+3 Magazin April 2022 | Page 8

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Simone Merfeld , Leserin
Wir gestalten
Es geht um die richtige Infrastruktur , um es für viele richtig zu machen und für alle umweltfreundlich zu gestalten . Nicht allein die Fahrtwege sind ein Problem , sondern auch das Parken . Wir müssen hier Städtebau , Immobilienwirtschaft , Straßenbau und Stadtplanung mitdenken . Letztendlich ist es unser gemeinsames Leben , das wir gestalten dürfen . Wenn wir hier smarte Alternativen für gute Anbindungen finden – auch ins Umland – dann können wir die Umwelt entlasten . Dies sollten alle Stakeholder gemeinsam angehen .
Sabine Pollak , Professorin für Architektur und Urbanistik , Kunstuniversität Linz
Mit Leben füllen
Für mich hat die Smartness von Städten nicht nur mit Technologien zu tun . Wenn es um ein besseres Leben in Städten geht , möchte ich nicht nur auf Technologien vertrauen . Die beiden Pandemiejahre haben gezeigt , was im Alltagsleben unserer Städte gut funktioniert und was nicht . Privater und öffentlicher Raum erwiesen sich vielfach als mangelhaft . Stiegenhäuser
waren unkommunikativ , Wohnungen schlecht organisiert , Wohnquartiere isoliert und Stadträume überreguliert . Eine bessere Zukunft unserer Städte hat für mich daher viel mehr mit realen , konsumfreien Orten zu tun , an denen man sich trifft , wo man debattiert , sich solidarisiert und Freundschaften schließt . Neu gebaute Quartiere sind heute oft erschreckend homogenisiert , als wären sie absichtlich nicht für die Vielfalt jener Menschen , die sie benutzen könnten , gebaut . Sie sind weder gut noch schlecht , die Architektur ist annehmbar , öffentlicher Raum wäre da , aber dennoch . Für mich schreien solche Quartiere geradezu nach einem Aufruf , alle digitalen Kommunikationsgeräte wegzulegen und sich
hinauszubegeben , in den Raum der Stadt , um das zu tun , was Menschen seit jeher getan haben in Städten : miteinander kommunizieren . Und wenn die Kommunikation nicht immer reibungslos abläuft , ist es auch egal . Reibung , das meinte der Soziologe Richard Sennett schon vor Jahren , sei ohnehin das , was uns heute am meisten fehlen würde in unseren Städten .
Michael Pfefferle , Bereichsleiter Smart City und Smart Regions , Bitkom
Catrin Braun , Leserin
Ich bin ein großer Fan der 15-Minuten-Stadt . Mobilität muss zusammengedacht werden mit Stadtplanung , Energie- und Wasserversorgung , Abfallwirtschaft , Versorgung , Sicherheit usw .
Alexander Handschuh , Leiter Innovators Club , Deutscher Städteund Gemeindebund
Nutzen ist Akzeptanz
Die Schaffung digitaler Städte und Regionen gehört zu den großen Zukunftsaufgaben der Kommunen . Der Digitalisierungsgrad wird in naher Zukunft Maßstab für Lebens- und Standortqualität sein . Die Konzeption von Smart Citys oder Smart Regions muss allerdings von der Illusion abgekoppelt werden , es handele sich bei der Schaffung digitaler Städte um ein technologiegetriebenes Metropolenthema . Im Gegenteil geht es vielmehr darum , Technik als Werkzeug zu nutzen . Smart Citys sollen lebenswerte Städte für Menschen sein , keine Anwendungslabore für die neuesten Digitaltrends . Daher ist der Umbau zu digitalen Städten und Regionen auch keine primär technische , sondern eine strategische , kommunikative und partizipative Aufgabe . Welche Anwendungen konkret zum Einsatz kommen , ist der Entscheidung der Kommunen vor Ort vorbehalten . Nicht jede technische Lösung ist für alle Städte oder Gemeinden sinnvoll . In diesem Prozess der Entscheidungsfindung müssen möglichst alle Akteursgruppen mit einbezogen werden . Hier geht es neben der notwendigen Definition von Zielen und Grenzen auch darum , die Digitalisierungskonzepte am konkreten Nutzen für die Menschen , die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft auszurichten . Gerade in diesem Bereich sind Kommunen aufgerufen , von den erfolgreichen Digitalunternehmen zu lernen , die die strikte Nutzenorientierung als eine entscheidende Voraussetzung für die Akzeptanz und damit auch den Erfolg in den Mittelpunkt stellen .
Hamburg 88
Bochum 71
Köln 79
Darmstadt 73
Karlsruhe 73
Freiburg 69
SMART CITY INDEX Das waren 2021 die zehn smartesten Städte Deutschlands bewertet wurden 81 Großstädte ab 100.000 Einwohner in fünf Kategorien ; 100 = maximaler Indexwert
Stadt baut an
Heike Mempel , Leiterin Applied Science Centre ( ASC ) für Smart Indoor Farming , Hochschule Weihenstephan- Triesdorf
Die Produktion von nachhaltigen und effizienten Nahrungsmitteln gewinnt angesichts der wachsenden Weltbevölkerung und der steigenden Urbanisierung an Bedeutung . Vertikale Landwirtschaft kann als innovative und hochtechnisierte Kulturmethode hier einen Beitrag leisten . Als Teil der städtischen Struktur liefert Vertical
Berlin 70
Dresden 71
Stuttgart 71
München 73
Quelle : Bitkom
Farming viele Vorteile . Ein integrierter Anbau von Lebensmitteln nutzt bereits versiegelte , nicht genutzte Flächen im direkten Umfeld der Konsumenten . Regional produzierte Produkte können so intelligent in bestehende Lieferketten integriert werden . Auch die Schaffung kontrollierter Bedingungen bietet enorme Vorteile . Die von saisonalen und regionalen Witterungsbedingungen unabhängige Produktion führt zu Ertragssicherheit bei minimiertem Wasserverbrauch . In einer Indoor-Farm lassen sich Beleuchtung , Nährlösung und Temperaturen optimal dem Bedarf der Pflanzen anpassen , sodass die Erträge gesteigert und die Qualität
Näher als gedacht
„ Unsere Stadt wird smart .“ Wer diesen Satz hört , der denkt vor allem an Deutschlands große Metropolen . Klar : Hier sind Quartiere und Mobilitätsangebote schon jetzt digital vernetzt und helfen zum Beispiel dabei , dem Klimawandel entgegenzuwirken . In Berlin weiten Unternehmen ihr Einzugsgebiet für „ On-Demand-Verkehr “ aus , um den Zugang zur S- oder U-Bahn zu erweitern . Und in Hamburg-Bergedorf werden erste autonom fahrende Busse getestet . Doch auch unsere ländlichen Regionen und Mittelzentren werden digitaler – verbunden mit großen Chancen , die Lebensqualität zu steigern . Die zunehmende Möglichkeit , im Homeoffice zu arbeiten , aber auch die gute Versorgung mit Kitaplätzen machen das Landleben besonders für junge Familien wieder attraktiver . Auf dem Land treffen digitale Lösungen jedoch häufig auf die Realität : