+3 Magazin November 2019 | Page 8

+1 8 › Jens-Uwe Meyer, Autor und Keynote Speaker Anwender gesucht Der Treiber von Innovation wird in den kommenden Jahren nicht eine einzelne Technologie sein. Es ist die nutzenstiftende Kombination von Technologien. Ob Künstliche Intel- ligenz, Blockchain oder 5G: Innova- tion ist zwar technologiegetrieben, aber trotzdem steht die Technologie dabei nicht im Mittelpunkt. Innova- tion wird heute vielmehr darin be- stehen, neue Kundenbedürfnisse zu entdecken und innovative Anwen- dungsfälle zu schaffen. Diese An- wendungsfälle nutzen zwar neue Technologien, aber der wesentliche Treiber ist die Schaffung eines neu- en Kundennutzens. Entsprechend werden die Unternehmen zu digi- talen Gewinnern, die es verstehen, die neuen Technologien gezielt zu bündeln und anzuwenden. Nehmen wir als Beispiel 5G: Die Technologie kann beispielsweise in der Baubran- che perfekt dazu genutzt werden, um dem Fachkräftemangel zu begegnen – wenn beispielsweise Kranführer Geräte aus mehreren hundert Kilo- metern Entfernung steuern können. Die technologische Grundlage ist die geringe sogenannte Latenzzeit – also die Tatsache, dass die Steuerung fast in Echtzeit erfolgt. Die eigentliche Innovation besteht aber im Aufbau des Geschäftsmodells „Kranführer Remote Service“. Die Innovation hört also nicht bei der Lösung einer technischen Fragestellung auf. Häu- fig sind damit Umstrukturierungen von Unternehmen verbunden. Der technologischen Innovation folgt die Nutzeninnovation und dann die In- novation in den Strukturen von Un- ternehmen. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) Zurück zum Wesentlichen Im Bau- und Immobiliensektor ist Nachhaltigkeit das Gebot der Stun- de. Dabei geht es um mehr als Ener- gieeffizienz, nämlich um Qualität. Es geht um die Umwelt, eine lang- fristige Wirtschaftlichkeit und nicht zuletzt die Menschen, die die Ge- bäude nutzen. Verschiedenste Tech- nologien können helfen, den nach- haltigen Weg möglich zu machen. Dabei entsteht Innovation oft mit FUTURE TECHNOLOGY Diese Innovationen könnten in den nächsten Jahren kommen 2020 DIAGNOSTIK MIT SPEZIALPAPIER 2023 DESIGNER-ANTIBIOTIKA erlaubt die Früherkennung vieler Krankheiten bekämpfen multiresistente Keime Ihr Name, Leserin Andreas Kronenberg, Leser 2024 ESSBARE ROBOTER 2026 SMARTE BEKLEIDUNG Was ist Ihre Meinung? heilen Verletzungen im Körper passt sich wechselnden Bedingungen an Schreiben Sie uns Ihre Antwort und viel- leicht erscheinen Sie im nächsten Heft. Maja Schmitz, Leserin Human first An beeindruckenden Technologien mangelt es derzeit wohl kaum. Ich würde mir wünschen, dass der Durch- bruch kommender Technologien vor allem daran gekoppelt wird, wie diese in der Praxis funktionieren. Aktuell gibt es schon genug unausgereifte Pro- totypen, mit denen wir in den letzten Jahren beworfen wurden. Es muss doch möglich sein, Fortschritt und Achtsamkeit zu gewährleisten. 2027 PHOTONIK 2029 CO₂ -AUFNEHMENDE BATTERIEN helfen uns aus der Klimakrise CO₂ beschleunigt Kommunikationssysteme 2031 2033 NANOTECHNOLOGIE ist weit verbreitet und günstig BATTERIEN AUS KÜNSTLICHEN DIAMANTEN verwandeln Atommüll in Strom Quellen: Visual Capitalist, Futurism Moritz Dressel, Kurator Technikmuseen Sinsheim und Speyer Zurück in die Zukunft Die Entwicklung des ersten Automo- bils ist nun 133 Jahre her, die des an- treibenden Aggregats geht sogar bis auf das Jahr 1670 zurück. Von ver- schiedensten Antriebsarten haben wir geglaubt, sie seien die Zukunft. Doch die meisten Ideen wurden der individuellen Bauaufgabe, denn praktisch jedes