+3 Magazin September 2021 | Page 20

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Rainer Claß , Leser
Wer forscht findet
Meiner Meinung nach sind hierfür die Universitäten prädestiniert . Einem Lehrstuhlinhaber lässt es keine Ruhe , dass auf seinem Gebiet eine seltene Erkrankung existiert , für die es noch keine Lösung gibt . Er spricht das Problem zum Beispiel in einem Seminar oder in einer Vorlesung an und stellt in Aussicht , darüber eine Dissertation anzubieten . Schon hat er wahrscheinlich mehrere junge Studenten , die mit Elan und frischen Ideen sich in das Thema vertiefen würden . An Forschungsgeldern wird es in unseren Breiten nicht mangeln , hier kommt ebenfalls die Überzeugungskraft des Initiators zum Tragen . Schlussendlich bin ich der Auffassung , dass nahezu alles von der Motivation der jungen Wissenschaftler abhängig ist .
Thomas Klopstock , Neurologe und Vorsitzender Sprecherrat der Forschungsverbünde für seltene Erkrankungen „ Research for Rare “
Gemeinsam Wissen schaffen
Seit 2003 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung ( BMBF ) Verbünde , die sich den seltenen Erkrankungen widmen . Hier vernetzen sich Ärzte und Wissenschaftler in Konsortien , um unter Beteiligung der Patientenverbände die jeweiligen Erkrankungen zu erforschen sowie Diagnostik , Therapie und Versorgung zu verbessern . Nur so kann bei seltenen Erkrankungen eine ausreichend große Zahl von Patientendaten in Registern zusammengeführt werden , um das komplette Spektrum der Krankheits-Manifestationen zu erfassen , den Krankheitsverlauf zu verstehen und Therapiestudien vorzubereiten . Zudem können Forschungsfragen aus verschiedenen Blickrichtungen gemeinsam adressiert werden . Die deutschen Forschungsverbünde für seltene Erkrankungen haben in den letzten Jahren hervorragende Arbeit geleistet und sind auch international wichtige Akteure in diesem forschungsintensiven Gebiet . Es ist zu wünschen , dass dieser Förderschwerpunkt des BMBF auch in Zukunft erhalten bleibt , um weiterhin die dringend benötigte Expertise bereitstellen zu können . Auch die Arbeitsgrundlage der Verbünde , die Patientenregister , die klinische Studien erst ermöglichen , müssen eine strukturierte Förderung erhalten , damit wir auch in Zukunft einen entscheidenden Beitrag zu Diagnose und Therapie für Menschen mit seltenen Erkrankungen leisten können .
Mehr Infos unter : research4rare . de
Nadine Großmann , Biochemikerin Forschungsgruppe Knaus – Signal Transduktion , Freie Universität Berlin
Fluch und Segen
Weltweit bin ich die einzige Patientin mit Fibrodysplasia Ossificans Progressiva ( FOP ), die gleichzeitig auch FOP- Forscherin ist . Einerseits empfinde ich es als ein großes Privileg , den wissenschaftlichen Hintergrund zu haben und von meiner Mobilität her noch nicht so eingeschränkt zu sein , dass ich im Rahmen meiner Doktorarbeit an meiner eigenen seltenen Erkrankung
ÜBERBLICK Die Welt der Seltenen Erkrankungen
Selten ist eine Erkrankung , wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen in der EU von der Erkrankung betroffen sind
An einer Seltenen Erkrankung leiden etwa :
4 Millionen in Deutschland , 30 Millionen in der EU und 350 Millionen weltweit
Seltene Erkrankungen
Weltweit zwischen 6.000 und 8.000 unterschiedliche Seltene Erkrankungen
Vererbte Erkrankungen
80 Prozent
der Seltenen Erkrankungen sind genetischen Ursprungs
Multiples Myelom
ITP ( Immunthrombozytopenie )
Akute Iymphatische Leukämie
Mukoviszidose
Glasknochenkrankheit
ALS ( Amyotrophe Lateralsklerose )
und viele mehr ...
