+3 Magazin Juli 2018 | Page 4

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WIR FRAGEN :

WOFÜR FEHLT DIE ZEIT ?

... und was ist Ihre Meinung ?

www . plus-drei . de antwort @ plus-drei . de
62 Prozent aller Autofahrer unter 25 können keine analoge Straßenkarte mehr lesen .
Quelle : Autobild
© iStock ./ fcscafeine
Michael Krämer , Präsident Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen ( BDP )
Eigene Entscheidung
Führungskräfte haben keine Zeit , sich um ihre Mitarbeiter zu kümmern und berufstätige Eltern haben keine Zeit für ihre Kinder – ähnliche Beispiele lassen sich leicht finden , da sie in unserer Gesellschaft weit verbreitet sind . Jeder Betroffene kann viele rationale Begründungen nennen , warum Zeitnot unausweichlich zu sein scheint . Wir leiden darunter , aber ändern nichts daran . Seien wir ehrlich : Jeder von uns trifft Entscheidungen , die dazu beitragen , dass die Zeit knapp ist , zum Beispiel für den herausfordernden Beruf , eine Familie
oder spannende Freizeitbeschäftigungen . Unser Gestresstsein gehört dazu . Wir genügen gesellschaftlichen Erwartungen und sichern damit unseren materiellen Wohlstand . Der Wunsch , mehr Zeit zu haben , steht auf der Rangliste weit unten . Im Gegenteil : Der „ Genuss “ von sehr viel freier Zeit könnte schnell zum Überdruss führen . Die meisten von uns wären hilflos , wenn der Wunsch sich tatsächlich erfüllen würde . Wir hätten mehr Zeit , wenn wir arbeitslos würden , wenn wir keine Familie mehr hätten und so weiter . Wer würde dies wollen ? Es ginge uns schon besser , würden wir uns darauf besinnen , womit wir unsere Zeit tatsächlich verbringen , und uns nicht ständig überfordern . Mein Tipp für einen ersten Schritt zu mehr Wohlbefinden : Illusionen aufgeben und sich selbst einschließlich der eigenen Grenzen akzeptieren .
Hermann Strasser , Leser
Sinn braucht Zeit
Durch die beschleunigte Wissensproduktion wissen wir immer mehr und häufen immer mehr Wissen in kürzerer Zeit an – mit der paradoxen Folge , dass wir immer weniger die Zukunft voraussagen können . Dazu kommt , dass uns der Reichtum an Gütern in eine Armut an Zeit abgleiten lässt , nicht zuletzt angetrieben von den Märkten . So wird unsere Gegenwart verkürzt und in Stücke gerissen . In Sinn-Stücke möchte man meinen – und hoffen . Das Handeln des postmodernen Menschen ist aber nicht so sehr auf Sinn- und Bedeutungsproduktion , sondern auf die
Herstellung von Waren und Diensten ausgerichtet . Und so wird der Mensch immer mehr zu einem Drifter , der sich eher an den Optionen von morgen als an den Perspektiven der Zukunft orientiert . Ihm droht der Sinn abhanden zu kommen , denn Sinn braucht Zeit – Zeit zum Wachsen , zur Verbreitung und zur Verinnerlichung . Wenn wir das nicht schaffen , haben wir nur eine Alternative : die Ewigkeit nicht in Unendlichkeit , sondern in Unzeit zu verwandeln , auf dass der ewig lebt , der in der Gegenwart lebt . Oder wir rufen zum Widerstand gegen das Regime der Beschleunigung auf , wie das der Jesuit und katholische Soziallehrer Friedhelm Hengsbach unlängst getan hat . Denn die Zeit gehört uns .
Nicolas Toma , Leser
Auf der Suche nach der Zeit verpasst man leider den Moment .