Armaturen Welt Juni 2024 | Page 14

Chemie

Interview mit VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup Klimaneutrale Produktion von Morgen bereits im Visier

Ohne Chemie keine Transformation hin zu einem klimaneutralen Wirtschaften . „ Unsere Unternehmen arbeiten schon heute intensiv an der klimaneutralen Produktion von Morgen “, erklärt Wolfgang Große Entrup , Hauptgeschäftsführer beim Verband der Chemischen Industrie ( VCI ) im Gespräch mit der „ Armaturen Welt “. Eine wichtiger Motor ist hierbei auch die zunehmende Digitalisierung in den chemischen Industrien . Sie vereinfache und beschleunige Prozesse , erhöhe die Produktivität und steigere somit die Wettbewerbsfähigkeit , erläutert Entrup . Einen weiteren Schub werde die chemische Industrie durch die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz erleben .
Die Energiepreise sind eine Herausforderung für die chemische Industrie . Wie hat sie sich hierauf eingestellt ? Wolfgang Große Entrup : Die Energiepreise in Deutschland waren schon in der Vergangenheit hoch , insbesondere im internationalen Wettbewerb mit China und den USA . Die Unternehmen haben daher traditionell großen Wert auf eine effiziente Produktion gelegt . Nach Beginn der Energiepreiskrise wurde in den Firmen noch einmal jeder Prozess durchforstet , um kurzfristig noch weitere Effizienzpotenziale zu heben . Einige Firmen mussten dann aber notgedrungen auch mit Produktionsdrosselungen reagieren . Das dauerhaft höhere Energiepreisniveau war teilweise jener „ dicke Tropfen “, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat . Vereinzelt wurden sogar Anlagen auch dauerhaft stillgelegt . Als Lösungsindustrie haben wir aber auch die Ärmel hochgekrempelt und kämpfen darum , weiterhin erfolgreich Chemie in Deutschland produzieren zu können . Das schaffen wir aber nicht allein . Die Lage der Industrie muss in der Politik jetzt endlich zur Chefsache werden . Wir brauchen einen Masterplan Wettbewerbsfähigkeit und Transformation . Unsere Unternehmenslenker brauchen wieder den Glauben an bezahlbare Energiepreise , smarte Regulierung , vernünftige Unternehmenssteuern und Luft zum Atmen bei Bürokratie und Genehmigungsverfahren .
Was kann die Chemieindustrie zum Klimaschutz beitragen ? Wolfgang Große Entrup : Fest steht : Die Transformation hin zu einem klimaneutralen Wirtschaften geht nur mit Chemie . Ohne unsere Produkte dreht sich kein Windrad , funktioniert keine Solaranlage und kein Chip zur Steuerung der Energiewende . Als Zulieferin für andere Wirtschaftszweige sind wir auch Schlüsselindustrie für klimaneutrale Produktion in Deutschland – weit über die eigene Branche hinaus . Wir tragen den Energie- und Rohstoffrucksack für viele nachgelagerte Produktionsschritte . Unsere Unternehmen arbeiten schon heute intensiv an der klimaneutralen Produktion von Morgen . Seit 1990 haben wir unsere Treibhausgasemissionen bereits um 55 Prozent reduziert . Und wir entwickeln Technologien und Verfahren kontinuierlich weiter . Indem wir die Kreislaufwirtschaft ausbauen und neue Rohstoffquellen erschließen – sogar das Treibhausgas CO2 selbst wird als Rohstoff in Produkten eingesetzt . Und indem wir den Anteil strombasierter Prozesse massiv steigern – und diesen Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind und Sonne gewinnen .
VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup Foto : Verband der Chemischen Industrie ( VCI )
Hat sich die chemische Industrie auch geografisch und marktpolitisch seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine umgestellt ? Wolfgang Große Entrup : Der deutsch-russische Handel unserer Branche hat sich seit Kriegsausbruch grundlegend verändert . Bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine war der Anteil Russlands am Export Deutschlands mit drei Prozent gering . Die Exporte sind seitdem um fast zwei Drittel zurückgegangen , in einigen Produktgruppen um 100 Prozent auf null . Allein bei den Exporten pharmazeutischer Produkte fällt der Rückgang der Exporte etwas geringer aus . Auf der Importseite sind die Einfuhren von Chemikalien ebenfalls deutlich gesunken ( Minus 50-100 Prozent verglichen mit dem Vorkriegsniveaus ). Für die Branche selbst war der Ausfall russischer Gaslieferungen im Jahr 2022 mit den entsprechenden Versorgungsrisiken und Kosteneffekten lageprägend . Der Bezug hat sich entsprechend des gesamten Gasbezuges Deutschlands auf andere Lieferländer ausgerichtet . Chemiespezifische Daten liegen dazu nicht vor .
Das Thema Nachhaltigkeit ist für die Chemiebranche längst ein Kernthema . Wie sehen Sie hier die Entwicklung der Unternehmen in den vergangenen Jahren ? Wolfgang Große Entrup : Nachhaltigkeit ist in der chemisch-pharmazeutischen Industrie schon lange ein wichtiges Thema . Der VCI koordiniert seit den 1990er Jahren die Initiative Responsible Care ( RC ) in Deutschland . Seit 2013 engagiert sich der VCI gemeinsam mit der Chemiegewerkschaft IGBCE und dem Chemiearbeitgeberverband BAVC in der Nachhaltigkeitsinitiative Chemie3 . Ziel der Initiative ist es , Nachhaltigkeit als strategisches Thema in der Branche weiter voranzutreiben . Die Unternehmen der Branche haben in den letzten Jahren zunehmend erkannt , dass Nachhaltigkeit ein Bestandteil der Strategie ist . In der Umsetzung sind die Unternehmen unterschiedlich weit fortgeschritten . Hier setzt Chemie3 zum Beispiel mit Unterstützungsangeboten für die Unternehmen und Beschäftigten der Branche an . In den letzten
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