+3 Magazin November 2018 | Page 14

+3 14 WIE INVESTIERT MAN IN DIE ZUKUNFT? WIR FRAGEN: ... und was ist Ihre Meinung? www.plus-drei.de [email protected] Das größte Papierboot der Welt wurde 2015 in Karlsruhe gebaut und war 13,93 Meter lang und stolze 117 Kilo schwer. Quelle: Rekord-Institut für Deutschland André Wilkens, Mitbegründer Initiative „Offene Gesellschaft“ und Direktor Europäische Kulturstiftung Europa neu entfachen Zukunft ist für mich eine bessere Ver- sion der Gegenwart. Als ich in der DDR aufwuchs, war eine Zukunft ohne Mauer, mit Demokratie und freiem Reisen fast eine Utopie. Dann war die Zukunft mit einem Mal da. Es gab genug Leute, die daran ge- glaubt haben. Und es gab Investi- tionen, damit die deutsche Teilung nicht schleichend permanent wurde. Eine dieser Investitionen war Radio und Fernsehen, welche Menschen in ganz Deutschland mit Informationen und Unterhaltung verband und so in gewisser Weise einen freien öffentli- chen Raum über physische Grenzen hinweg schuf. Heute haben wir ein Europa ohne Grenzen, utopische digi- tale Möglichkeiten, aber einen öffent- lichen Raum haben wir nicht. Statt- dessen igeln wir uns mehr und mehr in nationale und persönliche Filterblasen ein. Digitale Mauern entstehen da, wo wir früher physische Mauern nieder- gerissen haben. Deshalb sind für mich Investitionen in einen funktionieren- den öffentlichen Raum in Europa es- senzielle Investitionen in eine bessere Zukunft. Ich stelle mir eine grandiose europäische Initiative vor, die euro- päische Medien schafft, die eine echte und bessere Alternative zu Facebook, Netflix und Youtube sind, auf euro- päischer Datensicherheit fußen und ohne Werbung funktionieren. In den 1960er-Jahren hat Europa mit Airbus schon einmal gezeigt, wie man erfolg- reiche Zukunftsinvestitionen macht. Davon sollten wir uns inspirieren las- sen und einen Airbus für europäische Öffentlichkeit schaffen. © iStock./francescoch Karl-Werner Schulte, Immobilienökonom Klassiker im Wandel Immobilien gelten vielen Anlegern als langweilige, aber sichere Anlage- häfen: Ein Objekt wird gebaut, ir- gendwie findet sich schon ein Nutzer und dann fließen regelmäßig stabil planbare Mieteinnahmen. Doch diese holzschnittartige Erwartung an eine Immobilie ist falsch – auch wenn es gerade heute so einfach wirkt, mit Im- mobilien ein Vermögen aufzubauen. Wir sollten den aktuellen günstigen Marktzyklus nicht mit den strukturel- len Veränderungen, die auch auf die Immobilienwirtschaft einwirken, ver- wechseln. Die Globalisierung führt zu mehr Wettbewerb. Die Digitalisierung erzwingt neue Wertschöpfungsmodel- le. Die demografischen Veränderun- gen erfordern andere Gebäudetech- niken und -zuschnitte. Allein diese drei Trends führen dazu, dass unsere Gebäude passgenauer und bei häufi- gen Mieterwechseln flexibler werden müssen. Dies kann nur mit mehr Tech- nik in den Gebäuden erreicht werden. Auch die Mietverträge müssen den Geist der Flexibilität atmen. Schließ- lich machen die Flexibilitätsanforde- rungen nicht am deutschen Regulie- rungsrahmen halt. Wenn sich Märkte schneller ändern, müssen sich unsere Städte anpassen können. Das Pla- nungsrecht sowie das Genehmigungs- wesen vertragen mehr Dynamik. Dafür benötigt die deutsche Immobilienwirt- schaft hochqualifizierte Professionals, die in der Lage sind, vernetzt zu den- ken, über Fakultätsgrenzen zu blicken und akute Cashflow-Anforderungen mit zukünftigen Trends zu versöhnen. Eine Herkulesaufgabe, die sich lohnt.