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Michael Ludwig,
Bürgermeister
der Stadt Wien
Miet- und Genossenschaftswohnun-
gen. Das ist weltweit ein Unikum. Und
wem gehört der größte Immobilien-
verwalter Europas? Der Stadt Wien
und heißt Wiener Wohnen. Die für die
Wiener Bevölkerung erfreulichen Fol-
gen liegen auf der Hand: 62 Prozent
der Bürgerinnen und Bürger Wiens le-
ben in geförderten oder kommunalen
Wohnungen auf hohem Qualitätsni-
veau. Niemand muss sich vor Mietkos-
tenexplosionen oder Delogierungen
fürchten. Zudem weiß sich die Stadt
dank der neuen Widmungskategorie
„Geförderter Wohnbau“ vor Speku-
lanten sicher. Bei Umwidmungen in
Bauland sind zwei Drittel der Fläche
Wien-win-Situation
Wem gehört Wien? Den Wienerin-
nen und Wienern. Und das ist nicht
nur ein wohlfeiler politischer Slogan,
das ist eine Tatsache. Heute gibt es
in Wien – der laut aktueller Mercer-
Studie lebenswertesten Metropole der
Welt – 220.000 Gemeindewohnun-
gen und mehr als 200.000 geförderte
für den geförderten Wohnbau vorge-
sehen. Seit 100 Jahren erfolgreich ist
auch das Modell der sozialen Durch-
mischung. In unseren kommunalen
Wohnbauten leben oft Anwälte Tür an
Tür mit Briefträgern, Ghettobildun-
gen mit Gewaltpotenzial sind ein No-
Go. Und während andere Großstädte
ihren Wohnraum vor allem verdich-
ten, forciert Wien großzügige Stadt-
entwicklungsprojekte wie die Smart
City Seestadt Aspern. All das veran-
lasste Europas oberste Mieterschüt-
zerin, Barbara Steenbergen, zu dem
Lob: „Wien ist aus Mietersicht ein
Vorbild für ganz Europa.“ Das macht
mich dankbar und stolz.
KNAPPER WOHNRAUM Die Leerstandsquote ist inzwischen auch in Ostdeutschland niedrig
15%
Neue Bundesländer
13,5%
Gesamt
12,4%
12,5%
11,4%
Alte Bundesländer
10,7%
9,8%
10%
8,3%
7,5%
7,1%
6,7%
6,3%
5,9%
5,5%
8%
5,3%
5%
5%
3,2%
3,2%
3,1%
3%
3%
2,9%
2,5%
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2,7%
2011
7,7%
4,7%
2,5%
2012
7,4%
4,5%
7,2%
4,4%
2,3% 2,3%
2013 2014
6,8%
4%
6,7%
3,8%
6,5%
3,6%
1,9% 1,9% 1,7%
2015 2016 2017
Quellen: GdW, Statista
Carola Schuster, Leserin Sebastian Reuter, Leser
Mobile Freiheit Vernachlässigte Oasen
Ohne Verkehr funktionieren Städte
nicht. Für mich ist das Auto das Mit-
tel der Fortbewegung. Mit ihm macht
man sich selbstbestimmt und sicher
auf seinen eigenen Weg. Allen, die
in vollen Bahnen oder durchgefro-
ren auf dem Rad unterwegs sind, gilt
mein tiefes Mitgefühl. Als Stadtkind erwarte ich von meiner
Stadt, dass mein Leben in ihr nicht
nur durch die vielen Möglichkeiten
einer Metropole wie Berlin bereichert
wird, sondern auch, dass zum Beispiel
nicht an jeder Ecke Müll liegt oder
Parks nicht vertrocknen. In meiner
Stadt mag sich keiner so recht um das
wenige Grün kümmern. In der Nähe
meiner Wohnung liegt der Boxhage-
ner Platz, der vielen vielleicht durch
den gleichnamigen Film bekannt ist.
Vor acht Jahren befand sich dort ein-
mal eine grüne Wiese. Mittlerweile
ist dort leider nichts Grünes mehr üb-
riggeblieben und wenn es mal regnet,
gleicht der Platz einer Schlammfläche.
Von meiner „grünen“ Bürgermeisterin
wünsche ich mir nichts Großes. Nur
das Parks wieder aussehen wie Parks.