50 Prozent
der Betroffenen sind Kinder
Schwerwiegende …
• Massive gesundheitliche Beeinträchtigungen
• Häufig eingeschränkte Lebenserwartung
• Selten heilbar … und sehr komplexe Erkrankungen
• Häufig lange unerkannt und spät diagnostiziert
• Meist chronisch
• Hohe Bedeutung der medizinischen Forschung
Quellen : Amgen , Rare Disease Day , Eurordis , Orphanet , Global Genes
forschen kann . Andererseits ist es emotional eine Belastung , ständig mit FOP konfrontiert zu werden und in jeder Publikation zu lesen , dass FOP eine der schlimmsten Erkrankungen ist . In meiner Forschung war es mir immer wichtig , patientenbezogen zu arbeiten und mit meiner Arbeit anderen zu helfen . Deswegen habe ich auch nicht aus Eigennutz mein Schicksal selbst in die Hand genommen , sondern hoffe , dass ich mit meiner Forschungsarbeit ein Puzzleteil zum ganzen Bild beitragen kann . Der Vorteil , als Betroffene auch daran zu forschen , ist , dass man einen
Peter Sölkner , Geschäftsführer Vetter Pharma International GmbH
Lebensqualität ermöglichen
Für Menschen mit einer seltenen Erkrankung kann jeder Tag zu einer Herausforderung werden . Betroffene leiden beispielsweise unter Invalidität oder auch einer deutlich verkürzten Lebenserwartung . Eine erfolgsversprechende Behandlungsmöglichkeit zu finden , ist oftmals schwer . Mögliche Unterstützung können die meist biologischen , komplexen Wirkstoffe , sogenannte Orphan Drugs , sein . Ihre Entwicklung ist sehr herausfordernd und war in der Vergangenheit oftmals wenig lukrativ . Mittlerweile bekommen seltene
anderen Blickwinkel auf die Fragestellungen und einen guten Einblick hat , welche Bedürfnisse die Gemeinschaft der FOP-Erkrankten hat . Die FOP-Forschung ist schon so weit gekommen , dass verschiedene potenzielle Therapieansätze getestet werden . Nichtsdestotrotz verstehen wir noch nicht alle Aspekte dieser Erkrankung . Jede neue Entdeckung wirft auch wieder neue Fragen auf . Was mich jeden Tag aufs Neue motiviert und inspiriert , auch wenn es immer wieder Rückschläge gibt , sind ganz klar die Gesichter hinter dieser Erkrankung .
DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT , ALSO EINE ANZEIGE
Pam Cusick , Vizepräsidentin Rare Patient Voice
Wichtige Stimme
Weltweit sind 300 Millionen Menschen von seltenen Krankheiten betroffen . Weil aber die Zahl derjenigen , die an einer bestimmten Erkrankung leiden , klein sein kann , kann auch medizinisches Wissen limitiert sein , die Suche nach einer Diagnose für die Patienten zur Odyssee werden und damit auch ihr Leben zu einer Herausforderung . Zum Glück gibt es Forscher und Firmen , die an Therapien und Heilmitteln arbeiten . Neue Medikamente müssen ein Zulassungsverfahren durchlaufen und Unternehmen können mit Marketing und Vertrieb starten , sobald sie die Zulassung haben . Patienten spielen in diesem ganzen Prozess eine entscheidende Rolle über ihre Teilnahme an klinischen Tests und an der Marktforschung . Meine Motivation ist es , dass sie von denen gehört werden , die die Produkte entwickeln , damit diese ihr Leben auch wirklich verbessern . Wir von Rare Patient Voice
Krankheiten mehr Beachtung – circa 2.000 Wirkstoffkandidaten werden in Europa derzeit entwickelt . Zudem haben von den im vergangenen Jahr in Deutschland zugelassenen 32 Medikamenten mit neuem Wirkstoff bereits 13 Orphan-Drug-Status . Wir , das Familienunternehmen Vetter mit Sitz in Ravensburg , unterstützen Pharma- und Biotechnologieunternehmen bei der Entwicklung , Herstellung und Verpackung von injizierbaren Arzneimitteln – sowohl für weit verbreitete als auch seltene Krankheitsbilder . Große Motivation für uns und unsere Auftraggeber ist es , die Lebensqualität von Patienten zu verbessern und ihnen neue Perspektiven zu ermöglichen . Daher halten wir die weitere Erforschung seltener Krankheiten für außerordentlich wichtig : Jeder Patient sollte die Chance auf eine möglichst hohe Lebensqualität haben – auch wenn seine Erkrankung selten ist . Dafür setzen wir uns tagtäglich ein .
bieten Patienten und ihren Angehörigen die Möglichkeit , sich zu vernetzen und ihre Perspektiven mit Forschern und Unternehmen zu teilen – weil deren Produkte und Dienstleistungen sie betreffen . Unser Netzwerk zählt mehr als 100.000 Menschen aus den USA , Kanada , Großbritannien , Italien , Deutschland , Frankreich und Spanien , die sich für die Teilnahme an Studien angemeldet haben und für ihre Zeit bezahlt werden . Meine Hoffnung ist , dass Politiker , Pharmaunternehmen und die Akteure des Gesundheitssystems die Erfahrungen und Sichtweisen von Patienten bei ihren Entscheidungsprozessen berücksichtigen .
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