+3 Magazin Oktober 2018 | Page 14

+2 14 › Gero von Boehm, Regisseur und Fernsehproduzent Mit allen Sinnen Es wird vielleicht überraschen – aber für mich ist Arbeit der höchste Ge- nuss. Je größer und schwieriger ein Projekt, desto mehr bringt es in mir die Endorphine zum Tanzen. Filme zu konzipieren, zu drehen, zu schnei- den hat etwas höchst Sinnliches. Mu- sik spielt für mich auch eine wichti- ge Rolle. Während ich sie höre, gehe ich in unserer Bibliothek spazieren, der Duft des Lilienstraußes wettei- fert mit dem alter Bücher, ich nehme Kunstbände in die Hand – und schon kommt die nächste Inspiration. Ich versuche, jeden Tag so bewusst wie möglich zu leben. Absolute Grundbe- dingung: Einmal am Tag etwas Gutes essen und trinken. Ich liebe Restau- rants, bin ständig auf der Suche nach neuen Entdeckungen. Belohnungen nach langen Drehtagen, am liebsten in größerer Runde, müssen sein. In Südfrankreich verbringen wir so viel Zeit wie möglich – ein göttlicher Ort, um Drehbücher zu schreiben oder neue Ideen zu entwickeln. Dort wird dann viel gekocht. Weil man einfach Produkte findet, die ein reiner Ge- nuss sind. Ein frischer Fisch aus dem Mittelmeer, mit eigenem Olivenöl zubereitetes Gemüse und Früchte aus dem Garten, dazu ein Weißwein aus der Region – da bleibt kein Auge trocken. Ein besonderer Genuss liegt für mich aber auch in der Stille, die in unserem provenzalischen Tal herrscht und nur von manchmal geheimnisvol- len Naturgeräuschen unterbrochen wird. Man kann in diese Stille minu- tenlang „hineinhören“ und sie bewegt einen auf merkwürdige Weise. Juliana Schanze, Leserin Genuss braucht Zeit Eine Grundvoraussetzung für Genuss ist Zeit. Man kann das beste Glas Wein, die edelste Zigarre oder das delikateste Stück Käse nur mit der entsprechenden Zeit genießen. Dann lässt sich Genuss zelebrieren und verkommt nicht zu einem flüchtigen Eindruck, der seinen negativen Höhe- punkt im vermeintlichen Genuss von Fastfood findet. Mit genug Zeit lassen sich auch ganz alltägliche Sachen ge- nießen. Wenn man zum Beispiel an einem kühlen, aber sonnigen Morgen vor die Tür tritt und die würzige Luft einatmet, sich dabei ein bisschen Zeit nimmt und die Augen schließt, tau- chen vor dem inneren Auge Bilder von goldenen Herbstwäldern, Nebel über Stoppelfeldern und aromatisch riechenden Lagerfeuern auf. KUNDE IST KÖNIG Wie bestimmte Kriterien unsere Entscheidung, wo wir einkaufen, beeinflussen Saubere Ladengestaltung 65% 57% 61% Hat preisgünstige Produkte 70% 70% 70% Angenehme Hintergrundmusik 2% 3% 3% Angenehm helle Beleuchtung 14% 15% 15% Hat kompetente Mitarbeiter 37% 36% 36% Hat freundliche Mitarbeiter 57% 54% 55% Hat eine große Auswahl an frischen Lebensmi eln 69% 58% 63% Frauen Männer Hat Lebensmi el von hoher Qualität 56% 63% 60% Kurze Wartezeiten an der Kasse 51% 53% 52% Gesamt Quellen: K&A BrandResearch, Statista Mechthild Schindelmeiser, Leserin Ausgleich im Alltag Genuss ist genauso wie auch Ekel eine ganz normale menschliche Sinnes- empfindung. Leider steht die Lebens- haltung vieler Menschen dieser posi- tiven Empfindung, der puren Freude am Genuss, skeptisch bis feindlich gegenüber. Wer genießt sündigt, weil er faul oder unproduktiv ist. Dabei ist es der gelegentliche Genuss, der uns den Alltagsstress überhaupt aushalten lässt und unser seelisches Gleichge- wicht wiederherstellt. Ab und zu inne- halten, die Zeit stillstehen lassen und einfach genießen – ja, das muss sein. DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE John-Philip Kautsch, Önologe und Geschäftsführer Silkes Weinkeller GmbH Genuss ist ein Wort mit vielen Be- deutungen. Schließlich genießen wir nicht nur gutes Essen oder hoch- wertigen