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Pietro Leemann,
vegetarischer Sternekoch
In Harmonie leben
Essen geht nicht nur durch den Magen,
sondern wandert auch in Geist und
Seele. Nach einer langen Reise durch
Asien in den 1980ern wurde ich Vege-
tarier. Nach meiner Rückkehr wollte
ich nicht nur fleischlos leben, sondern
auch fleischlos kochen. Da aber zu die-
ser Zeit mehr traditionelle Speisen auf
dem Teller landeten, eröffnete ich ein-
fach selbst ein vegetarisches Restaurant
in Mailand. 1996 wurde ich zum ers-
ten vegetarischen Sternekoch Europas
ausgezeichnet. Seitdem hat sich viel
verändert. Die Menschen wollen mehr
Verantwortung für unseren Planeten
übernehmen. Dazu gehört auch eine
bewusste Ernährung, die auf einem res-
pektvollen Umgang mit Tieren basiert.
Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass
alle Menschen komplett auf Fleisch
verzichten sollten. Es reicht schon,
wenn sich alle mehr mit der eigenen
Ernährung beschäftigen. Denn du bist,
was du isst. Bei mir persönlich ging es
meiner Gesundheit und meinem Geist
besser, als ich aufgehört hatte, Fleisch
zu essen. Es ist wichtig, dass man in sich
hineinhorcht und den Körper fragt, was
ihm guttut. Ich für meinen Teil glaube
an eine Welt, in der Mensch und Tier
in Harmonie leben. Ich betrachte Tie-
re als Freunde, die mit mir leben und
die mir Freude bringen. Denn was uns
Menschen glücklich macht, sind gute
Beziehungen. Zwischen Mensch und
Mensch, aber auch zwischen Mensch
und Tier. Zu Hause habe ich einen
Hund und eine Katze – beides keine
Vegetarier, aber es harmoniert.
Ihr Name,
Leser
Schreiben Sie uns Ihre Antwort und viel-
leicht erscheinen Sie im nächsten Heft.
NUR NOCH FLEISCHLOS
Aus diesen Ländern kamen 2017 die meisten Neu-Vegetarier
Nigeria
1.426.700
Pakistan
Indonesien
1.190.600
270.600
Brasilien
Türkei
166.500
163.700
Kenia 99.500
Philippinen 238.500 Thailand 90.200
Deutschland 212.000 Italien 86.700
Matthias Feltz, Leser
Endgegner Mensch
Zählen Fleischlieferanten zu den Haus-
tieren? Dann stellt sich die Frage nach
der Nahrungsaufnahme tierischer Pro-
dukte. Ganz ohne wird es nicht gehen. Es
gilt, die Kreatur würdig zu behandeln, bis
in den Tod. Vielfältig ist die Nutzung von
Tiernebenprodukten in der Kosmetik,
zum Beispiel von Gelatine. Das ist so und
solange oben Gesagtes berücksichtigt
wird, so sei es denn. Das Verwaltungsge-
richt Gießen hat gerade der Universität
Marburg untersagt, Versuche an Hams-
tern zur Simulation von Winterschlaf
und des dadurch hervorgerufenen redu-
Sebastian Joy,
Geschäftsführer ProVeg
Deutschland
Frage der Vernunft
Wir nutzen Tiere zu zahllosen Zwe-
cken. Die meisten leiden und ster-
ben jedoch für unser Essen – mit ka-
tastrophalen Folgen. Intelligenten,
fühlenden Wesen wird nicht nur die
Erfüllung von Grundbedürfnissen
verwehrt, sie leiden auch unter Qual-
zucht, traumatisierender Haltung und
unwürdiger Schlachtung. Und das
alles für einen kurzen Gaumenkitzel.
Auch die Umwelt leidet, da die Nutz-
tierhaltung mit rund 16 Prozent aller
Treibhausgasemissionen mehr zum
Klimawandel beiträgt als der Ausstoß
aller Autos, Schiffe und Flugzeuge zu-
sammen. Nicht zuletzt verschärft der
Tierkonsum zahlreiche Zivilisations-
krankheiten, während rund 70 Pro-
Echte Beziehungen
„Seit ich die Menschen kenne, liebe
ich die Tiere.“ Vielleicht liegt in die-
sem ziemlich polemischen Spruch ein
Schlüssel, um die Faszination der Men-
schen für Tiere zu erahnen. Von jeher
hatte der Mensch eine tiefe Neigung
zum Tier. Sicher größer als umgekehrt.
