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Arnt von Bodelschwingh,
Stadtforscher
Wohnen beim
Arbeitgeber
Die Gesellschaft verändert sich und
damit auch das Wohnen. Für klei-
nere, ältere oder mobilere Haushal-
te brauchen wir in Zukunft andere
Wohnungen als noch vor wenigen
Jahrzehnten. Wenn wir heute ange-
sichts großer Nachfrage neu bauen,
muss es also darum gehen, dass diese
Wohnungen auch in Zukunft zum Be-
darf passen. Und um bezahlbare An-
gebote dort zu schaffen, wo sie benö-
tigt werden, brauchen wir möglichst
viele (neue) Akteure, die zur effekti-
ven Marktentlastung beitragen. Hier
beobachten wir derzeit einen Trend:
Vom Handwerksbetrieb bis zum
Dax-Konzern erkennen immer mehr
Arbeitgeber die Herausforderungen,
die ihre Belegschaften beim Thema
Wohnen haben, und reagieren dar-
auf, indem sie selbst aktiv werden.
Gerade dort, wo geeigneter Wohn-
raum knapp ist, erweisen sich Mitar-
beiterwohnungen zunehmend als ein
gewichtiger Vorteil beim Wettbewerb
um die besten Köpfe. Die Beschäftig-
ten profitieren von bezahlbaren un-
ternehmensnahen Wohnungen, die
zu ihren Bedürfnissen passen. Für
den Arbeitgeber sind sie ebenfalls ein
Gewinn, denn er baut so eine stärkere
Bindung zu umworbenen Fachkräf-
ten auf. Auch die Städte profitieren,
weil es auf jede zusätzliche Wohnung
ankommt. Die realisierten Lösungen
reichen von Neubauten auf unter-
nehmenseigenen Reserveflächen bis
hin zum überbauten Parkplatz für
das Azubi-Wohnen. All das sind gute
Beispiele für unorthodoxe, aber pass-
genaue Lösungen, die auf dem Woh-
nungsmarkt der Zukunft dringend
benötigt werden.
Anders bauen
Meiner Ansicht nach kann unsere
gegenwärtige Art des Bauens und
Wohnens nicht fortgeführt werden.
Obwohl immer mehr Menschen vom
Land (oder Ausland) in die Großstäd-
te ziehen, wird der wenige frei wer-
dende Baugrund oft zur Errichtung
von überdimensionierten Luxusapart-
ments genutzt, bei denen sich wohl-
situierte Pärchen erquicken können.
Gleichzeitig werden in den ländlichen
Regionen immer noch neue Bauge-
biete ausgewiesen, in denen sich Fa-
milien den Traum vom eigenen Haus
verwirklichen, Geschossbauweise gilt
ABENTEUER WOHNUNGSSUCHE
Jeder Dritte hat Probleme, eine neue Bleibe zu finden
Ist es für Sie persönlich ein Problem,
bezahlbaren Wohnraum zu finden?
Nach Haushaltsneoeinkommen
Unter
1.500 Euro
1.500 bis unter
3.000 Euro
Sehr großes Problem
3.000 Euro
und mehr
12%
40%
35%
35%
33%
34%
43%
Nach Ortsgröße
Großes Problem
Unter 20.000
Einwohner
21%
20.000 bis unter
100.000 Einwohner
Kleines Problem
10%
100.000 Einwohner
und mehr
Gar kein Problem
27%
Klaus Wetterling, Leser
Große Gegensätze
Michael Gregor, Leser
29%
37%
23%
30%
45%
48%
Sehr großes / großes Problem
Kleines / Gar kein Problem
Umfrage unter 1.003 Personen, April 2019; Abweichung von 100 Prozent:
Suche keinen Wohnraum/Weiß nicht/Keine Angabe bzw. durch Rundung
Quellen: Infratest Dimap, Statista
Die Größe der Wohnungen und die
Zahl der Autos ist in den vergan-
genen Jahrzehnten kontinuierlich
gewachsen. Trotz eines Ausbaus
der Straßen in die Ballungszentren
haben die Staus durch die allgemei-
ne Verkehrszunahme und den zu-
sätzlichen Pendlerverkehr so zuge-
nommen, dass Bürger diesem Stress
ausweichen wollen, indem sie ver-
suchen, in die Zentren umzuziehen.
Somit bleiben die Mieten dort hoch
und zwingen die Gemeinden, Maß-
nahmen zu treffen, damit Beschäf-
tigte der Schulen, Krankenhäuser
oder Müllabfuhren in der Stadt ihres
Arbeitsplatzes verbleiben. Die Aus-
einandersetzungen um die Mieten,
die Verdichtung beim Bauen und die
Erhaltung von Frei- und Grünflä-
chen werden eher zu- als abnehmen.
In Städten wie München, Berlin und
Frankfurt am Main sieht man, dass
die Gemeindevertreter gewählt wer-
den, die versprechen, zukünftig wie-
der mehr Wohnanteile preiswert zur
Verfügung zu stellen. Außerhalb der
urbanen Zentren stellt sich die Situa-
tion anders dar: Der ländliche Raum
leidet unter Abwanderung und un-
zureichender Infrastruktur, es fehlt
zum Teil an Arbeitsplätzen. Hilfreich
wären Ansätze, die Verlagerung von
Bundes- und Landesbehörden in
diese Gebiete durchzusetzen. Dies
würde den Wohnungsbau in den
Gemeinden um die Ballungsgebiete
stärken und ihre Einwohnerzahlen
stabilisieren.