Dieter Reiter,
Oberbürgermeister
der Stadt München
Nur gemeinsam stark
Die Stadt gehört allen Menschen, die
in ihr leben. Doch gerade beim The-
ma Wohnen zeigt die aktuelle Debat-
te, wie existenziell die Umwälzungen
sind, die wir beobachten. Seit Jahren
stemmt sich die Stadt München mit
zahlreichen Maßnahmen dagegen,
dass Wohnraum immer teurer wird
und für viele Menschen nicht mehr
bezahlbar ist: Seit 25 Jahren gibt es
die sozialgerechte Bodennutzung,
die sicherstellt, dass stets ein fester
Bestandteil an geförderten Wohnun-
gen in Neubaugebieten entsteht. In
23 Münchner Erhaltungssatzungs-
gebieten schützen wir heute rund
281.000 Menschen vor Vertrei-
bung. Wir haben die Abwendungs-
erklärung, mit der Investoren das
Vorkaufsrecht der Stadt abwenden
können, drastisch verschärft, zuletzt
im April. München hat seine eige-
nen städtischen Wohnungsbauge-
sellschaften mit heute rund 65.000
Wohnungen nie veräußert. Wir kau-
fen Wohnungen der GBW, die der
Freistaat Bayern verantwortungslos
verkauft hat, für Hunderte Millionen
Euro zurück, um die Mieterinnen
und Mieter zu schützen. In unseren
Neubauquartieren zeigen wir außer-
dem, dass soziale und ökologische
Anforderungen zusammen gedacht
werden müssen. Diese Maßnahmen
wirken zwar, die Mieten steigen den-
noch weiter. Stoppen können wir die
dramatische Aufwärtsspirale der Bo-
denpreise und der Mieten in Mün-
chen daher nur, wenn auch die Bun-
desregierung deutlich mehr für den
Mieterschutz unternimmt und end-
lich eine Reform des Bodenrechts
auf den Weg bringt.
DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE
Kai Warnecke,
Präsident Eigentümer-
verband Haus und
Grund Deutschland
Verantwortung leben
66 Prozent aller Mietwohnungen in
Deutschland werden von Privatper-
sonen angeboten. Um das Mietver-
hältnis muss sich der Vermieter also
in der Regel neben seiner normalen
Arbeit kümmern – häufig abends
und am Wochenende. Es gilt, stän-
dig kleinere oder größere Probleme
zu lösen: ein Wasserhahn tropft, ein
Nachbar hört in der Nacht laut Mu-
sik und stört andere Hausbewohner
oder ein Graffito muss von der Haus-
wand entfernt werden. Hinzu kom-
men die alljährlichen Betriebskos-
tenabrechnungen. Hierum muss sich
ein Vermieter regelmäßig kümmern.
Die Verantwortung eines privaten
Vermieters reicht aber auch über den
Tag hinaus. Die gesellschafts- und
umweltpolitischen Erwartungen an
die Haus- und Wohnungseigentü-
mer steigen stetig: Die Eigentümer
sollen und wollen ihren Beitrag für
den Klimaschutz leisten. Dabei gilt
es, die eigenen finanziellen Möglich-
keiten und die der Mieter im Auge
zu behalten. Ebenso wichtig ist, das
Haus oder die Wohnung langfris-
tig für Mieter attraktiv zu halten. In
einer alternden Gesellschaft ist es
unabdingbar, eine Wohnung barrie-
rearm umzugestalten. Für eine lang-
fristige Vermietbarkeit spielt dazu
das nähere Umfeld eine Rolle. Wie
präsentiert sich das Quartier insge-
samt? Die privaten Eigentümer, die
mit ihren Immobilien unsere Innen-
städte prägen, haben folglich ein vi-
tales Interesse, das Quartier lebens-
wert zu halten, damit auch die Erben
ihrer Verantwortung für eine gute
Wohnraumversorgung gerecht wer-
den können.
Eva Grunwald,
Leiterin
Immobiliengeschäft
Postbank
Zeit zum Gegensteuern
Städte gehören den Menschen, die
dort wohnen. In Deutschland gilt das
nicht mehr uneingeschränkt. Noch
nie war Wohnen so teuer wie heu-
te. In den Metropolen sind Grund-
stückspreise und Mieten oft für
Normalverdiener nicht mehr finan-
zierbar und ein Ende des Preisan-
stiegs ist nicht in Sicht. Das zeigt der
aktuelle „Postbank Wohnatlas“ mit
seiner Kaufpreisprognose bis 2030
sehr deutlich. Die Gründe dafür
sind vielfältig: Grundbesitzer halten
Bauland zurück, weil sich sein Wert
konstant erhöht. Auch Bund, Länder
und Gemeinden wollen beim Verkauf
von Grundstücken Gewinn machen.
Genehmigungsverfahren und Kauf-
nebenkosten verteuern Immobilien
zusätzlich – so dass sie nur noch für
Investoren interessant sind. Unsere
Studie belegt, dass längst auch viele
mittlere Städte Schauplätze des Im-
mobilienbooms sind. Dadurch fällt
der Neubau in Deutschland weiter
hinter den Bedarf zurück. Wichtig
wäre, dass der Staat bürokratische
Hürden beseitigt und die öffentliche
Hand zügig mehr Bauland ausweist.
Auch eine Ausweitung der staatli-
chen Förderung für den Wohnungs-
bau und eine Reform der Grund-
steuer wären richtige Impulse. Ob
auch eine Bodenwertsteuer oder die
konsequente Durchsetzung des Bau-
gebots, dass Grundstückseigentümer
bei Bedarf zum Bau oder Verkauf
zwingt, gut wären, mag jeder für
sich entscheiden. Fest steht: Wenn
wir verhindern wollen, dass sich nur
noch Wohlhabende die eigenen vier
Wände leisten können, muss die
Preisspirale gestoppt werden.