+3 Magazin März 2020 | Page 12

+2 12 › Arnt von Bodelschwingh, Stadtforscher Wohnen beim Arbeitgeber Die Gesellschaft verändert sich und damit auch das Wohnen. Für klei- nere, ältere oder mobilere Haushal- te brauchen wir in Zukunft andere Wohnungen als noch vor wenigen Jahrzehnten. Wenn wir heute ange- sichts großer Nachfrage neu bauen, muss es also darum gehen, dass diese Wohnungen auch in Zukunft zum Be- darf passen. Und um bezahlbare An- gebote dort zu schaffen, wo sie benö- tigt werden, brauchen wir möglichst viele (neue) Akteure, die zur effekti- ven Marktentlastung beitragen. Hier beobachten wir derzeit einen Trend: Vom Handwerksbetrieb bis zum Dax-Konzern erkennen immer mehr Arbeitgeber die Herausforderungen, die ihre Belegschaften beim Thema Wohnen haben, und reagieren dar- auf, indem sie selbst aktiv werden. Gerade dort, wo geeigneter Wohn- raum knapp ist, erweisen sich Mitar- beiterwohnungen zunehmend als ein gewichtiger Vorteil beim Wettbewerb um die besten Köpfe. Die Beschäftig- ten profitieren von bezahlbaren un- ternehmensnahen Wohnungen, die zu ihren Bedürfnissen passen. Für den Arbeitgeber sind sie ebenfalls ein Gewinn, denn er baut so eine stärkere Bindung zu umworbenen Fachkräf- ten auf. Auch die Städte profitieren, weil es auf jede zusätzliche Wohnung ankommt. Die realisierten Lösungen reichen von Neubauten auf unter- nehmenseigenen Reserveflächen bis hin zum überbauten Parkplatz für das Azubi-Wohnen. All das sind gute Beispiele für unorthodoxe, aber pass- genaue Lösungen, die auf dem Woh- nungsmarkt der Zukunft dringend benötigt werden. Anders bauen Meiner Ansicht nach kann unsere gegenwärtige Art des Bauens und Wohnens nicht fortgeführt werden. Obwohl immer mehr Menschen vom Land (oder Ausland) in die Großstäd- te ziehen, wird der wenige frei wer- dende Baugrund oft zur Errichtung von überdimensionierten Luxusapart- ments genutzt, bei denen sich wohl- situierte Pärchen erquicken können. Gleichzeitig werden in den ländlichen Regionen immer noch neue Bauge- biete ausgewiesen, in denen sich Fa- milien den Traum vom eigenen Haus verwirklichen, Geschossbauweise gilt ABENTEUER WOHNUNGSSUCHE Jeder Dritte hat Probleme, eine neue Bleibe zu finden Ist es für Sie persönlich ein Problem, bezahlbaren Wohnraum zu finden? Nach Haushaltsneoeinkommen Unter 1.500 Euro 1.500 bis unter 3.000 Euro Sehr großes Problem 3.000 Euro und mehr 12% 40% 35% 35% 33% 34% 43% Nach Ortsgröße Großes Problem Unter 20.000 Einwohner 21% 20.000 bis unter 100.000 Einwohner Kleines Problem 10% 100.000 Einwohner und mehr Gar kein Problem 27% Klaus Wetterling, Leser Große Gegensätze Michael Gregor, Leser 29% 37% 23% 30% 45% 48% Sehr großes / großes Problem Kleines / Gar kein Problem Umfrage unter 1.003 Personen, April 2019; Abweichung von 100 Prozent: Suche keinen Wohnraum/Weiß nicht/Keine Angabe bzw. durch Rundung Quellen: Infratest Dimap, Statista Die Größe der Wohnungen und die Zahl der Autos ist in den vergan- genen Jahrzehnten kontinuierlich gewachsen. Trotz eines Ausbaus der Straßen in die Ballungszentren haben die Staus durch die allgemei- ne Verkehrszunahme und den zu- sätzlichen Pendlerverkehr so zuge- nommen, dass Bürger diesem Stress ausweichen wollen, indem sie ver- suchen, in die Zentren umzuziehen. Somit bleiben die Mieten dort hoch und zwingen die Gemeinden, Maß- nahmen zu treffen, damit Beschäf- tigte der Schulen, Krankenhäuser oder Müllabfuhren in der Stadt ihres Arbeitsplatzes verbleiben. Die Aus- einandersetzungen um die Mieten, die Verdichtung beim Bauen und die Erhaltung von Frei- und Grünflä- chen werden eher zu- als abnehmen. In Städten wie München, Berlin und Frankfurt am Main sieht man, dass die Gemeindevertreter gewählt wer- den, die versprechen, zukünftig wie- der mehr Wohnanteile preiswert zur Verfügung zu stellen. Außerhalb der urbanen Zentren stellt sich die Situa- tion anders dar: Der ländliche Raum leidet unter Abwanderung und un- zureichender Infrastruktur, es fehlt zum Teil an Arbeitsplätzen. Hilfreich wären Ansätze, die Verlagerung von Bundes- und Landesbehörden in diese Gebiete durchzusetzen. Dies würde den Wohnungsbau in den Gemeinden um die Ballungsgebiete stärken und ihre Einwohnerzahlen stabilisieren. Francesco Piccolin, Leser Fehlendes Puzzleteil In einer nach Flexibilität schreienden Arbeitswelt braucht es auch eben- so flexible