+3 Magazin Juli 2019 | Page 14

+2 14 › Pietro Leemann, vegetarischer Sternekoch In Harmonie leben Essen geht nicht nur durch den Magen, sondern wandert auch in Geist und Seele. Nach einer langen Reise durch Asien in den 1980ern wurde ich Vege- tarier. Nach meiner Rückkehr wollte ich nicht nur fleischlos leben, sondern auch fleischlos kochen. Da aber zu die- ser Zeit mehr traditionelle Speisen auf dem Teller landeten, eröffnete ich ein- fach selbst ein vegetarisches Restaurant in Mailand. 1996 wurde ich zum ers- ten vegetarischen Sternekoch Europas ausgezeichnet. Seitdem hat sich viel verändert. Die Menschen wollen mehr Verantwortung für unseren Planeten übernehmen. Dazu gehört auch eine bewusste Ernährung, die auf einem res- pektvollen Umgang mit Tieren basiert. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass alle Menschen komplett auf Fleisch verzichten sollten. Es reicht schon, wenn sich alle mehr mit der eigenen Ernährung beschäftigen. Denn du bist, was du isst. Bei mir persönlich ging es meiner Gesundheit und meinem Geist besser, als ich aufgehört hatte, Fleisch zu essen. Es ist wichtig, dass man in sich hineinhorcht und den Körper fragt, was ihm guttut. Ich für meinen Teil glaube an eine Welt, in der Mensch und Tier in Harmonie leben. Ich betrachte Tie- re als Freunde, die mit mir leben und die mir Freude bringen. Denn was uns Menschen glücklich macht, sind gute Beziehungen. Zwischen Mensch und Mensch, aber auch zwischen Mensch und Tier. Zu Hause habe ich einen Hund und eine Katze – beides keine Vegetarier, aber es harmoniert. Ihr Name, Leser Schreiben Sie uns Ihre Antwort und viel- leicht erscheinen Sie im nächsten Heft. NUR NOCH FLEISCHLOS Aus diesen Ländern kamen 2017 die meisten Neu-Vegetarier Nigeria 1.426.700 Pakistan Indonesien 1.190.600 270.600 Brasilien Türkei 166.500 163.700 Kenia 99.500 Philippinen 238.500 Thailand 90.200 Deutschland 212.000 Italien 86.700 Matthias Feltz, Leser Endgegner Mensch Zählen Fleischlieferanten zu den Haus- tieren? Dann stellt sich die Frage nach der Nahrungsaufnahme tierischer Pro- dukte. Ganz ohne wird es nicht gehen. Es gilt, die Kreatur würdig zu behandeln, bis in den Tod. Vielfältig ist die Nutzung von Tiernebenprodukten in der Kosmetik, zum Beispiel von Gelatine. Das ist so und solange oben Gesagtes berücksichtigt wird, so sei es denn. Das Verwaltungsge- richt Gießen hat gerade der Universität Marburg untersagt, Versuche an Hams- tern zur Simulation von Winterschlaf und des dadurch hervorgerufenen redu- Sebastian Joy, Geschäftsführer ProVeg Deutschland Frage der Vernunft Wir nutzen Tiere zu zahllosen Zwe- cken. Die meisten leiden und ster- ben jedoch für unser Essen – mit ka- tastrophalen Folgen. Intelligenten, fühlenden Wesen wird nicht nur die Erfüllung von Grundbedürfnissen verwehrt, sie leiden auch unter Qual- zucht, traumatisierender Haltung und unwürdiger Schlachtung. Und das alles für einen kurzen Gaumenkitzel. Auch die Umwelt leidet, da die Nutz- tierhaltung mit rund 16 Prozent aller Treibhausgasemissionen mehr zum Klimawandel beiträgt als der Ausstoß aller Autos, Schiffe und Flugzeuge zu- sammen. Nicht zuletzt verschärft der Tierkonsum zahlreiche Zivilisations- krankheiten, während rund 70 Pro- Echte Beziehungen „Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere.“ Vielleicht liegt in die- sem ziemlich polemischen Spruch ein Schlüssel, um die Faszination der Men- schen für Tiere zu erahnen. Von jeher hatte der Mensch eine tiefe Neigung zum Tier. Sicher größer als umgekehrt. Nur benötigen wir kein Pferd mehr, um von A nach B zu kommen. Wer hat schon eine Schafherde, die der Schäfer- hund umsorgen muss? Und den Muli samt Karren braucht hierzulande auch kein Mensch mehr. Andererseits: Rei- ten kann charakterbildend sein und eine Menge Spaß bringen, wenn man das Pferd als Kameraden begreift, nicht als Sportgerät, das zu funktionie- ren hat. Zur Kompensation eigener De- fizite. Für elterlichen Ehrgeiz. Oder der