+3 Magazin März 2019 | Page 4
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WIR FRAGEN:
WIE WIRD DIE WIRTSCHAFT
WEIBLICHER?
... und was ist
Ihre Meinung?
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Weltweit gibt es nur drei Länder, in denen es mehr
weibliche als männliche Chefs gibt: St. Lucia, Jamaika
und Kolumbien.
Quelle: International Labour Organisation
Heiner Thorborg,
Personalberater
für Führungskräfte
Nicht reden, handeln
Die Wirtschaft an sich muss gar nicht
weiblicher werden, 46 Prozent der
Erwerbstätigen im Land sind längst
Frauen. Was jedoch sehr wohl femini-
ner werden sollte, ist die Führung der
Wirtschaft. Verteilt über alle Jobs liegt
der Anteil weiblicher Chefs bei rund
30 Prozent, in den Topetagen der
Dax-Konzerne sind jedoch nur rund
zwölf Prozent der Vorstände Frauen.
Das ist beklagenswert, nicht nur, weil
Gleichheit ein ethischer Anspruch ist,
sondern weil es sich auszahlt, wenn
Frauen mehr zu sagen haben. Studien
belegen eindeutig, dass divers geführ-
te Unternehmen leistungsfähiger sind
als einheitlich männlich geprägte.
Es muss also etwas geschehen – und
zwar auf beiden Seiten. In den Unter-
nehmen sollte sich der Wunsch nach
mehr Chefinnen nicht nur rhetorisch
ausdrücken, sondern auch in den
Incentive-Systemen. Wer dauerhaft
keine Frauen im Team hat, muss das
beim Bonus spüren. Bei Beförderun-
gen muss auf jede Kandidatenliste
grundsätzlich mindestens eine Frau
– und bei gleicher Eignung bekommt
sie den Job, sonst ändert sich nichts.
Auf der anderen Seite gilt es, bei den
Mädchen verstärkt das Interesse an
Fächern zu wecken, die in der Wirt-
schaft relevant sind, also neben BWL
besonders Mathematik, Naturwissen-
schaften und IT – schon deswegen,
damit die Künstliche Intelligenz ihnen
die Jobs nicht bald wegrationalisiert.
Der Rest ist Motivation: Die jungen
Frauen müssen auch Lust auf Karrie-
re entwickeln und Ja sagen, wenn sich
Chancen auftun.
© iStock./linephoto
Monika Schulz-Strelow,
Präsidentin
FidAR – Frauen
in die Aufsichtsräte
Druck machen
Um die vor drei Jahren in Kraft getre-
tene Frauenquote ist es ruhig gewor-
den. Der Anteil von 30 Prozent Frau-
en in den Aufsichtsräten der rund 100
davon betroffenen Unternehmen ist
erreicht. Das überrascht wenig, denn
deutsche Unternehmen halten sich
bekanntlich an geltendes Recht. Aber
hat das Gesetz auch zu mehr Vielfalt
und geänderter Unternehmenskultur
unterhalb der Aufsichtsratsebene ge-
führt? Gleichberechtigung, Chancen-
gleichheit und Corporate Governance
erfordern mehr als Dienst nach Vor-
schrift. Wenn die Einsicht fehlt, dass
die Unternehmen aus ureigenstem
Interesse für eine gleichberechtigte
Teilhabe sorgen sollten, auch um als
Arbeitgeber für junge Frauen attrakti-
ver zu werden, sehen die Zahlen zwar
besser aus, das eigentliche Ziel wird
jedoch nicht erreicht. Die aktuellen
Zahlen von FidAR belegen, dass der
Frauenanteil in Aufsichtsräten der im
Women-on-Board-Index untersuch-
ten Unternehmen zwar auf 30,3 Pro-
zent gestiegen ist, in den Vorständen
aber nur 8,6 Prozent Frauen vertreten
sind. Bei den nicht der Quote unterlie-
genden Unternehmen liegen die Wer-
te im Aufsichtsrat nur bei 23 und im
Vorstand bei 7,9 Prozent. Das macht
auch deutlich: Der Druck der Quo-
te wirkt sich zahlenmäßig aus. Denn
wo sie nicht gilt, fällt die Entwicklung
noch ernüchternder aus. Sollten die
Unternehmen sich nicht bewegen,
wird der Gesetzgeber handeln und die
Quote ausweiten müssen. Das können
nur die Unternehmen durch stärkeres
Engagement verhindern.