Gebäude ist ein Uni- kat. Trotzdem muss nicht jedes Mal das Rad neu erfunden werden. Es geht darum, für die jeweilige Bau- aufgabe die intelligenteste, nachhal- tigste Lösung zu finden, anstatt sich gleich in die Suche nach der neues- ten technologischen Finesse zu stür- zen. Denn nicht alles, was smart ist, macht auch Sinn. Vieles ist Spielerei, wartungsintensiv und beim Einbau im Grunde schon veraltet. Vielmehr beschäftigen sich die wirklich span- nenden Innovationen im Bauen bei- spielsweise mit den Ideen einer Cir- cular Economy. Unsere Ressourcen sind endlich. Deshalb muss lineares Wirtschaften in zirkuläre Geschäfts- modelle überführt werden. Erste Lösungen gibt es, viele weitere wer- den folgen müssen. Genauso wich- tig sind Architekten und Planer, die verstehen, Gebäude so zu konzipie- ren, dass ihnen der Weg in die Kli- maneutralität gelingt – zum Beispiel über Lowtech-Ansätze. Und es gibt genug Beispiele, die zeigen, dass dies ohne Abstriche im Wohlempfinden der Nutzer möglich ist. wieder verworfen. Schauen wir auf die Geschichte der Automobilent- wicklung, dann finden wir schon in den frühen Jahren den Einsatz von Elektromotoren. Ein Beispiel dafür ist der in Sinsheim ausgestellte Co- lumbia von 1904. Doch war damals schon die Reichweite der Batterie zu gering. Um diese zu erhöhen, setzte man seine Hoffnung in den Hyb- ridantrieb. Was man damals schon in der Automobilindustrie für eine gute Idee hielt, sehe ich auch heute noch als die Zukunft der automobi- len Fortbewegung an. Denn die Er- zeugung des Stroms für den Elektro- antrieb direkt im Fahrzeug erspart viel Gewicht für Batterien und sorgt für hohe Reichweiten sowie schnel- leres Aufladen. Um ein möglichst breites Spektrum an Kraftstoffen verwenden zu können, bietet sich hier die Brennstoffzelle an. Diese kann sowohl mit Wasserstoff als auch mit anderen Brennstoffen, wie zum Beispiel Erdgas oder Methanol, betrieben werden. Ich denke, dass keine einzelne Technologie vor dem Durchbruch steht, sondern dass die Zukunft der automobilen Fortbewe- gung in der Verbindung der einzel- nen Technologien liegt. Renaissance der Ideen Können wir in der Zukunft wirklich sensationell Neues erwarten, wo MINT-Fächer kaum noch jemanden interessieren und wir das Denken den Computern überlassen? Wer hinterfragt denn noch Dinge oder überlegt gar, wie man etwas besser machen könnte? Die Klimadiskus- sion, der ich persönlich sehr skep- tisch gegenüberstehe, zeigt gerade, wie wir uns in diffusen Ängsten verlieren. Sie wird meiner Meinung nach aber bewirken, dass wir wie- der zur Technik zurückfinden. Und daher glaube ich fest, dass wir eine Renaissance von Ideen wie Über- schall-Flugzeugen, Transrapid und Kerntechnik erleben werden. Auch wenn ich den Verbrennungsmotor nicht als das Übel aller Dinge und seine Öko- und Live-Cycle-Bilanz sogar sachlich falsch in den Medien dargestellt sehe, wird es eine Ver- knappung von Öl geben. Deshalb glaube ich daran, dass wir die Kern- energie nicht nur als Energiequelle wiederentdecken, sondern sogar als Antriebssystem. Nuklear angetrie- bene Autos, Züge und Flugzeuge sind Ideen der 1960er-Jahre, aber erst jetzt haben wir die Materialien und die Erfahrungen, um sie uni- versell sicher zu machen. Das Atom- schiff „Otto Hahn“ gab es ja sogar in Deutschland für einige Jahre. Ich glaube auch daran, dass wir uns vom elektrischen Strom verabschieden müssen, weil die Leitungsverluste einfach zu groß sind. Wir werden Licht aus Plasmareaktoren übertra- gen und erst beim Verbraucher das Licht in andere Energieformen um- wandeln.