+3 Magazin Juni 2019 | Page 13

Anzeige Willi Kremer-Schillings, Bauer, Blogger und Buchautor Der nächste Schritt Die Landwirtschaft wird sich in drei Richtungen entwickeln. Die erste Richtung: Der überwiegende Teil ist einfach groß. Viele Hektar, vie- le Tiere, viel Elektronik, digital. Der Bauer als Manager, der überwacht, analysiert, steuert. Menschen werden Niels Grüne, Vorstand Gesellschaft für Agrargeschichte Zurück in die Zukunft? Die Agrargeschichte liefert keine Pa- tentrezepte für die Zukunft. Sie bie- tet aber Anregungen – speziell dazu, wie ökonomische Umbrüche gesell- schaftliche Akzeptanz finden können. Bis vor 200 Jahren lebten in Europa noch drei viertel der Menschen von der Landwirtschaft. Man darf sich die vorindustrielle Welt zwar nicht harmonisch vorstellen, denn Vertei- lungskämpfe waren allgegenwärtig. Was sich seitdem mit der Mechani- sierung und Chemisierung jedoch gewandelt hat, ist das Faktum, dass die agrarische Wertschöpfung von einem immer kleineren Prozent- satz der Bevölkerung getragen wird. Paradoxerweise führte dieser steile Leistungsanstieg zu einer Marginali- sierung des Primärsektors und einer soziokulturellen Entbäuerlichung ländlicher Räume. Parallel sind indes jene Ansprüche enorm gewachsen, die sich aus dem Verbraucher-, Tier- und Artenschutz, aus ökologischen durch Maschinen ersetzt, wie überall. Bio und konventionell gleichen sich immer mehr an. Sie liefern normierte Ware, für jedermann erschwinglich. Die zweite Richtung: Individuell. Dieser Markt ist deutlich kleiner. Seit jeher gibt es eine Käuferklientel, die das Besondere liebt. Sie wollen regio- nale Süßkartoffeln oder Auberginen? Bekommen Sie. Das Schnitzel vom Weideschwein, von einer alten Ras- se? Kein Problem. Ist etwas teurer und hat nicht jeder. Die dritte Rich- tung: Global Player. Impossible Bur- ger, Innocent Meat. In zehn Jahren werden die Alternativen „ohne Tiere“ aus dem Labor ein Drittel des heuti- gen Fleischverzehrs ersetzen. Die In- vestoren sind multinationale Konzer- ne wie Apple, Google und Amazon, die groß bei Lebensmitteln einstei- gen. Gleiches gilt für die pflanzliche Form des Fleisches. Erbsen, Bohnen und andere Eiweißquellen werden in den unternehmenseigenen Fer- mentern veredelt. Die Argumente: Es ist gut für die Umwelt und kein Tier musste sterben. Essen als mo- ralisches Glaubensbekenntnis. „Wir sollten alle weniger Fleisch essen.“ Diese Botschaft wird marketingmä- ßig so weit verstärkt, bis das Fleisch von Tieren einen ähnlichen Ruf hat wie die Zigarette oder das Dieselauto. Bedenken und aus exportbedingten Marktverzerrungen außerhalb Euro- pas ergeben. Kurzum: Das Spektrum der landwirtschaftlichen Stakeholder hat sich stark diversifiziert und geht längst weit über den Kreis der Produ- zenten hinaus. In historischer Sicht lautet die zentrale Herausforderung an eine moderne Agrarpolitik daher: Das alte und stets aktuelle Thema des Interessenausgleichs darf nicht mehr nur als das Problem einer bestimmten Wirtschaftsbranche, sondern muss als eine gesellschaftlich breit abgestützte, demokratisch zu moderierende Quer- schnittsaufgabe begriffen werden. DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE David Traub, NETAFIM-Berater und Bio-Landwirt Jeder Tropfen zählt Die Landwirtschaft wird sich wegen des sich verändernden Klimas kurz- fristig auf neue Bedingungen ein- stellen müssen: Verschiebungen der Niederschlagszeitpunkte, zunehmend längere Trockenperioden, veränderte Vegetationszeiten und dadurch Schä- den durch Spätfröste. Wasserverfüg- barkeit und