+1
Jonas Burgert,
Künstler
Form folgt Inhalt
In der bildenden Kunst sind im besten Fall Stil und Inhalt nicht voneinander zu trennen. Stil ohne Inhalt
kann Mode sein oder auch Dekoration, beides hat seine Berechtigung.
Für die Kunst wäre diese Loslösung
jedoch negativ besetzt. Wenn Stil als
Sprachklang zu verstehen ist, so muss
dieser den Inhalt als Empfindung in
ein formales Gebilde transformieren.
Gelingt dies, kann Zeitlosigkeit entstehen. Wenn man jedoch versucht,
den Weg abzukürzen, nur die Form
zu wählen, die Stilelemente, dann
funktioniert es nicht mehr in einem
künstlerischen Sinne. Stellen wir uns
Michael Gläser,
Leser
Ein Bartleben
Stil kann mehreres bedeuten: mein
Aussehen, mein Verhalten, meine Art zu schreiben und vielleicht
noch anderes. Nehmen wir mal mein
Aussehen, wenn ich meine Wohnung verlasse oder zu Hause Gäste
habe. Im Laufe meines Lebens hat
es sich natürlich geändert. Je älter
ich wurde, desto bewusster habe ich
auf mein Aussehen geachtet. Das
heißt aber nicht, dass ich mich immer raffinierter gestylt habe. In den
1960er-Jahren fühlte ich mich mit
den Anhängern der Studentenrevolte verbunden und ließ mir einen
Bart wachsen. Meinem Vater gefiel
etwa vor, heute nutzt jemand einfach
nur die Formensprache von Gauguin,
dann fehlt der Kampf um die Inhalte, es fehlt das Authentische. Ein
Künstler muss privat, ehrlich und
echt sein. Gleichzeitig gilt es, einen
Spagat zu schaffen: Jeder ist eine eigene Persönlichkeit und damit kann
auch jeder seinen eigenen Stil schaffen, aber nicht jeder ist in der Lage,
andere Menschen abzuholen. Bleibt
der Künstler zu privat, ist er in seinen Empfindungen für andere nicht
nachvollziehbar. Eine Brücke kann
über das Symbolische gebaut werden. Wir merken uns Empfindungen
und können diese beim Ansehen einer symbolischen Darstellung wieder hervorrufen. Unsere Sehnsüchte
nach einer inhaltlichen Verknüpfung
werden bedient. Kunst versucht,
Denken zu empfinden, autark und
radikal. Der Stil des Malers ist dabei
das Orchester der Pinsel und Farben.
Kunst ohne Stil gibt es nicht.
das überhaupt nicht, also musste
der Bart wieder runter. Erst als ich
dann mein erstes Geld verdiente und
von ihm unabhängig war, ließ ich
ihn wieder wachsen. Zuerst war es
ein mittellanger Vollbart. Für kurze
Zeit habe ich die Backen frei rasiert,
es dann aber wieder wachsen lassen.
Dahinter stand auch eine gewisse
Bequemlichkeit, die mich vom täglichen Rasieren befreite. Dagegen
stand allerdings die Pflicht, den Bart
sauber zu halten. In den 1980er-Jahren – ich lebte damals in Frankreich
– sah ich einen französischen Minister mit einem sehr kurz gehaltenen
Vollbart, höchstens zehn Millimeter.
Er sah damit verdammt gut aus. Das
war für mich der Anlass, mir einen
elektrischen Bartschneider zu kaufen
und meinen Bart einmal wöchentlich
auf eben diese Länge zu stutzen – bis
heute. Erst wenige Jahre später kam
die Mode des Drei-Tage-Barts auf,
die ich jedoch nicht kopieren wollte.
5
Sabine Pech, Leserin
Matthias Buschmann,
Leser
Cool in Berlin
Es ist ein fauler, herbstlicher Samstag. Um die Mittagszeit beschließen
wir, auf dem Markt am Boxhagener
Platz schnell ein paar Einkäufe zu
machen. Vorher noch duschen, stylen oder vielleicht Haare waschen?
Mein Freund könnte sich eigentlich
noch rasieren. Nein, dafür bleibt keine Zeit. Schließlich wollen wir die
Marktleute nicht beim Abbauen antreffen. Macht auch nichts, denn wir
ziehen unsere dicken Parkas über den
Schlunz-Look und setzen Wollmützen auf. Nach dem Einkaufen kehren
wir noch in unser portugiesisches
Lieblingscafé ein und fläzen uns zum
Teetrinken auf eines der gemütlichen
Sofas. Ich schaue über meine Zeitung
hinweg zum Eingang und sehe eine
Crew von Fotografen und Lichtassistenten hereinkommen. Prompt werde ich angesprochen, ob sie uns nicht
für die „Elle Italy“ fotografieren dürften. Sie machen gerade ein Special:
„Cool in Berlin.“
Franziska Knuppe,
Model
Stil ist immer in
Stil ist Aussehen, der Habitus, die
Art zu reden oder wie man sich bewegt, und am Ende ist es die gesamte
Person. Stil ist nicht abhängig davon, ob man jedem Modetrend hinterherläuft, sondern davon, ob man
erkannt hat, wer man wirklich ist.
Zwischen Mode und Stil gibt es einen
großen Unterschied. Coco Chanel
sagte einmal: „Mode ist vergänglich,
Stil bleibt.“ Mit unserem Äußeren
stellen wir dar, wer wir sind. Zum
Viele Facetten
Stil heißt für mich: Meine Leidenschaften, Stimmungen, Gelüste und
Neugierde auszuleben, wo und wie
lange ich will. Meine Energie mit vielen interessanten Menschen zu teilen
und weiterzugeben. Leichtigkeit und
Spaß jeden Tag zu genießen. So oft
ich kann etwas Neues auszuprobieren.
Meinen Hedonismus immer wieder
versuchen zu zügeln. Meinen Klamottengeschmack zu erweitern und
immer wieder Akzente zu definieren.
Mich selbst an meinem Humor zu
erfreuen. Meine Motivation, andere
Menschen glücklich zu machen und
ihren Ehrgeiz zu wecken. Mir durch
meinen Spaß an Konsum und Verschwendung nicht meine Sorglosigkeit nehmen zu lassen. Jeden Morgen
mit einem Lachen aufzuwachen.
Beispiel können sich ältere Mitmenschen schrill und bunt anziehen,
während eine Mitzwanzigerin vielleicht nur schwarze Etuikleider trägt.
Stil haben Menschen, die sich nicht
in Schubladen stecken lassen. So lange es ihr Inneres widerspiegelt und
sie sich nicht für andere verkleiden,
dann definiert das Stil. Und wer Stil
hat, macht immer eine gute Figur –
ganz egal, welche Modetrends gerade
angesagt sind.
Stephan Averdung, Les W