wilde, lebenshungrige, entzückende Hund, von allen Familienmitgliedern – und da ist er der einzige – gleicherma- ßen geliebt. Wo ist das Problem, wenn für den notwendigen Auslauf und gute Ernährung gesorgt ist? Allerdings: Der Schritt hin zur Tierquälerei ist nicht sehr groß. Die Katze in der Zwei- Zimmer-Wohnung, der Vogel im Kä- fig, der Hamster im Rad: das ist Aus- beutung. Ausbeutung einer Kreatur, die ein Vakuum füllen muss. Die dem Leben von Herrchen und Frauchen Sinn geben soll – und sei es nur der, Josef H. Reichholf, Evolutionsbiologe Tiere machen uns erst menschlich Nicht die Menge macht’s, sondern die Qualität der Beziehung. Denn vorran- gig geht es um die emotionale Zuwen- dung zum Tier. Und diese setzt voraus, dass Tiere als Individuen empfunden werden. Daher bekommen sie einen Manja Busack, Leserin Arche Welt Heutzutage braucht niemand mehr Tiere, um sich ausgewogen zu ernäh- ren. Tiere sollten nicht für den eigenen Genuss leiden oder gar sterben müssen. Menschen haben Tiere lange genug aus- gebeutet. Wir haben eine Verantwor- tung und es ist Zeit, umzudenken. Wir sollten Tieren auf Augenhöhe begegnen. zent aller Antibiotika in die Tierzucht gehen und immer mehr lebensbedroh- liche multiresistente Keime entstehen lassen. Dabei gibt es heutzutage für jedes Tierprodukt eine leckere, gesun- de pflanzliche Alternative. Zahlreiche Studien belegen, dass der ökologische Fußabdruck von Obst, Gemüse, Ge- treide und Hülsenfrüchten bedeutend besser ist. Und auch zellbasierte Alter- nativen, die ohne Tierzucht auskom- men, können eine zukunftsfähige Op- tion sein. Tiere gehören nicht auf den Teller – aus Gründen der Ethik und der Vernunft. Daher setzt sich ProVeg für eine Halbierung des Tierkonsums bis 2040 ein und fordert eine Ernäh- rungswende hin zu pflanzlichen und zellbasierten Alternativen – für eine Welt, in der wir uns für eine leckere und gesunde Ernährung entscheiden, die gut für alle Menschen, Tiere und unseren Planeten ist. Marina Bleyl, Leserin Fünf vor zwölf Quellen: Euromonitor, Statista Thomas Füting, Leser zierten Energiebedarfs durchzuführen. Eine sorgfältige Abwägung des Für und Wider ist nötig und das Tier hat nur den Menschen als Verteidiger seiner Rechte. jemanden lieb haben zu können. Der Gipfel: ein Hund, geschaffen nach dem „Geschmack“, ja, von wem eigentlich? Ein Mops, dem Hirn und Riechorgan weitgehend weggezüchtet worden sind, der eine qualvolle Existenz lebt mit permanenter Atemnot – ein Pflegefall von Anbeginn. Der Mensch ist das gefährlichste Tier auf diesem Planeten. Aus Pro- fitgier rodet er Wälder, überfischt Ozeane und zerstört Lebensräume in kürzester Zeit. Das seine Zukunft auch an das Wohlergehen der ande- ren Erdbewohner geknüpft ist, wird er hoffentlich nicht zu spät merken. Namen wie andere Menschen auch. Hören und reagieren sie darauf, ver- stärkt sich die Bindung. Hund oder Pferd, die dazu besonders befähigt sind, werden zu Partnern. Sie gehen auf uns ein. Damit formen sie unser Menschsein. Und fordern es auch he- raus, weil an die Tiere nicht einfach Fragen gestellt werden können, die sie zu beantworten haben. Die Wech- selwirkung mit ihnen kommt über die nichtsprachliche Kommunikation zu- stande. Wir sollten diese beherrschen, setzen sie aber in der Menschenwelt aufgrund der Dominanz der Sprache zu wenig ein. Ohne diese emotiona- le Begleitung wirkt der Mensch je- doch zu kalt, zu rational. Deshalb ist es für Kinder eminent wichtig, über den Kontakt zum Tier Kompetenz in der sozialen Kommunikation zu ent- wickeln. Aus triftigen Gründen geht eine vorwiegend US-amerikanische Forschungsrichtung davon aus, dass Tiere einst ganz entscheidend an der Menschwerdung der Urmenschen mitgewirkt haben – allen voran der zum Hund gewordene Wolf. In der tiergestützten Therapie äußert sich diese uralte Wechselwirkung auf heil- same Weise. Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Wer ohne Tiere aufwächst, hat ein Defizit, das nur schwer auszugleichen ist.