Wohnkonzepte für all die Teilzeit-Arbeitsnomaden. Gerade für Arbeitnehmer, die temporär oder zur Einarbeitung in eine andere Stadt zie- hen müssen, ist es schwer, überhaupt eine Wohnung zu finden. Wer bei den oft schmalen Angeboten für Zwi- schenmieten bei Privatpersonen nicht fündig wird, dem bleiben oft nur Fe- rienwohnungen als Alternative. Doch Michael Hövel, Eigentümer eines energie- autarken Einfamilien- hauses Nutze die Möglichkeiten Wenige Jahre zur Miete in einem Haus mit einer modernen Ölheizung haben uns gezeigt: Der Versuch, mit fossiler Anlagentechnik und Ver- brennungsmotoren CO 2 einzuspa- ren, ist weitgehend sinnlos, wenn die CO 2 -Emissionen bis 2050 um die sind für diese Zwecke gar nicht gedacht und völlig überteuert. Denn was für Urlaubsaufenthalte praktisch erscheint, stellt bei mehrmonatiger Miete eine enorme finanzielle Be- lastung dar – und zwar nicht nur für den Arbeitgeber. Im Zweifel muss der Arbeitnehmer selbst einen Teil der Kosten tragen. Hier müsste ein ganz neues Marktsegment entstehen – mit Wohnungen, in denen sich zu günsti- gen Mieten und flexiblen Mietdauern eine Zeit lang wohnen lässt. In jeder größeren Stadt würde ein an das Co- Working-Prinzip angelegtes Co-Li- ving-Konzept funktionieren. 90 Prozent sinken sollen. Außerdem macht Energiesparen überhaupt kei- nen Spaß. Bei der Suche nach We- gen, unsere Energieversorgung in die eigene Hand zu nehmen, kamen wir auf das Sonnenhaus-Konzept. Eine Solarthermie-Anlage übernimmt in Verbindung mit einer Holzheizung die Wärmeversorgung. Photovoltaik mit Batterie versorgt das Haus kom- plett mit Strom und deckt zusätz- lich 20.000 Kilometer E-Mobilität im Jahr – eine Unabhängigkeit, die mit einer Wärmepumpe nicht zu er- reichen ist. Umstellungen in der Le- bensweise erfordert das Wohnen im Sonnenhaus keine. Wir verheizen heute so viel Holz im Ofen wie früher, dort oftmals immer noch als Tabu. Und die dortigen Baupreise werden dann noch durch ein umsinniges Bau- kindergeld angeheizt. Etwas mehr Bescheidenheit beim Wohnen, ver- bunden mit einer nachhaltigeren Bau- weise, könnte schön viel bewirken. Siegbert Lühne, Leser Der Preis der Vielfalt „Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genauso töten wie mit einer Axt.“ Mit dieser Äußerung spielte der hauptsächlich im Berliner „Milljöh“ tätige Künstler Heinrich Zille auf die katastrophalen und krankmachenden Wohnverhältnisse in der Zeit um 1900 an. Heutzutage sind wir von solchen Zuständen natürlich weit entfernt. Es ist dennoch höchst bedenklich, wenn selbst Polizisten und andere Staatsbe- dienstete sich in der Innenstadt keine Wohnung mehr leisten können. Die Verdrängung aus den Innenstädten greift auch schon im Mittelstand um sich. Ob Mitpreisbremsen diesen Trend in der Zukunft umkehren können oder sich nur noch die Finanzelite in der City eine Wohnung leisten kann, wird ne- ben Bürgerinitiativen und der Politik auch Gerichte beschäftigen. Ich kann nur hoffen, dass unsere lebenswerten Städte auch in Zukunft von Menschen aller Couleur bewohnt werden. Egal ob Rentner, Student, Banker oder Müßig- gänger. Die bunte Mischung verschie- dener Lebenswelten macht das Flair einer wahren Metropole aus. Rainer Class, Leser Verteilt euch Wie so oft handelt es sich um ein Ver- teilungsproblem. Also muss gesteuert werden. Damit die Leute bereit sind, aufs Land zu ziehen, sollte der öffent- liche Verkehr billiger und schneller werden. Und um dort die Haus- und Grundstücksbesitzer in Bewegung zu bringen, müssen steuerliche Anreize gesetzt werden. Viel mehr ist eigentlich nach meinem Ermessen nicht notwen- dig. Ich denke, dass es bei Abflauen der Konjunktur sowieso zur Normalisie- rung der Wohnpreise kommen wird. brauchen jetzt aber kein Öl mehr. Die seit 25 Jahren erprobte solare Haus- technik funktioniert problemlos. Ein- zig unsere Einstellung zu Energie hat sich geändert. Durch den Überblick über Erzeugung und Verbrauch nut- zen wir die Energie der Sonne ganz intuitiv, wenn sie zur Verfügung steht. Nachdem unsere persönliche Energiewende geschafft ist, sehen wir der Zukunft gelassen entgegen. Für Wohnen und Mobilität erzeugen wir keine CO 2 -Emissionen mehr, unse- re Energiekosten sind auf null Euro gesunken und die Wirtschaftlichkeit des Konzepts ist nach unter 20 Jah- ren erreicht. Wir haben unser Haus der Zukunft gefunden. ›