BIG PICTURE digital 11/2015 | Page 15

„Das einzige was ich kann“ Bereits mit seinem Debüt „Arrietty – Die wundersame Welt der Borger“ gelang Regisseur Hiromasa Yonebayashi ein von Kritikern und Anime-Fans gefeierter Erfolg. Der Nachfolger setzt nun den vorläufigen Schlusspunkt unter die Werke des Studio Ghibli. Beschreiben Sie bitte kurz die Entstehungsgeschichte des Films. „Als Erstes habe ich vom Produzenten den britischen Kinderbuch-Klassiker „When Marnie Was There“ bekommen und er bat mich, den Schauplatz des Geschehens nach Japan zu verlegen. Als ich das Buch gelesen habe, fand ich es sofort sehr bewegend. Allerdings hatte ich Bedenken bezüglich der Visualisierung des Stoffes und fühlte mich der Herausforderung anfangs nicht gewachsen. Glücklicherweise habe ich mich schließlich doch für die Verfilmung entschieden und habe einige Dinge eingefügt, die in der Vorlage nicht vorkommen. Dazu zählt beispielsweise die Tanzszene mit Marnie und Anna.“ Wie würden Sie Annas Charakter beschreiben und wie verändert er sich im Laufe des Films? „Anna hat das Gefühl, alleine in dieser Welt und von anderen ausgeschlossen zu sein. Dabei steckt sie in einer Zwickmühle, denn auf der einen Seite verschließt sie sich gegenüber Menschen, auf der anderen wünscht sie sich ihre Aufmerksamkeit. Mit zwölf Jahren ist sie zudem in einem sehr schwierigen Alter. Doch dann trifft sie auf das mysteriöse Mädchen Marnie und fängt an, sich zu verändern. Zu Beginn der Geschichte ist Anna sehr verschlossen. Sie zeigt kaum Emotionen auf ihrem Gesicht. Gegen Ende schenkt sie uns jedoch ein großes, glückliches Lächeln. Während der 100 Minuten Laufzeit habe ich mich stark auf diesen Entwicklungsprozess der Heldin konzentriert.“ Welche Reaktionen auf „Erinnerungen an Marnie“ erwarten Sie von den deutschen Kinozuschauern? direkt zu Beginn meiner Zeit bei Studio Ghibli mitgeteilt, das nicht klar ist, wann sich Hayao Miyazaki, der Hauptgründer, zur Ruhe setzen wird. Als der Zeitpunkt dann tatsächlich gekommen war, hat mich das natürlich getroffen. Dennoch bin ich froh, dass alle Beteiligten bis zum Ende mit vollem Einsatz an Marnie gearbeitet haben.“ Welche Pläne verfolgen Sie nach der Studio-Ghibli-Ära? „Selbstverständlich möchte ich weitere Filme machen. Am liebsten würde ich einen Fantasyfilm voller Action drehen. Momentan ist jedoch noch nichts spruchreif, sodass ich darüber keine Auskunft geben kann.“ „Dieses Anime handelt von einem Mädchen, das sich anderen gegenüber abgeschottet hat und komplett aufblüht, nachdem es Marnie getroffen hat. Ich würde mir wünschen, dass sich jeder Einzelne nach der Sichtung des Films fragt, wer seine eigene, ganz persönliche Marnie ist.“ Könnten Sie sich auch vorstellen, einen Realfilm zu drehen? Wann haben Sie erfahren, dass es sich bei ihrem Werk um den letzten StudioGhibli-Film handelt und wie haben Sie sich dabei gefühlt? Welchen klassischen Animationsfilm mögen Sie am liebsten? „Ich habe diese Nachricht vom Produzenten Toshio Suzuki bekommen, als ich schon an „Erinnerungen an Marnie“ gearbeitet habe. Allerdings wurde mir bereits „Ich liebe das Zeichnen und den klassischen Animationsstil, so dass ich dabei auch bleiben möchte. Das ist zudem auch das Einzige, was ich kann.“ „Neben den Ghibli-Filmen liebe ich die alten Disney-Klassiker wie „Bambi“ oder „Pinocchio“, die ich mir immer und immer wieder ansehen kann.“ [Interview: Andre Kummer] big-picture-magazin.de 15