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/Komödie
Nur eine Stunde Ruhe
„Monsieur Claude“ Christian Clavier will nur eine Stunde seine Ruhe haben, nachdem er auf dem
Flohmarkt eine langgesuchte Schallplatte gefunden hat – aber seine Umwelt gönnt es ihm nicht
J
a, das könnte der perfekte Samstag
für Zahnarzt Michel sein: Er hat frei,
die Sonne scheint, und auf dem Flohmarkt findet er endlich die heiß ersehnte
Jazzscheibe „Me, Myself and I“. Jetzt schnell
nach Hause und die Preziose in aller Ruhe
anhören. Aber daraus wird nichts. Egal, wie
sehr Michel sich auch wehrt, alle scheinen
sich gegen ihn verschworen zu haben: Seine
Frau Nathalie will ihm eine längst vergangene Affäre mit seinem besten Freund
beichten, der gleichzeitig versucht, ihn um
Geld anzupumpen. Der nichtsnutzige Filius
Sébastien quartiert in der Wohnung über
ihm eine Flüchtlingsfamilie ein, in den eigenen vier Wänden treibt ein polnischer
Handwerker sein Unwesen, und auch seine
Freundin Elsa geht ihm auf der Suche nach
Liebesbeweisen gehörig auf die Nerven. Die
Krönung ist der aufdringliche Nachbar, der
unten ein Hoffest veranstalten will und mit
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immer neuen Vorschlägen kommt. Die Störenfriede geben sich die Klinke in die Hand
und treiben die Handlung gnadenlos voran.
Wer jetzt ans Boulevardtheater denkt, liegt
gar nicht falsch. „Nur eine Stunde Ruhe“
war ursprünglich tatsächlich ein Theaterstück, der Großteil der Handlung spielt sich
in der mondänen Wohnung des Zahnarztes
ab und die einzelnen Figuren werden recht
klischeehaft präsentiert. Weder Michel noch
seine Sippschaft wachsen dem Zuschauer
groß ans Herz, und auch die dünne Handlung schaft wenig Identifikationspotenzial.
Im Grunde lebt das ganze Stück von der
Präsenz des Hauptdarstellers, dem von Clavier perfekt porträtierten bourgeoisen Mittelständler, der nur seine eigenen Bedürfnisse im Sinn hat. Finanziell abgesichert
wird der Rest der Menschheit nur als Dienstleister wahrgenommen, die recht engen gesellschaftlichen Grenzen müssen auf alle
Fälle respektiert werden. Handwerker und
Putzhilfe sind natürlich Ausländer und
selbst der missratene Sohn wird am Ende als
ein fremdes Problem geoutet. Regisseur Patrice Leconte („Mein bester Freund“) gelingt
eine routinierte Komödie mit kleinen Spitzen, die in nicht mal achtzig Minuten zwar
keine Langeweilse aufkommen lässt, aber
nach dem Abspann auch nicht weiter im
Gedächtnis bleibt. Ein vergnüglicher kleiner
Zeitvertreib für Frankophile.
[re]
Fazit: Gut getimetes, aber flaches Gesellschaftsporträt über einen Egomanen, den
weder Seitensprünge, falsche Söhne noch
beendete Liebschaften tangieren
OT: Une heure de tranquillité, FRA 2014 R: Patrice Leconte
D: Christian Clavier, Carole Bouquet, Valérie Bonneton FSK:
o. A. L: 76 Minuten Anbieter: DCM Ab 18. September
2015 auf DVD und Blu-ray erhältlich
Wertung
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