+1
Nina Ruge,
Moderatorin und
Buchautorin
„Stirb und werde“
Ja, hab ich’s? Wie halte ich es mit
dem größten kollektiven Tabu? Will
ich wahrhaben, dass das Leben eine
ballistische Kurve ist und ab 30 der
Verfall beginnt? Goethe weist uns
den Weg aus der Altersdepression:
„Und so lang du das nicht hast, die-
ses: Stirb und werde! Bist du nur ein
trüber Gast auf der dunklen Erde.“
Sag ja zum Sinkflug und zum begin-
nenden körperlichen Verfall. Willige
ein in das, was ist: Wer lebt, vergeht.
Dann wird aus dem „trüben Gast“ ein
durch und durch heiterer auf dieser
Erde. Denn Heiterkeit ist das Wesen
des Weisen. Und Weisheit korreliert
Marlene Müller,
Leserin
Frage der Haltung
Alt zu werden hängt von der Konstitu-
tion ab – und die kann mit gezielter Er-
nährung und Bewegung gestützt wer-
den. Wegen des psychosomatischen
Zusammenhangs wirkt sich aber auch
Stress auf Gesundheit und Wohlbefin-
den aus. Stress hat keine eindeutigen
Auslöser. Seine Wirkung hängt davon
ab, wie wir bewerten, was wir erleben.
Auch ob wir weise werden, hängt da-
mit zusammen, wie wir das Leben
verarbeiten.
Schwarz-weiß-Denken
erzeugt Feinde und damit latente
Bedrohung. Hinzuschauen, wie die
Dinge tatsächlich zusammenhängen,
bringt einen dagegen weiter. Denn
mit Lebenserfahrung. Doch das Tabu
regiert. Im Jahr 2018 werden noch
immer in vielen Berufen Menschen ab
60 zwangsaussortiert. Älterwerden als
Malus. Doch das wird sich drehen. Äl-
terwerden als Chance, das untrügliche
Gespür für das Wesentliche zu entwi-
ckeln, Wegweiser zu sein im Irrgarten
unserer Zeit – geprägt von Unbestän-
digkeit, Unsicherheit, Komplexität
und Widersprüchlichkeit. Älterwer-
den als Chance, aus dem Dschungel
der Möglichkeiten kompromisslos das
auszufiltern, was sinnvoll und damit
lebenswert ist: die Kunst, zu lieben
und Beziehung zu entwickeln, die
Entschiedenheit, die Welt ein wenig
besser zu machen, jenseits vom Ego.
Ein gut angewendetes Leben ist lang
und hat noch dazu einen besonders
heiteren Effekt: Downaging. Dein Ge-
burtsjahr, die Zahl verschwimmt. Im
sinnvollen Tun verflacht die ballisti-
sche Kurve. „60 ist das neue 40.“ Wie
viele fühlen so, wie viele sind so.
so sehr es als Entlastung erscheinen
mag, die Urheber unseres Ungemachs
zu identifizieren, so unzutreffend ist
diese Zuschreibung meist. Wir konst-
ruieren dafür eine Geschichte, die das
Geschehen so anordnet, dass wir klar
zwischen Gut und Böse unterschei-
den können. Konfrontation mit den
Tatsachen und Auseinandersetzung
mit deren innerer Wahrheit kann zu
Weisheit führen. Sie ist aber weniger
ein endgültiger Zustand als eine Hal-
tung, die nur annäherungsweise zu
erreichen ist, und verlangt Aufmerk-
samkeit, Anstrengung, Wachbleiben.
Zufrieden werde ich, wenn ich mich
an dieser Maxime ausrichten kann.
Mein Zustand ist dann weniger von
äußeren Ereignissen abhängig als da-
von, wie ich mit ihnen umgehe.
Simone Gerwers, Leserin
Mutig das Jetzt leben, nicht zu viel nach
hinten und in die Zukunft schauen.
