Antoine de Saint Exupery-Der kleine prinz Antoine de Saint Exupery - Der kleine Prinz | Page 29
spielten keine große Rolle und störten niemanden. Sie leuchteten eines
Morgens im Grase auf und erloschen am Abend. Aber jene eine hatte
eines Tages Wurzel geschlagen, aus einem Samen, weiß Gott woher,
und der kleine Prinz hatte diesen Sproß, der den andern Sprößlingen
nicht glich, sehr genau überwacht. Das konnte eine neue Art Affen-
brotbaum sein. Aber der Strauch hörte bald auf zu wachsen und
begann, eine Blüte anzusetzen. Der kleine Prinz, der der Entwicklung
einer riesigen Knospe beiwohnte, fühlte wohl, es müsse eine wunder-
bare Erscheinung aus ihr hervorgehen, aber die Blume wurde nicht
fertig damit, sich in ihrer grünen Kammer auf ihre Schönheit vor-
zubereiten. Sie wählte ihre Farben mit Sorgfalt, sie zog sich langsam
an, sie ordnete ihre Blütenblätter eins nach dem andern. Sie wollte
nicht wie die Mohnblüten ganz zerknittert herauskommen. Sie wollte
nicht früher erscheinen als im vollen Ornat ihrer Schönheit. Nun ja!
sie wollte gefallen. Ihre geheimnisvolle Toilette hatte also Tage und
Tage gedauert. Und dann, eines Morgens, gerade zur Stunde des
Sonnenaufganges, hatte sie sich enthüllt.
Und die, die mit solcher Genauigkeit gearbeitet hatte, sagte gähnend:
»Ach! ich bin kaum aufgewacht … Ich bitte um Verzeihung …
Ich bin noch ganz zerrau …«
Da konnte der kleine Prinz seine Bewunderung nicht mehr ver-
halten:
»Wie schön Sie sind!«
»Nicht wahr?« antwortete san die Blume. »Und
ich bin zugleich mit der Sonne geboren …«
Der kleine Prinz erriet wohl, daß sie nicht allzu
bescheiden war, aber sie war so rührend!
»Ich glaube, es ist Zeit zum Frühstücken«, hatte sie
bald hinzugefügt, »hätten Sie die Güte, an mich zu
denken?«