+3 Magazin Mai 2019 | Page 10

+2 10 WIE ZEIGT MAN VERANTWORTUNG? WIR FRAGEN: ... und was ist Ihre Meinung? www.plus-drei.de [email protected] In unseren Meeren schwimmen rund 150 Millionen Tonnen Plastikmüll. Das entspricht etwa 7,5 Billionen herkömmlichen Plastiktüten. Quelle: Greenpeace Gregor Hackmack, Leiter Change.org Deutschland Eine neue Generation von Mitmachern Ein grauer Wintertag im Februar 2019 wird für Gustav (16) und Lilli (17) zum aufregendsten Moment ih- res bisherigen Lebens. Seit Wochen gehen die beiden freitags nicht zur Schule, sondern auf die Straße – für mehr Klimaschutz. Die 16-jährige Schwedin Greta Thunberg machte vor, was bis heute europaweit zehn- tausende Schülerinnen und Schüler nachmachen. Für Gustav und Lilli ist Greta ein Vorbild. Immer mehr Menschen hören ihr zu. Andere Men- schen verstehen das nicht und grei- fen sie an. Der Ton ist hasserfüllt. Gustav und Lilli nehmen das nicht hin. Auf Change.org starten sie ihre #WeloveGreta-Petition. Sie schreiben Greta den größten Liebesbrief aller Zeiten. Als Greta Hamburg besucht, dürfen Gustav und Lilli mit auf die Bühne. Ihr schönster Moment: Sie übergeben ihrem großen Vorbild den Brief mit 80.730 Unterschriften. Die Aktion macht bundesweit Schlagzei- len. Solche Momente zeigen, dass di- gitaler Protest wirkt. Gustav und Lilli gehören zu einer neuen Generation, die wieder Verantwortung übernimmt. Die Plattform Change.org hilft Men- schen wie ihnen, sich per Mausklick zu vernetzen und innerhalb kürzester Zeit viele Gleichgesinnte für ihr Anliegen zu mobilisieren. Gustav und Lilli ma- chen weiter. Sie haben eine neue Kam- pagne gestartet. Zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe wollen sie nun den Bau neuer Fracking-Terminals stoppen. Auch hierfür mobilisieren sie Tausende. Die Zeiten von „Allein kann ich sowieso nichts ändern“ sind vorbei. © iStock./Nastco André Leipold, Mitglied des Aktions- künstler-Kollektivs Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) Aufklärung ist der Weg So allgemein die Frage auch klingt, sie drückt bei mir sofort bestimm- te Knöpfe: Holocaust/Aufklärung, Schuld/Verantwortung. Es sind Begriffspaare, die sich durch mei- ne Arbeit und die gewonnenen Er- kenntnisse während vergangener Aktionen des ZPS gebildet haben – Grundmotive also, die uns zur Suche nach kollektiven Antworten auf eine Frage drängen: Welche Rolle spielt der überwundene Zivilisationsbruch im Hier und Jetzt? Es ist eine alle Kategorien sprengende Frage, die viele moralische, politische, wissen- schaftliche oder künstlerische Im- plikationen bereithält. Wir wollen jedoch eine immer und überall gülti- ge Antwort kreieren. So ein überge- ordneter Ansatz führt unweigerlich zu kühnen Sprüngen in einer Er- zählung, die man sich leider nur im konstruierten Rahmen der Kunst er- lauben kann. Die Kurzversion lautet so: Wir übernehmen Verantwortung für die Zukunft, indem wir die Auf- klärung verteidigen und das Wissen um ihre Zerbrechlichkeit bewahren. Erst wenn wir aus freien Stücken die Schuld für den Abgrund, den unsere Ahnen aufgerissen haben, annehmen und tragen, können wir über uns hi- nauswachsen. Sie zu tragen, macht unsere Schultern stärker. Erst dann haben wir die volle Verantwortung übernommen und unsere Mündig- keit für moralischen Fortschritt und utopische Traumverwirklichung ge- wonnen. Und erst dann haben wir Immanuel Kant wirklich verstanden, denn: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst ver- schuldeten Unmündigkeit.“