Wirtschaftlichkeitsaspekte führen zu Verschiebungen bei den An- baukulturen in den Regionen, Anbau von alternativen Kulturen und neuen Anbausystemen. Die Digitalisierung schafft Raum für neue Technologien. Bewässerung stellt die Ernte sicher und beeinflusst die Qualität der Er- zeugnisse maßgeblich. Ein Aspekt ist die Verfügbarkeit von Wasser. Voraus- setzung dafür sind unter anderem die Speicherung von Niederschlagswasser, der Bau von Zuleitungen oder die Nut- zung von Brauchwasser. Das Wasser wird nicht verunreinigt und verbleibt im natürlichen Kreislauf. Die Land- wirtschaft nimmt ihre Verantwortung wahr und sucht nach Wegen, effizient und nachhaltig zu produzieren. Die Tropfbewässerung bringt das Wasser dorthin, wo es gebraucht wird: näm- lich an die Wurzel der Pflanze. Mehr Ertrag mit geringem Einsatz. Das Transportsystem ist auch zur Dün- gung nutzbar. Die Pflanze wird zum richtigen Zeitpunkt mit Nährstoffen versorgt. Die Auswaschung von Nitrat ins Grundwasser wird verhindert. Für diese Herausforderungen wurden in Israel Lösungen entwickelt und erfolg- reich umgesetzt. Diese Erfahrungen werden ein Vorteil für die Zukunft der deutschen Landwirtschaft sein. BIG BROTHER IS WATCHING KUH Die Digitalisierung kann die Landwirtschaft effizienter machen und neue Chancen bieten. Die Branche ist aber selbst gefragt, die Weichen richtig zu stellen. Was stimmt denn nun? Steigern Sensoren und smarte Anwendungen im Stall die Leistung und das Wohlbefinden der Tiere? Oder treiben sie die Entfremdung von Mensch und Nutztier, Landwirten und Kunden vor- an? Weist die Blockchain-Technologie in der Wertschöpfungskette für Lebensmittel den Weg zur überfälligen Transparenz – oder in die tota- le Überwachung? Wenn künstliche Intelligenz stärker zwischen Acker und Stall in die Speichen greift, was wird aus dem Erfahrungsschatz der Landwirte? Zukunft gestalten, Chancen nutzen Mit diesen Fragen zur Zukunft der Landwirtschaft beschäftigt sich das Magazin für grüne Innovationen: f3 – farm. food. future. Es verfestigt sich der Eindruck, dass die Branche selbst gefordert ist, die Weichen rich- tig zu stellen: Läuft es gut, rücken das Einzeltier und das Tierwohl stärker in den Fokus. Die Landwirte profitieren, können effizienter, ressourcen- schonender und gewinnbringender arbeiten. Läuft es dagegen schlecht, erinnert vieles eher an George Orwell. Die Hoheit über Daten und Ge- winne geht an alle möglichen Akteure, nur nicht an die Menschen, die in den vergangenen Jahrzehnten die Voraussetzungen für den Fortschritt in der Tierhaltung geschaffen haben. Wer heute in den Bereichen Landwirt- schaft und Ernährung seine Zukunft sieht, der kann erschlagen werden von Negativdiskussionen um Glyphosat und die Grenzen des Wachstums. Er kann aber auch von den Chancen digitaler Kanäle profitieren und neue Konsumtrends in Geschäftsmodelle verwandeln. Nicht mehr „höher, schneller, weiter“ Die Zukunft eines Betriebes hängt nicht mehr an der Baugenehmigung für einen Stall oder einer guten Lage – sondern an der Fähigkeit, Chan- cen zu erkennen und Spielregeln zu hinterfragen. Zukunft bedeutet im Jahr 2019, Produkte zu erzeugen, die auf eine wachsende Nachfrage in der Gesellschaft abzielen, sorgsamer mit Ressourcen umzugehen und die Chancen, aber auch die Risiken digitaler Technologien für den eigenen Betrieb einzuordnen. Dadurch wird das nächste große Ding in der Land- wirtschaft nicht „höher, schneller, weiter“– sondern „smarter, effizienter und ressourcenschonender“. Mehr dazu unter: www.f3.de Das f3-Magazin – Jetzt kostenlos testen!