Wein, sondern auch Zeit mit der Familie, mit Freunden und manchmal auch uns selbst. Was aber ist es, das Genuss entstehen lässt? Wer genießen will, muss fühlen In der Welt des Weines scheint Ge- nuss ganz einfach. Hochwertige Reb- sorten, sorgfältige Vinifikation und schon befinden wir uns mitten in ei- nem Erlebnis, das die Sinne anregt. Wer so denkt, liegt nicht falsch, ver- gisst jedoch wichtige Aspekte. Denn Genuss bedeutet auch Freundschaft, Entwicklung und das Gehen gemein- samer Wege. Wenn wir uns mit Winzern treffen, die die Seele ihrer Heimat schon vie- le Jahre lang ehren, beginnt Genuss schon in der zwischenmenschlichen Begegnung. Dann weckt der Duft von dunkler Johannisbeere oder Eichen- holz auch später noch Erinnerungen an diese starke Verbindung und lässt uns für die Dauer eines Glases ge- danklich in der Toskana, dem Priorat oder Stellenbosch wandeln. Echter Genuss gelingt nur ganzheitlich Wirklich genießen lassen uns also nicht nur Zunge, Gaumen oder Nase, sondern auch das Herz. Emotionen sorgen für die Verschmelzung echter Sinneseindrücke mit Erfahrungen und Erinnerungen. Die Frage nach der Entstehung großer Genussmo- mente kennt daher mehr als nur eine Antwort. Auch für mich bedeutet sie eine lebenslange Reise, deren Ziel manchmal eine Traube und manch- mal auch ein freundliches Lächeln ist. Alfons Schuhbeck, Sternekoch und Gastronom Ein Fest für die Seele Am meisten genießen kann ich das ebenso gute wie seltene Gefühl, Zeit zu haben. Da geht es mir wie vielen, die mit ihrem Berufs- und Privatleben im Reinen sind. Den zweitgrößten Ge- nuss empfinde ich bei der Kochkunst – nicht nur weil ich Koch bin, sondern weil sie die einzige Kunst ist, die alle Sinne befriedigt. Man kann sie sehen, wenn der schön angerichtete Teller serviert wird. Man kann sie riechen, wenn der duftende Sonntagsbraten aufgetragen wird. Man kann sie hö- ren, wenn es in der Pfanne verlockend brutzelt und schmurgelt. Man kann Marc Rössner, Leser Glück des Seemanns Für mich ist einer der größten Ge- nüsse das Segeln auf alten Wind- jammern. Es ist eine kleine Zeit- reise und eine Begegnung mit den Naturgewalten, wenn man ohne Motorkraft nur durch die Kraft der Elemente sein Ziel erreicht. Aber auch das Drumherum regt alle Sin- ne an und ist ein Genuss. Das Knar- ren des Rumpfes, die rauen Seile sie im Mund fühlen, zum Beispiel als knackig beim Zubeißen oder schmel- zend am Gaumen. Und, vor allem, man kann sie schmecken. Wie sehr sich ein Essen genießen lässt, ent- scheiden die Güte und die Frische der Produkte und insbesondere die rechte Würze. Die ist auch das gewisse Etwas in unserem Privatleben, im Zwischen- menschlichen. Denn als fade, feurig, aufdringlich, herzhaft, herb oder wär- mend können wir genauso gut Speisen wie Menschen und Gefühle charakte- risieren. Gewürze erheben unser Essen von der schlichten Notwendigkeit zum köstlichen Vergnügen. Genuss hat für mich nichts mit Geld oder Luxus zu tun, sondern mit der hoffentlich das ganze Leben lang bewahrten Fähigkeit, sich über etwas freuen zu können. Ich genieße es, mal ein paar Momente still in einer Kirche zu sitzen – und wenn ich dann nichts von Gott will, weiß ich: Ich kann mein Leben genießen. und die weißen Segel, gepaart mit der unvergleichlichen Luft auf See und dem speziellen Geruch unter Deck – einer Mischung aus Salz und Holz, veredelt mit einem Hauch Moder, der die Geschichte des Schif- fes und seiner Passagiere zu erzäh- len scheint. Wenn dann abends im Hafen oder vor Anker in einsamer Bucht in der Messe der Ofen brennt, der Rum im Glas schwappt und die Geschichten immer interessanter und unglaubwürdiger werden, ist der Genuss perfekt.