+3 Magazin Februar 2020 | Page 10

+2 10 WIR FRAGEN: WIE GEHT MAN MIT SELTENEN KRANKHEITEN UM? ... und was ist Ihre Meinung? www.plus-drei.de [email protected] Acht von zehn Menschen mit einer seltenen Erkrankung leiden unter Angst- oder Stresssymptomen – soziale Vereinsamung ist nur eine der Folgen. Quelle: Klinik für Psychosomatik Gießen © iStock./Mypurgatoryyears Eva Luise Köhler, Vorsitzende des Stiftungsrats Eva Luise und Horst Köhler Stiftung für Menschen mit Seltenen Erkrankungen Forschen hilft heilen Seit 15 Jahren engagiere ich mich für Menschen mit Seltenen Erkrankun- gen und habe seither in vielen Begeg- nungen erlebt, welche Unsicherheit es mit sich bringt, mit einer Krankheit zu leben, die kaum erforscht und ver- standen ist. Es fehlt einfach an allem, an gesicherten Informationen und Behandlungspfaden, an Spezialisten und wirksamen Therapien. Das Netz- werk von Spezialzentren, das sich seit einigen Jahren an vielen Universi- tätsstandorten formt, ist deshalb ein großer Schritt nach vorn. Patienten mit unklaren und seltenen Diagnosen erhalten hier Zugang zu modernen diagnostischen Verfahren und inter- disziplinärer Versorgung durch Spe- zialisten. Doch leider werden seltene Krankheiten in Forschung und Lehre noch immer stiefkindlich behandelt. Weil es jungen Wissenschaftlern daher an Vorbildern und Perspektiven fehlt, hat sich ein massives Nachwuchs- problem entwickelt. Dem werden wir mit einigen Stipendien und Stiftungs- professuren allein nicht schnell genug beikommen, um auch Patienten mit Seltenen Erkrankungen an dem im- mensen medizinischen Fortschritt teil- haben zu lassen. Auch wenn es gut und wichtig ist, dass sich auch Stiftungen und private Geber einbringen, um den Forschungsbereich zu stärken, darf die Politik diese Aufgabe nicht an die Zi- vilgesellschaft delegieren. Alle Akteu- re müssen jetzt entschlossen handeln und gemeinsam ein Programm aufle- gen, das auf Nachwuchsförderung und die dafür notwendige strukturelle Ent- wicklung abzielt. Silke Wiegand-Grefe, Leiterin Familien- ambulanz Uniklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und Initiatorin CARE-FAM-NET Stark im Kopf Schmerzhafte Therapien, Klinikauf- enthalte, Leben jenseits der Realität, Alltag mit dem Pflegedienst, Unsi- cherheit über die Zukunft des Kindes. Die Strategien im Umgang mit einer solchen Situation sind vielfältig. Ein „Rezept“, das gleichermaßen für alle Familien gilt, gibt es nicht. Hilfreich kann es sein, in der Familie mitein- ander im guten Kontakt zu sein, über die Situation zu sprechen, sich gegen- seitig zu unterstützen. Im nächsten Schritt können andere Menschen im sozialen Umfeld hilfreich sein: Leh- rer, Erzieher, Angehörige, Freunde. Man sollte möglichst viele ins Boot holen. Und: Hilfe annehmen, wenn man diese braucht. Es gibt Hinweise darauf, dass eine angemessene Krank- heitsbewältigung – wozu das offene Gespräch in der Familie ebenso gehört wie die Inanspruchnahme von Un- terstützung sowie stabile, tragfähige Beziehungen in der ganzen Familie – wichtige Säulen eines guten Umgangs mit einer solchen Situation sind. Der Verbund CARE-FAM-NET für Kin- der mit seltenen Erkrankungen, deren Geschwister und Eltern vernetzt an 18 Zentren in Deutschland Kliniker, Wissenschaftler und Krankenkassen und bietet eine psychosoziale Unter- stützung an, die sich am Bedarf der Betroffenen ausrichtet: familienori- entiert und niederfrequent, möglichst gut in den Alltag der Familien integ- rierbar. Familien sollten frühestmög- lich Hilfen erhalten, die sie unterstüt- zen, die psychische Gesundheit und Lebensqualität der Familie zu sichern. Das ist unser Ziel.