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Paare auf dem Wasser Salon Küche und Sitzecke ten Tag besichtigten, entsprach weitgehend unseren Vorstellungen und unseren finanziellen Möglichkeiten. Es handelte sich um eine Luxemotor von 22.57 Meter Länge und 4.05 Meter Breite, gebaut 1922 als Frachtschiff und 1995 zum Wohnschiff umgebaut. den Tauen. Dabei beeindruckten uns ihre Langsamkeit und ihre Ruhe trotz des enormen zeitlichen Drucks in der Berufsschifffahrt. Müssten wir die drei wichtigsten Grundsätze für gefahrloses und unfallfreies Manövrieren nennen, so wären dies Langsamkeit, Langsamkeit und Langsamkeit. Erste Erfahrungen Bis anhin hatten wir lediglich Erfahrung mit Charterbooten. Als Letztes hatten wir «Leslie le Grand» von den Burgundy Cruisers in Vermenton gechartert, eine 15 Meter-Stahlyacht. Zum Fahren war sie, trotz Bugstrahlruder, so unhandlich, wie nur Engländer Schiffe bauen können. Wer mit einer solchen schwimmenden Schuhschachtel fertig wird, meistert auch grössere Schiffe. Leben an Bord Von meiner Berufstätigkeit her war ich es gewohnt, rasch zu entscheiden und für diese Entscheide die Verantwortung zu übernehmen. Das ging von einem Tag auf den anderen nicht mehr. Wohin man fährt, wie lange man an einem Ort bleibt, was man besichtigt und wann es weiter geht – das alles muss für Beide stimmen. Nur wenn man bereit ist, Kompromisse zu machen und die gegenseitigen Bedürfnisse zu respektieren, funktioniert das Zusammenleben an Bord. Das praktische Fahren mit unserem Schiff brachte uns der Voreigner bei. Wir hatten das grosse Glück, dass er mit seinem neuen Schiff direkt neben uns im Hafen lag. Er nahm sich einen ganzen Monat Zeit, um uns mit der Handhabung des Schiffs vertraut zu machen und uns in seine Technik einzuweisen. Dabei kam uns auch zugute, dass Schiffe dieser Art, weil sie ursprünglich als Frachtschiffe fuhren, für die Handhabung durch zwei Personen gebaut sind. Zudem standen wir stundenlang an Schleusen und beobachteten die Berufsschiffer beim Manövrieren und bei der Arbeit mit 6 Dazu gehört auch der Umgang mit Konflikten. Leben an Bord ist angewandtes Konfliktmanagement und Reibungsflächen gibt es genug. Es sind meistens Kleinigkeiten, welche zu Auseinandersetzungen führen. Wir haben es schon immer so gehandhabt, alle Meinungsverschiedenheiten sofort zu besprechen und nichts in den nächsten Tag hinüber zu nehmen. Das ist auf dem Schiff noch wichtiger, denn wir sind beim Fahren und erst recht bei Anlege- und Schleusenmanövern auf- einander angewiesen. So hat unsere Ehe nach 37 Jahren eine ganz neue Qualität erhalten. Leben auf dem Wasser Je länger wir unterwegs sind, desto weiter weg rückt die Vorstellung, dass wir uns an Land wohl fühlen könnten, auch wenn wir nach dem Verkauf unseres Hauses in der Schweiz eine kleine Wohnung als pieds à terre für alle Fälle gemietet haben und sie einige Wochen im Jahr bewohnen. Unsere Steuern bezahlen wir nach wie vor in der Schweiz und wir haben auch unsere Krankenkasse beibehalten. Den «Heimaturlaub» benützen wir deshalb immer für medizinische Check-ups sowie Besuche bei Freunden, Bekannten und Verwandten. Unsere Kinder sowie die meisten unserer Freunde kommen jedoch mehr oder weniger regelmässig zu uns in die Ferien. Auf diese Idee wären sie nie gekommen, wenn wir in der Schweiz geblieben wären! Hinzu kommen internationale Freundschaften, die sich mit unserem Schiffsleben ergeben haben und die wir durch rege Kontakte pflegen. Nach diesen fünf Jahren steht für uns jedenfalls fest, dass wir so lange fahren wollen, als es uns Spass macht, als die Finanzen reichen und als es uns unsere Gesundheit erlaubt. Über unsere Fahrterlebnisse berichten wir laufend auf www.kinette.ch