+3 Magazin Februar 2021 | Page 4

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WIR FRAGEN :

WAS IST DIE ZUKUNFT

DES JOURNALISMUS ?

50 Journalisten sind weltweit im vergangenen Jahr wegen ihrer Arbeit getötet worden – zwei Drittel von ihnen allerdings außerhalb von Konfliktregionen .
Quelle : Reporter ohne Grenzen
© iStock ./ South _ agency
Heribert Prantl , Journalist , Kolumnist und Autor
Raum für neues Denken
Es wäre bitter , wenn das Wort Zukunft zum Drohwort würde . Der Niedergang des Journalismus , den manche vorhersagen , kommt ja nicht schicksalshaft auf uns zu . Zukunft ist nichts Festgefügtes . Für gute Veränderung zu werben , ist die demokratische Aufgabe von Journalismus . Presse in allen ihren Erscheinungsformen ist das Forum dafür , über die Zukunft der Gesellschaft zu diskutieren . Wir brauchen eine neue Utopie . Das ist wichtig für die Zukunft unserer Gesellschaft . Seitdem nach 1990 der Tod der Utopien verkündet wurde , erleben wir den Aufstieg des extremistischen
Populismus und der politischen Dummheit . Die Menschen spüren , wie sich der innere Zusammenhalt der Gesellschaft auflöst . Und weil es noch keine neuen großen Ideen gibt , suchen die Menschen im Abfall der Geschichte nach den alten . Das ist ein Grund für die neuen politischen Schwarzmarktfantasien . Was hilft dagegen ? Es hilft Denken . Und das Denken braucht den Raum , in dem man es ausbreiten kann . Diesen Raum bieten die Medien . Daraus folgt : Das beste Rezept für ihre gute Zukunft ist verlegerische und journalistische Leidenschaft . Natürlich hat das Internet viel verändert . Aber ein Journalismus , der Angst vor Veränderungen hätte , wäre erbärmlich . Pressefreiheit braucht Journalisten , die neugierig , unbequem , urteilskräftig und integer sind . Ein solcher Journalismus wird das böse Wort von der Lügenpresse abschütteln . Die Zukunft des Journalismus liegt im Journalismus .
Walter Hömberg , Leser
Der Anspruch bleibt
Neue Medien und neue Techniken verdrängen die alten Medien nicht , sondern ergänzen und verändern sie . Schon heute und noch mehr in der Zukunft haben wir nicht zu wenig Informationen , sondern eher zu viel . Gerade deshalb brauchen wir kompetente Journalisten , die die Spreu vom Weizen trennen . Sie sollten sich als Lotsen in der Informationsflut begreifen und für Orientierung sorgen . Schon im Jahre 1695 hat sich der Privatgelehrte Kaspar Stieler mit Fragen der journalistischen Qualität befasst . In seinem Buch „ Zeitungs Lust und Nutz “ fordert dieser welt-
erfahrene Mann von den Medien seiner Zeit einen engen Bezug zur Wirklichkeit : Der Journalist solle über Zustände und Ereignisse berichten , ohne überall seinen „ Senf darüber her [ zu ] machen “. Er dürfe keine Lügen und eigene Erfindungen verbreiten , sondern nur , was „ alles sich so und anders nicht begeben habe “. Er müsse „ das Wichtige und Weitaussehende von Lappalien zu unterscheiden “ wissen , also die Relevanz von Nachrichten richtig einschätzen . Er hätte seine Quellen kritisch zu prüfen und „ unparteyisch “ zu sein . Und er solle die Informationen in einem flüssigen , verständlichen Stil vermitteln : „ Wortwandlungen oder Blumwerk gehören in die Zeitungen nicht – so wenig wie Poetische Grillen und neu erfundene Worte .“ Diese Ratschläge für guten Journalismus haben auch nach mehr als 300 Jahren nichts an Aktualität verloren .