine ebenbürtige Partnerin findet, ist das ein Stück exquisites Schauspielerkino – selbst wenn man
Tom Hoopers Regie als zu konventionell
empfinden mag. Wer originellere Visionen
suchte, war besser aufgehoben bei Charlie
Kaufmans „Anomalisa“, mit dem sich der
einstige Kultautor („Being John Malkovich“)
gleich in mehrfacher Hinsicht als Schöpfer
hoch eigenwilliger, postmoderner Erzählkunst in Erinnerung brachte: Der Film setzt
sein gleichnamiges Bühnenstück über einen
Motivationsredner, der keine gefühlsmäßige
Beziehung zu anderen Menschen mehr aufbauen kann, in ungeheuer pointierten StopMotion-Animationen um – auch dank KoRegisseur Duke Johnson. Damit gelingt den
Filmemachern ein Stück hochintelligentes
Kopfkino, das zugleich eine emotionale Tour
de Force bietet. In Venedig gab es dafür verdientermaßen den Großen Preis der Jury –
während der Goldene Löwe an das venezoelanische Drama „Desde Allá“ ging. Aber
Moment. War nicht gerade von Toronto die
Rede? In der Tat waren dort alle der genannten Filme zu sehen. Indes: Die meisten davon
liefen bereits zuvor am Lido. „Room“ wieder
um hatte seine Premiere in Telluride gefeiert,
ebenso wie Danny Boyles viel bejubelter
„Steve Jobs“.
Die meisten Glanzstücke der großen kanadischen Filmschau waren allesamt SecondHand-Ware. Auf diese Weise konnte sich Venedig darüber hinwegtrösten, dass der diesjährige Eröffnungsfilm „Everest“ nicht die
gleichen Elogen erntete wie in den Jahren zuvor „Gravity“ und „Birdman“.
Doch das war harmlos im Vergleich zu den
Problemen, die Toronto in diesem Jahr plagten. Auseinandersetzungen um Martin Amis’
Verfilmung „London Fields“ mündeten in
der Absetzung der Premiere. Die ArethaFranklin-Doku „Amazing Grace“ wurde aus
juristischen Gründen zurückgezogen. Zumindest gab es noch ein paar Trostpflaster –
etwa die schon zitierte Rückkehr von Michael
Moore oder James Vanderbilts brillantes
Journalistendrama „Truth“ über den Skandal,
der zum Rücktritt des legendären Moderators Dan Rather führte.
Venedig indes konnte noch mit weiteren
Highlights aufwarten, etwa Luca Guadagninos herrlich exzentrischem Thriller „A Bigger Splash“. So gesehen war die Frage vom
Anfang im Nachhinein einfach zu beantworten. Aber lassen sich daraus Rückschlüsse auf
die Reiseplanung 2016 ziehen? Das wohl
kaum.
[Rüdiger Sturm & Julia Zimanofsky]
Desde Allá
A Bigger Splash
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