Francesco Piccolin, Leser
Fehlendes Puzzleteil
In einer nach Flexibilität schreienden
Arbeitswelt braucht es auch eben-
so flexible Wohnkonzepte für all die
Teilzeit-Arbeitsnomaden. Gerade für
Arbeitnehmer, die temporär oder zur
Einarbeitung in eine andere Stadt zie-
hen müssen, ist es schwer, überhaupt
eine Wohnung zu finden. Wer bei
den oft schmalen Angeboten für Zwi-
schenmieten bei Privatpersonen nicht
fündig wird, dem bleiben oft nur Fe-
rienwohnungen als Alternative. Doch
Michael Hövel,
Eigentümer eines energie-
autarken Einfamilien-
hauses
Nutze die
Möglichkeiten
Wenige Jahre zur Miete in einem
Haus mit einer modernen Ölheizung
haben uns gezeigt: Der Versuch, mit
fossiler Anlagentechnik und Ver-
brennungsmotoren CO 2 einzuspa-
ren, ist weitgehend sinnlos, wenn
die CO 2 -Emissionen bis 2050 um
die sind für diese Zwecke gar nicht
gedacht und völlig überteuert. Denn
was für Urlaubsaufenthalte praktisch
erscheint, stellt bei mehrmonatiger
Miete eine enorme finanzielle Be-
lastung dar – und zwar nicht nur für
den Arbeitgeber. Im Zweifel muss der
Arbeitnehmer selbst einen Teil der
Kosten tragen. Hier müsste ein ganz
neues Marktsegment entstehen – mit
Wohnungen, in denen sich zu günsti-
gen Mieten und flexiblen Mietdauern
eine Zeit lang wohnen lässt. In jeder
größeren Stadt würde ein an das Co-
Working-Prinzip angelegtes Co-Li-
ving-Konzept funktionieren.
90 Prozent sinken sollen. Außerdem
macht Energiesparen überhaupt kei-
nen Spaß. Bei der Suche nach We-
gen, unsere Energieversorgung in die
eigene Hand zu nehmen, kamen wir
auf das Sonnenhaus-Konzept. Eine
Solarthermie-Anlage übernimmt in
Verbindung mit einer Holzheizung
die Wärmeversorgung. Photovoltaik
mit Batterie versorgt das Haus kom-
plett mit Strom und deckt zusätz-
lich 20.000 Kilometer E-Mobilität
im Jahr – eine Unabhängigkeit, die
mit einer Wärmepumpe nicht zu er-
reichen ist. Umstellungen in der Le-
bensweise erfordert das Wohnen im
Sonnenhaus keine. Wir verheizen
heute so viel Holz im Ofen wie früher,
dort oftmals immer noch als Tabu.
Und die dortigen Baupreise werden
dann noch durch ein umsinniges Bau-
kindergeld angeheizt. Etwas mehr
Bescheidenheit beim Wohnen, ver-
bunden mit einer nachhaltigeren Bau-
weise, könnte schön viel bewirken.
Siegbert Lühne, Leser
Der Preis der Vielfalt
„Man kann mit einer Wohnung einen
Menschen genauso töten wie mit einer
Axt.“ Mit dieser Äußerung spielte der
hauptsächlich im Berliner „Milljöh“
tätige Künstler Heinrich Zille auf die
katastrophalen und krankmachenden
Wohnverhältnisse in der Zeit um 1900
an. Heutzutage sind wir von solchen
Zuständen natürlich weit entfernt. Es
ist dennoch höchst bedenklich, wenn
selbst Polizisten und andere Staatsbe-
dienstete sich in der Innenstadt keine
Wohnung mehr leisten können. Die
Verdrängung aus den Innenstädten
greift auch schon im Mittelstand um
sich. Ob Mitpreisbremsen diesen Trend
in der Zukunft umkehren können oder
sich nur noch die Finanzelite in der City
eine Wohnung leisten kann, wird ne-
ben Bürgerinitiativen und der Politik
auch Gerichte beschäftigen. Ich kann
nur hoffen, dass unsere lebenswerten
Städte auch in Zukunft von Menschen
aller Couleur bewohnt werden. Egal ob
Rentner, Student, Banker oder Müßig-
gänger. Die bunte Mischung verschie-
dener Lebenswelten macht das Flair
einer wahren Metropole aus.
Rainer Class, Leser
Verteilt euch
Wie so oft handelt es sich um ein Ver-
teilungsproblem. Also muss gesteuert
werden. Damit die Leute bereit sind,
aufs Land zu ziehen, sollte der öffent-
liche Verkehr billiger und schneller
werden. Und um dort die Haus- und
Grundstücksbesitzer in Bewegung zu
bringen, müssen steuerliche Anreize
gesetzt werden. Viel mehr ist eigentlich
nach meinem Ermessen nicht notwen-
dig. Ich denke, dass es bei Abflauen der
Konjunktur sowieso zur Normalisie-
rung der Wohnpreise kommen wird.
brauchen jetzt aber kein Öl mehr. Die
seit 25 Jahren erprobte solare Haus-
technik funktioniert problemlos. Ein-
zig unsere Einstellung zu Energie hat
sich geändert. Durch den Überblick
über Erzeugung und Verbrauch nut-
zen wir die Energie der Sonne ganz
intuitiv, wenn sie zur Verfügung
steht. Nachdem unsere persönliche
Energiewende geschafft ist, sehen wir
der Zukunft gelassen entgegen. Für
Wohnen und Mobilität erzeugen wir
keine CO 2 -Emissionen mehr, unse-
re Energiekosten sind auf null Euro
gesunken und die Wirtschaftlichkeit
des Konzepts ist nach unter 20 Jah-
ren erreicht. Wir haben unser Haus
der Zukunft gefunden.
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