Wasser & Abwasser
Gibt es Beispiele für eine gelungene Umsetzung zukunftsorientierter städtischer Wassersysteme? Thorsten Schmitz: In Münster wird gerade das Oxford-Quartier entwickelt. In dem Bauprojekt, das seit 2019 läuft und bis 2030 abgeschlossen sein soll, wird auf 26 ha Fläche eine ehemalige Kaserne zu Wohngebiet umgebaut. In dem Projekt wurde Wasser von Anfang an mitgedacht und ein Ziel der Planung war es, den naturnahen Wasserhaushalt bestmöglich nachzustellen. Durch die Planung von ausreichenden Retentionsräumen, Versickerungs- und Verdunstungsflächen wird ein angenehmes Stadtklima für die Bewohner kreiert und der urbane Raum vor den Auswirkungen von Starkregen geschützt. Der ehemals begradigte Gievenbach darf sich in Mäandern schlängeln und bietet Raum für Biodiversität. Gleichzeitig wurde im Regenwasserbehandlungskonzept die hydraulische Belastung des Gewässers auf ein Minimum reduziert. Das sind nur einige kleine Beispiele in dem anspruchsvollen Gesamtkonzept, das eindrucksvoll zeigt, was planerisch möglich ist. Leider sind die meisten Städte in Deutschland schon weitestgehend entwickelt, sodass es hier vor allem Lösungen für den Bestand braucht.
Welchen Beitrag können hier Zulieferer – wie zum Beispiel aus der Armaturen- und Antriebsbranche – leisten? Thorsten Schmitz: Insbesondere im Bestand sind die Möglichkeiten neuer Retentionsräume gering. Hier bedarf es Lösungen mit multifunktionalem Nutzen. Zur Bewirtschaftung dieser multifunktionalen Systeme braucht es Messtechnik zur Zustandserfassung und Aktoren zur Steuerung der Systeme. Insbesondere aktive Regelorgane, mit denen das Wasser bedarfsgerecht abgeleitet oder zurückgehalten werden kann, findet man bisher selten in
Angeli Büttner Foto: German Water Partnership( GWP)
städtischen Wassersystemen, so dass hier sicher ein erheblicher Bedarf im Markt besteht. Neben der Herstellung von Lösungsbausteinen kommt hier den Zulieferern aber auch die Rolle zu, Bewusstsein bei den Betreibern für die Potenziale von Steuerungstechnik, und letztlich der Bedeutung der urbanen Wasserresillienz, zu schaffen.
Welche Bedeutung hat der Einsatz digitaler Lösungen für eine urbane Wasserresilienz? Thorsten Schmitz: Digitale Lösungen werden eine entscheidende Rolle bei der Bewirtschaftung von multifunktionalen Systemen einnehmen. Unsere Wasserwirtschaft muss flexibler und smarter werden. Regenklärbecken könnten zum Beispiel zukünftig auch als Wasserspeicher für Bewässerungssysteme in Trockenwetterperioden dienen. Die Regenklärbecken müssen allerdings rechtzeitig entleert sein, wenn der nächste Niederschlag fällt, um dem eigentlichen Zweck, der Reinigung und Retention, gerecht werden zu können. Hierzu müssen die Daten über Wasserverfügbarkeit im Speicher, Wasserbedarf der Grünanlagen, Niederschlagsprognose und hydraulischer Leistungsfähigkeit des Kanals miteinander in Kontext gesetzt werden. Ohne digitale Lösungen sind solche Konzepte nicht umsetzbar.
Nehmen Komponenten wie intelligente Armaturen und Antriebe eine wichtige Rolle auch für die Umsetzung digitaler Lösungen ein? Thorsten Schmitz: Intelligente Armaturen und Antriebe werden in Zukunft eine zentrale Rolle spielen. Deutschland hat hier noch Aufholbedarf. In anderen Ländern wie Spanien sind smarte Wasserzähler bereits weit verbreitet. Sie optimieren den Wasserverbrauch, bieten Nutzern mehr Transparenz und ermöglichen Betreibern, Leckagen im Leitungsnetz frühzeitig zu erkennen. Durch die gezielte Auswertung der erfassten Daten können Ineffizienzen behoben und Wartungsmaßnahmen präziser gesteuert werden.
Was könnte der Einsatz Künstlicher Intelligenz für eine Nachhaltigkeit der Wassersysteme leisten? Thorsten Schmitz: Das Erkennen von Leckagen anhand flächendeckender Verbrauchsdaten ist ein gutes Bespiel dafür, wie Datenauswertung zur Nachhaltigkeit beitragen kann. Ob Künstliche Intelligenz( KI) dafür zwingend notwendig ist, lässt sich schwer abschätzen. Der Begriff wird gerne genutzt, um die Fortschrittlichkeit einer Lösung zu betonen. Perspektivisch kann KI jedoch dazu beitragen, Steuerungskonzepte zu optimieren und nachhaltige Lösungen für die Wasserwirtschaft zu entwickeln.
Thorsten Schmitz Foto: German Water Partnership( GWP)
Aktuell reichen einfache Algorithmen aus, um viele wasserwirtschaftlichen Fragestellungen zu lösen. Ein wesentliches Problem ist der Mangel an Messdaten zur Zustandserfassung sowie an zuverlässigen Datenmanagementsystemen, die eine ausreichende Datengüte sicherstellen. Hier müssen die Betreiber heute eine solide Datenbasis schaffen, um KI in Zukunft sinnvoll in der Wasserwirtschaft nutzen zu können. Anders verhält es sich bei der Optimierung von Kläranlagen. Diese sehr komplexen Systeme erfordern eine präzise Steuerung, da jede Änderung Auswirkungen auf eine Vielzahl von Parametern hat. Hier ist die Datenlage bereits deutlich besser, da viele relevante Messwerte kontinuierlich erfasst und gespeichert werden. Künstliche Intelligenz kann dazu beitragen, die Prozesse weiter zu optimieren, Ressourcen effizienter einzusetzen und die Wasserwirtschaft nachhaltiger zu gestalten. GWP setzt sich gemeinsam mit seinen Mitgliedern durch die Arbeit in Arbeitskreisen und Regionalforen dafür ein, digitale Innovationen in der Wasserwirtschaft gezielt voranzutreiben. Durch den interdisziplinären Austausch zwischen Technologieanbietern, Forschungseinrichtungen und Betreibern werden praxisnahe Lösungen entwickelt, die zur Steigerung der Effizienz, Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit beitragen.
Michael Vehreschild
Armaturen Welt | Ausgabe 3 | Mai 2025 17