Nur benötigen wir kein Pferd mehr,
um von A nach B zu kommen. Wer hat
schon eine Schafherde, die der Schäfer-
hund umsorgen muss? Und den Muli
samt Karren braucht hierzulande auch
kein Mensch mehr. Andererseits: Rei-
ten kann charakterbildend sein und
eine Menge Spaß bringen, wenn man
das Pferd als Kameraden begreift,
nicht als Sportgerät, das zu funktionie-
ren hat. Zur Kompensation eigener De-
fizite. Für elterlichen Ehrgeiz. Oder der
wilde, lebenshungrige, entzückende
Hund, von allen Familienmitgliedern –
und da ist er der einzige – gleicherma-
ßen geliebt. Wo ist das Problem, wenn
für den notwendigen Auslauf und gute
Ernährung gesorgt ist? Allerdings:
Der Schritt hin zur Tierquälerei ist
nicht sehr groß. Die Katze in der Zwei-
Zimmer-Wohnung, der Vogel im Kä-
fig, der Hamster im Rad: das ist Aus-
beutung. Ausbeutung einer Kreatur,
die ein Vakuum füllen muss. Die dem
Leben von Herrchen und Frauchen
Sinn geben soll – und sei es nur der,
Josef H. Reichholf,
Evolutionsbiologe
Tiere machen uns
erst menschlich
Nicht die Menge macht’s, sondern die
Qualität der Beziehung. Denn vorran-
gig geht es um die emotionale Zuwen-
dung zum Tier. Und diese setzt voraus,
dass Tiere als Individuen empfunden
werden. Daher bekommen sie einen
Manja Busack, Leserin
Arche Welt
Heutzutage braucht niemand mehr
Tiere, um sich ausgewogen zu ernäh-
ren. Tiere sollten nicht für den eigenen
Genuss leiden oder gar sterben müssen.
Menschen haben Tiere lange genug aus-
gebeutet. Wir haben eine Verantwor-
tung und es ist Zeit, umzudenken. Wir
sollten Tieren auf Augenhöhe begegnen.
zent aller Antibiotika in die Tierzucht
gehen und immer mehr lebensbedroh-
liche multiresistente Keime entstehen
lassen. Dabei gibt es heutzutage für
jedes Tierprodukt eine leckere, gesun-
de pflanzliche Alternative. Zahlreiche
Studien belegen, dass der ökologische
Fußabdruck von Obst, Gemüse, Ge-
treide und Hülsenfrüchten bedeutend
besser ist. Und auch zellbasierte Alter-
nativen, die ohne Tierzucht auskom-
men, können eine zukunftsfähige Op-
tion sein. Tiere gehören nicht auf den
Teller – aus Gründen der Ethik und
der Vernunft. Daher setzt sich ProVeg
für eine Halbierung des Tierkonsums
bis 2040 ein und fordert eine Ernäh-
rungswende hin zu pflanzlichen und
zellbasierten Alternativen – für eine
Welt, in der wir uns für eine leckere
und gesunde Ernährung entscheiden,
die gut für alle Menschen, Tiere und
unseren Planeten ist.
Marina Bleyl, Leserin
Fünf vor zwölf
Quellen: Euromonitor, Statista
Thomas Füting, Leser
zierten Energiebedarfs durchzuführen.
Eine sorgfältige Abwägung des Für und
Wider ist nötig und das Tier hat nur den
Menschen als Verteidiger seiner Rechte.
jemanden lieb haben zu können. Der
Gipfel: ein Hund, geschaffen nach dem
„Geschmack“, ja, von wem eigentlich?
Ein Mops, dem Hirn und Riechorgan
weitgehend weggezüchtet worden sind,
der eine qualvolle Existenz lebt mit
permanenter Atemnot – ein Pflegefall
von Anbeginn. Der Mensch ist das gefährlichste
Tier auf diesem Planeten. Aus Pro-
fitgier rodet er Wälder, überfischt
Ozeane und zerstört Lebensräume
in kürzester Zeit. Das seine Zukunft
auch an das Wohlergehen der ande-
ren Erdbewohner geknüpft ist, wird
er hoffentlich nicht zu spät merken.
Namen wie andere Menschen auch.
Hören und reagieren sie darauf, ver-
stärkt sich die Bindung. Hund oder
Pferd, die dazu besonders befähigt
sind, werden zu Partnern. Sie gehen
auf uns ein. Damit formen sie unser
Menschsein. Und fordern es auch he-
raus, weil an die Tiere nicht einfach
Fragen gestellt werden können, die
sie zu beantworten haben. Die Wech-
selwirkung mit ihnen kommt über die
nichtsprachliche Kommunikation zu-
stande. Wir sollten diese beherrschen,
setzen sie aber in der Menschenwelt
aufgrund der Dominanz der Sprache
zu wenig ein. Ohne diese emotiona-
le Begleitung wirkt der Mensch je- doch zu kalt, zu rational. Deshalb ist
es für Kinder eminent wichtig, über
den Kontakt zum Tier Kompetenz in
der sozialen Kommunikation zu ent-
wickeln. Aus triftigen Gründen geht
eine vorwiegend US-amerikanische
Forschungsrichtung davon aus, dass
Tiere einst ganz entscheidend an der
Menschwerdung der Urmenschen
mitgewirkt haben – allen voran der
zum Hund gewordene Wolf. In der
tiergestützten Therapie äußert sich
diese uralte Wechselwirkung auf heil-
same Weise. Die Schlussfolgerung
liegt auf der Hand: Wer ohne Tiere
aufwächst, hat ein Defizit, das nur
schwer auszugleichen ist.