7
Heike Helen Elles, Leserin
Wilhelm Schuldt,
Leser
Selbst in der Hand
Durch alles hindurchgehen, verste-
hen, respektieren, mit dem Unver-
meidlichen verbünden, ändern, was zu
ändern ist, lernen loszulassen, sich lie-
ben und Liebe verschenken, dankbar
sein für das, was man hat, was man ist,
das Älterwerden akzeptieren, Glaube,
Liebe und Hoffnung.
Mariella Ahrens,
Schauspielerin
Teilhabe ermöglichen
Menschen werden heute immer äl-
ter und damit in meinen Augen auch
weiser. Denn Weisheit speist sich aus
Erfahrungen, die man im Leben ge-
macht hat. Für die Zufriedenheit im
Alter zählt sicherlich, dass man das
Leben genossen hat und mit sich im
Reinen ist. Aber ältere Menschen ha-
ben noch ganz andere Bedürfnisse, um
zufrieden zu sein. Wie jeder Mensch
brauchen auch sie Aufmerksamkeit,
Zuwendung, Kontakte. Ich selbst bin
in Bulgarien bei meinen Großeltern
aufgewachsen. Dort war es normal,
mit mehreren Generationen in einem
Haus zu leben. In Deutschland stelle
ich oft fest, dass ältere Menschen viel
weniger in die Gesellschaft integriert
sind. Es hat auch nicht jeder Ältere
Kinder, die sich um ihn kümmern
können. Diese Menschen leben dann
in Seniorenheimen, die oft vom Pfle-
gemangel betroffen sind. Bedürfnisse
nach Zwischenmenschlichem und
Zuwendung kommen häufig zu kurz.
Wir brauchen daher mehr Engage-
ment von Menschen, die helfen – ob
in der Nachbarschaft oder im Heim.
In unserem Verein zur Unterstüt-
Jedermanns Sache?
1. Alt wird man nur, wenn man spät
stirbt. Stirbt man aber spät, kann
es sehr weh tun. Nicht jedermanns
Sache!
2. Weise wird man nur, wenn man
bezweifelt, dass man es ist. Zweifelt
man nicht daran, bekommt man zu
spüren, dass man irrt. Nicht jeder-
manns Sache!
3. Zufrieden wird man nur, wenn man
es sein will. Ist man es trotzdem nicht,
fehlt es an Bescheidenheit. Eigentlich
jedermanns Sache!?
Katharina-Henriette Rasp, Leserin
Sich über das freuen, was man hat.
Sich an das Schöne, das man erlebt
hat, erinnern. Weniger urteilen, son-
dern das Pro und Kontra sehen. Und
alles Schöne, das man erlebt, genießen.
F. Wolfgang Günthert, Leser
Viel Kontakt mit Kindern und jungen
Menschen. Tägliches geistiges und
körperliches Fitnesstraining. Und eh-
renamtliches Engagement für andere
Menschen.
zung von pflegebedürftigen älteren
Menschen haben wir festgestellt, dass
man schon mit ganz einfachen Akti-
onen dazu beitragen kann, sie an der
Gesellschaft teilhaben zu lassen. Man
kann Rollstühle auf Ausflügen schie-
ben, Feiern mitorganisieren oder sich
gezielt jemanden zuwenden, der kei-
ne Besuche erhält. Die Liste ist lang,
jeder Baustein zählt für ein zufriede-
nes Leben und trägt vielleicht auch
zur eigenen Weisheit bei.
Anzeige
Aktion Deutschland Hilft
Das starke Bündnis bei Katastrophen
Wenn Menschen durch große Katastrophen in Not geraten,
helfen wir. Gemeinsam, schnell und koordiniert. Schon ab 5 €
im Monat werden Sie Förderer. So helfen Sie Tag für Tag und
genau dort, wo die Not am größten ist.
Spendenkonto: DE62 3702 0500 0000 1020 30
Jetzt Förderer werden: www.Aktion-Deutschland-Hilft.de
›