+3 Magazin Februar 2021 | Page 5

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Richard Gärtner , Leser
Leuchtturm im Meer der Informationen
Angela Josephs , Leserin
Ordnende Hand
Guter Journalismus zeichnet sich durch die Trennung von Nachricht und Meinung aus – das gilt auch in Zukunft . Allerdings wird die Analyse von Nachrichten wichtiger werden . Analysen , plausibel begründet , bieten Lesenden Orientierung . Es geht darum , das Bedürfnis nach Einordnung von Ereignissen zu befriedigen . Bei dem Überfluss von Meldungen auf Kanälen aller Art ist der Einzelne überfordert , zu bewerten , was substanzielle Information ist und was diese bedeutet . Zudem sind Hintergrundrecherchen , die jenseits der Tagesaktualität Zusammenhänge erläutern , wertvoll – diese Leistung kann der einzelne Lesende nicht erbringen . Last , but not least sind Geschichten von Menschen , in denen Ereignisse auf konkrete Schicksale heruntergebrochen werden , wichtig , um anonymen Geschehnissen ein Antlitz zu verleihen . Von wem diese journalistischen Formate erstellt werden sollten ? Die Autoren sollten ein analytisches Vermögen besitzen , die Kodizes des professionellen Journalismus kennen und weniger an der heißen Story als an der Vermittlung von Erkenntnis interessiert sein . Ich bin überzeugt , dass Menschen dafür auch oder wieder Geld bezahlen werden . Zu viel Fake und Nonsens wird im Netz verbreitet , sodass das Bedürfnis nach Orientierung wachsen wird .
Guter Journalismus braucht eine hochethische Gemeinschaft , effiziente Werkzeuge und vielfältige , sichere Kanäle . Nur so kann man bei gewohnt schneller und umfassender Information dem mit den Möglichkeiten der Digitalisierung einhergehenden Vertrauensverlust in die Medien Herr werden . Journalismus darf nicht versuchen , dem Leser eine Meinung zu bilden , sondern muss ihm untendenziöse , umfassende und – soweit möglich – nachprüfbare Informationen auf verschiedenen Kanälen zur Verfügung stellen , damit er sich seine Meinung selbst bilden kann . Dazu gehört idealerweise auch eine Förderung der Medienkompetenz der Leserschaft , damit diese die Inhalte verschiedener Quellen qualifiziert beurteilen kann . Damit sind nicht nur die diversen Qualitätsmedien
gemeint , sondern auch die Informationen und Meinungen aus den sehr unterschiedlich qualifizierten „ Quellen “ im Internet . Auf diese Weise kann der Qualitätsjournalismus sicher noch lange eine Leitfunktion in der immer komplexer werdenden Medienlandschaft behalten . Allerdings sollten dazu die Leserbedürfnisse auch nicht Moden oder artfremden Verhaltensweisen , etwa aus dem Marketing , untergeordnet werden . Exemplarisch seien nur zwei Beispiel dafür genannt : die zunehmende Verwendung des Präsens bei Prozessen in der Vergangenheit sowie die „ Leserbindung “ dergestalt , dass das im Titel genannte Thema erst im letzten Drittel des Artikels wirklich angesprochen wird .
Andreas Last , Leser
Bedrohtes Kulturgut
In meiner Kindheit habe ich meinen Vater immer dabei beobachtet , wie er am Samstagmorgen hinter seiner Zeitung und nach dem Frühstück in seiner eigenen Welt verschwunden ist . Heute weiß ich , dass er in Welten wanderte , die andere für ihn gezeichnet haben . Menschen in Wort und Schrift zu erreichen , war seit Anbeginn der Zeit jenen vorbehalten , die Macht hatten und diese durch das Privileg der Kommunikation sogar noch steigern konnten . Über Jahrhunderte hat sich dieses Privileg
Tanjev Schultz , Professor für Journalistik , Johannes-Gutenberg- Universität Mainz
Die Welt ergründen
Im Zeitungskopf des Berliner „ Tagesspiegel “ steht ein großer Leitsatz : Rerum cognoscere causas . Das bedeutet : die Ursachen der Dinge erkennen , den Dingen auf den Grund gehen . Sind die Journalisten übergeschnappt ? Wollen sie den Doktor Faust spielen ? Allerdings : Was wäre der Journalismus ohne ernsthafte Wahrheitssuche ? Was wäre er ohne das wahrhaftige Bemühen um treffende Beschreibungen und Erklärungen ? Ein trostloses , sogar gefährliches Treiben , das wäre er . Journalisten dürfen nicht so tun , als seien sie in einen Weisheitstopf gefallen und hätten sich in der Wahrheit gewälzt . Sie dürfen sich nicht berauschen an ihrer ( angeblichen ) Bedeutung . Der Presseausweis gibt ihnen keinen exklusiven Zugang zur Welt . Schon gar nicht in einer Welt , in der so viele Menschen im Internet selbst das Wort ergreifen und ihre Sicht der Dinge darlegen können . Auch guter Journalismus ist fehlbar . Dennoch würde er sehr fehlen , wenn es ihn nicht gäbe . Auch in Zukunft
Benjamin Fredrich , Herausgeber Katapult Magazin
Wegweiser im Diskurs
Für die Zukunft bin ich optimistisch : Die Bild wird ihren Trend fortsetzen und irgendwann abkratzen , weil man für selbsterfundene Geschichten angereichert mit Stereotypen heute keine große Redaktion mehr braucht . Das können die Leute im Netz alleine und das tun auch ziemlich viele . Die sozialen Medien machen den Boulevardjournalismus insgesamt über-
gewandelt und der Journalismus entstand . Mit der Möglichkeit , Dinge anzusprechen , war man in der Lage , das Machtgefüge zu beeinflussen , indem man Informationen streute und die Wahrheit ans Tageslicht brachte und bis heute bringt . Mittlerweile kann jeder Dinge ansprechen und durch das Internet viele Menschen erreichen . Das Problem ist nur der Wahrheitsgehalt . Leider weigern sich Plattformen , die sich auf Meinungsfreiheit berufen , ihrer Pflicht nachzukommen , Kommentare auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen . Ohne , dass sich Unternehmen dieser Pflicht stellen , sehe ich die Zukunft des Journalismus arg bedroht .
