+3 Magazin Juni 2018 | Page 7

+1 Nina Ruge, Moderatorin und Buchautorin „Stirb und werde“ Ja, hab ich’s? Wie halte ich es mit dem größten kollektiven Tabu? Will ich wahrhaben, dass das Leben eine ballistische Kurve ist und ab 30 der Verfall beginnt? Goethe weist uns den Weg aus der Altersdepression: „Und so lang du das nicht hast, die- ses: Stirb und werde! Bist du nur ein trüber Gast auf der dunklen Erde.“ Sag ja zum Sinkflug und zum begin- nenden körperlichen Verfall. Willige ein in das, was ist: Wer lebt, vergeht. Dann wird aus dem „trüben Gast“ ein durch und durch heiterer auf dieser Erde. Denn Heiterkeit ist das Wesen des Weisen. Und Weisheit korreliert Marlene Müller, Leserin Frage der Haltung Alt zu werden hängt von der Konstitu- tion ab – und die kann mit gezielter Er- nährung und Bewegung gestützt wer- den. Wegen des psychosomatischen Zusammenhangs wirkt sich aber auch Stress auf Gesundheit und Wohlbefin- den aus. Stress hat keine eindeutigen Auslöser. Seine Wirkung hängt davon ab, wie wir bewerten, was wir erleben. Auch ob wir weise werden, hängt da- mit zusammen, wie wir das Leben verarbeiten. Schwarz-weiß-Denken erzeugt Feinde und damit latente Bedrohung. Hinzuschauen, wie die Dinge tatsächlich zusammenhängen, bringt einen dagegen weiter. Denn mit Lebenserfahrung. Doch das Tabu regiert. Im Jahr 2018 werden noch immer in vielen Berufen Menschen ab 60 zwangsaussortiert. Älterwerden als Malus. Doch das wird sich drehen. Äl- terwerden als Chance, das untrügliche Gespür für das Wesentliche zu entwi- ckeln, Wegweiser zu sein im Irrgarten unserer Zeit – geprägt von Unbestän- digkeit, Unsicherheit, Komplexität und Widersprüchlichkeit. Älterwer- den als Chance, aus dem Dschungel der Möglichkeiten kompromisslos das auszufiltern, was sinnvoll und damit lebenswert ist: die Kunst, zu lieben und Beziehung zu entwickeln, die Entschiedenheit, die Welt ein wenig besser zu machen, jenseits vom Ego. Ein gut angewendetes Leben ist lang und hat noch dazu einen besonders heiteren Effekt: Downaging. Dein Ge- burtsjahr, die Zahl verschwimmt. Im sinnvollen Tun verflacht die ballisti- sche Kurve. „60 ist das neue 40.“ Wie viele fühlen so, wie viele sind so. so sehr es als Entlastung erscheinen mag, die Urheber unseres Ungemachs zu identifizieren, so unzutreffend ist diese Zuschreibung meist. Wir konst- ruieren dafür eine Geschichte, die das Geschehen so anordnet, dass wir klar zwischen Gut und Böse unterschei- den können. Konfrontation mit den Tatsachen und Auseinandersetzung mit deren innerer Wahrheit kann zu Weisheit führen. Sie ist aber weniger ein endgültiger Zustand als eine Hal- tung, die nur annäherungsweise zu erreichen ist, und verlangt Aufmerk- samkeit, Anstrengung, Wachbleiben. Zufrieden werde ich, wenn ich mich an dieser Maxime ausrichten kann. Mein Zustand ist dann weniger von äußeren Ereignissen abhängig als da- von, wie ich mit ihnen umgehe. Simone Gerwers, Leserin Mutig das Jetzt leben, nicht zu viel nach hinten und in die Zukunft schauen. 7 Heike Helen Elles, Leserin Wilhelm Schuldt, Leser Selbst in der Hand Durch alles hindurchgehen, verste- hen, respektieren, mit dem Unver- meidlichen verbünden, ändern, was zu ändern ist, lernen loszulassen, sich lie- ben und Liebe verschenken, dankbar sein für das, was man hat, was man ist, das Älterwerden akzeptieren, Glaube, Liebe und Hoffnung. Mariella Ahrens, Schauspielerin Teilhabe ermöglichen Menschen werden heute immer äl- ter und damit in meinen Augen auch weiser. Denn Weisheit speist sich aus Erfahrungen, die man im Leben ge- macht hat. Für die Zufriedenheit im Alter zählt sicherlich, dass man das Leben genossen hat und mit sich im Reinen ist. Aber ältere Menschen ha- ben noch ganz andere Bedürfnisse, um zufrieden zu sein. Wie jeder Mensch brauchen auch sie Aufmerksamkeit, Zuwendung, Kontakte. Ich selbst bin in Bulgarien bei meinen Großeltern aufgewachsen. Dort war es normal, mit mehreren Generationen in einem Haus zu leben. In Deutschland stelle ich oft fest, dass ältere Menschen viel weniger in die Gesellschaft integriert sind. Es hat auch nicht jeder Ältere Kinder, die sich um ihn kümmern können. Diese Menschen leben dann in Seniorenheimen, die oft vom Pfle- gemangel betroffen sind. Bedürfnisse nach Zwischenmenschlichem und Zuwendung kommen häufig zu kurz. Wir brauchen daher mehr Engage- ment von Menschen, die helfen – ob in der Nachbarschaft oder im Heim. In unserem Verein zur Unterstüt- Jedermanns Sache? 1. Alt wird man nur, wenn man spät stirbt. Stirbt man aber spät, kann es sehr weh tun. Nicht jedermanns Sache! 2. Weise wird man nur, wenn man bezweifelt, dass man es ist. Zweifelt man nicht daran, bekommt man zu spüren, dass man irrt. Nicht jeder- manns Sache! 3. Zufrieden wird man nur, wenn man es sein will. Ist man es trotzdem nicht, fehlt es an Bescheidenheit. Eigentlich jedermanns Sache!? Katharina-Henriette Rasp, Leserin Sich über das freuen, was man hat. Sich an das Schöne, das man erlebt hat, erinnern. Weniger urteilen, son- dern das Pro und Kontra sehen. Und alles Schöne, das man erlebt, genießen. F. Wolfgang Günthert, Leser Viel Kontakt mit Kindern und jungen Menschen. Tägliches geistiges und körperliches Fitnesstraining. Und eh- renamtliches Engagement für andere Menschen. zung von pflegebedürftigen älteren Menschen haben wir festgestellt, dass man schon mit ganz einfachen Akti- onen dazu beitragen kann, sie an der Gesellschaft teilhaben zu lassen. Man kann Rollstühle auf Ausflügen schie- ben, Feiern mitorganisieren oder sich gezielt jemanden zuwenden, der kei- ne Besuche erhält. Die Liste ist lang, jeder Baustein zählt für ein zufriede- nes Leben und trägt vielleicht auch zur eigenen Weisheit bei. Anzeige Aktion Deutschland Hilft Das starke Bündnis bei Katastrophen Wenn Menschen durch große Katastrophen in Not geraten, helfen wir. 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