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Rolf Hadert, Leser
Überholte Vorurteile
Viele trauen sich vielleicht nicht,
sich selbstständig zu machen, weil
Simone Chlosta,
Professorin für
Wirtschaftspsychologie
und Entrepreneurship
sie Angst vor der überbordenden Bü-
rokratie haben. Alles ist zu intrans-
parent und verwirrend. Tatsächlich
stimmt das auch teilweise, aber es
gibt mittlerweile so viele Materialien
und so viele Möglichkeiten, sich Rat
zu holen und sich zu informieren. Im
Endeffekt ist dann alles nur halb so
schlimm, wenn man einmal im The-
ma ist. Der Fiskus hat letztlich auch
Interesse daran, Gründer zu unter-
stützen, und ist eher Freund als Feind.
Hubertus Bessau,
Max Wittrock
und Philipp Kraiss,
Gründer mymuesli
Reise deines Lebens
Am Anfang steht die Idee. Und gute
Geschäftsideen entstehen selten in
einem Konferenzraum, in dem man
KLIMAWANDEL Die Gründerzahlen in Deutschland sind rückläufig
Gelegenheit macht
Gründer
Die Frage erinnert mich an eine Inter-
viewserie, die ich vor über zehn Jah-
ren mit Gründerinnen durchgeführt
habe. Damals wollte ich wissen, ob
sich selbstständige Frauen als Gründer
oder Unternehmer wahrnehmen. Die
meisten Frauen konnten sich mit die-
sen Begriffen nicht identifizieren. Ihre
Erklärung war, dass für sie das Bild des
Gründers oder Unternehmers in unse-
rer Gesellschaft eher männlich geprägt
sei, mit Eigenschaften wie Durchset-
zungsstärke oder Risikoneigung, und
man weibliche Eigenschaften damit
eher nicht assoziiere. Heute würde
ich auf die Frage antworten, dass es
ein vielschichtiger Prozess ist, Grün-
der zu werden. Meine eigene Grün-
dergeschichte begann nämlich nicht
mit einer Frage, sondern mit einem
Impuls von außen. Ich arbeitete als
wissenschaftliche Mitarbeiterin, mein
Vertrag lief aus und zeitgleich erhielt
ich die Anfrage, als Psychologin ein
Testverfahren zur Personalauswahl zu
entwickeln. Ich habe mein Netzwerk
mobilisiert und nach kurzer Zeit waren
wir drei Personen, die sich dachten, das
machen wir einfach mal. Und so wur-
den wir zu Gründern. Was würde ich
nun anderen Gründungsinteressierten
raten? Wichtig sind Menschen an der
2016 2017 2018
Insgesamt 672.000 557.000 547.000
Vollerwerbsgründer 248.000 234.000 255.000
Nebenerwerbsgründer 424.000 323.000 292.000
Frauen 270.000 208.000 216.000
Männer 402.000 349.000 331.000
Neugründer 515.000 430.000 432.000
Übernahmegründer 62.000 58.000 72.000
Sologründer 439.000 371.000 341.000
Arbeitgebergründer
darunter:
Arbeitgeberneugründer 162.000 115.000 147.000
104.000 74.000 83.000
Innovative Gründer 58.000 76.000 58.000
Digitale Gründer 140.000 144.000 122.000
Wachstumsgründer 115.000 127.000 130.000
2017 70%
2018 70%
Chancengründer
Notgründer
Die Frage zum
Gründungsmotiv lautet:
„Haben Sie sich
selbstständig gemacht,
um eine Geschäfts-
gelegenheit (Chance)
wahrzunehmen oder weil
es keine bessere
Erwerbsalternative
(Not) gab?“
24%
27%
6%
3%
Anderes Hauptmotiv
Quelle: KfW
Seite, denen man vertraut und mit de-
nen man sich identifizieren und aus-
tauschen kann. Das können Vorbilder
aus der Familie sein, aber auch Schu-
len und Hochschulen übernehmen
hier eine wichtige Rolle, indem sie für
das Thema Gründung sensibilisieren
und Menschen zusammenbringen.
krampfhaft versucht, sich was Inno-
vatives auszudenken. Sie entstehen
oft zufällig. Es klingt zwar cheesy,
aber wie eine Sternschnuppe muss
man sie dann zufällig entdecken – und
ergreifen. Wir glauben nicht an ein
Gründer-Gen. Jeder kann Gründer
oder Gründerin werden. Aber wer ein
Unternehmen gründen möchte, sollte
lernen, anders zu denken. Du musst
öfter in den Himmel sehen als ande-
re, die Augen nach Ideen offenhal-
ten. Und wenn du die Sternschnuppe
siehst? Dann solltest du sofort anfan-
gen, nachzudenken, zu brainstormen,
an deiner Idee zu arbeiten – und sie
bloß nicht gleich wieder vergessen.
Übrigens: Der Zeitpunkt zum Grün-
den ist selten perfekt. Das bedeutet:
Wenn Gründen dein Traum ist und
du es irgendwie schultern kannst
– vielleicht am Anfang nebenbei –
dann ist es vermutlich jetzt auch Zeit
für die Umsetzung. Die Devise heißt
dann: Einfach machen. Du wirst erle-
ben, wie schön es ist, wenn man eine
Idee zum Leben erweckt. Wenn man
diesen Prozess zudem noch mit Men-
schen teilen kann, zum Beispiel weite-
ren Teammitgliedern oder Mitgrün-
dern, dann macht es doppelt Freude.
Es ist anstrengend, du hast nicht alles
selbst in der Hand, brauchst Glück,
manchmal ist es frustrierend oder
verrückt, immer lehrreich und es geht
oft schief. Doch wer nicht wagt, der
nicht gewinnt. Wir drücken dir die
Daumen.
Maria Seeger, Leserin
Engagiert euch
Was beim Thema Gründen oft zu kurz
kommt, sind die Möglichkeiten, auch
außerhalb von Firmen etwas zu grün-
den: zum Beispiel Vereine, die sich
sozial engagieren und eine hohe Ver-
antwortung tragen. Das Ehrenamt ist
der Rückhalt für unsere Gesellschaft.
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