braucht es ihn als eine Kraft , die beharrlich berichtet , fragt und zweifelt . Als Macht , die unabhängig agiert und gegen Widerstände recherchiert . Welche Zukunft hätte der Journalismus , würde er nicht hinter die Kulissen blicken ? Welche Berechtigung hätte er , ließe er sich vom Glanz der Oberfläche blenden ? In der digitalen Dauerkommunikation ist mehr denn je ein Journalismus gefordert , der geduldig die Welt ergründet . Bescheiden und ohne Dünkel muss er sich die höchsten Ziele setzen .
Thorsten Fabian , Leser
Gute Tradition
Guter Journalismus muss vor allem glaubwürdig sein und erzielt dies nach meiner Einschätzung durch Wahrhaftigkeit und Unabhängigkeit , sowohl wirtschaftlich als auch politisch . Außerhalb dieser Vorgaben findet schlichte Meinungsmache statt und darunter krankt unsere Gesellschaft aktuell , bemerkenswerterweise , ohne daran zu leiden . In unserer schnelllebigen Zeit genieße ich diesen Journalismus sehr traditionell mit einem Rascheln im Ohr und schwarzen Fingern und hoffe inständig , dass das noch lange so bleibt .
flüssig . Promis auf der Suche nach Aufmerksamkeit brauchen die Bild heute nicht mehr . Das war vor zehn Jahren noch anders . Was bleibt also übrig ? Was können die sozialen Medien nicht leisten ? Saubere Recherche und journalistische Standards . Es gibt wenige Projekte , die in den sozialen Medien gestartet wurden und am Ende für verlässliche Quellen und korrekte Einordnungen abgefeiert wurden . Dass die neuen Medien erstmal sehr viele Menschen in den Diskurs geholt haben , ist ein demokratischer Fortschritt . Wie bei jedem Fortschritt gibt es aber auch Risiken und Nachteile : Die Quote der ungecheckten Infos und Falschmeldungen ist durch diese kommunikative Demokratisierung enorm gestiegen , weil nun mal jeder Klotzkopf richtigerweise was sagen oder auch ins Netz schreien darf . Guter Journalismus wird dadurch immer wichtiger . Nicht nur die Information an sich wird zukünftig nachgefragter sein , auch die gesellschaftliche Einordnung wird wichtiger , weil man im Wald der Falschaussagen von Dirk Müller , Alice Schwarzer und Ken Jebsen irgendwann wieder gesicherte Nachrichten haben möchte .
Uwe Möller , Leser
Schreib , was du denkst
Journalismus sollte die Meinung vieler in alle Richtungen abbilden . Jeder von uns hat eine Meinung zu irgendeinem Thema und viele hinterlassen diese mal ausführlicher , mal kurz und knackig in den sozialen Netzwerken . In Zukunft lautet die Frage : Wird Meinung von wenigen großen Firmen so beeinflusst , dass es keine Vielfalt mehr in der Meinungsbildung gibt ? Journalismus sollte seine Selbstständigkeit und seine Freiheit nicht aufgeben . Unsere Gesellschaft lebt von unterschiedlichen Meinungen und entwickelt sich dadurch weiter .
Thomas Fix , Leser
Bewährte Werte
Der Journalismus kann nur überleben , wenn er sich mehr noch den Hintergründen widmet , authentisch bleibt und seriös hinterfragt . Dann haben auch Print und Radio eine Chance , zu überleben . Außerdem soll er den Blick in die Zukunft werfen und Perspektiven aufzeigen , an denen sich die Gesellschaft ausrichten kann . Weiterhin muss er den Spagat schaffen , alle Altersgruppen , Milieus und Interessen im Blick zu behalten . Der Kampf um die Demokratie wird in den kommenden Jahren sicher ein weiterer wichtiger Aspekt für die Medien sein , die sich immer mehr unterscheiden in schnelle und tiefgründige Medien . Marshall McLuhans Satz „ Das Medium ist die Botschaft “ erhält dann eine so große Aktualität wie niemals zuvor .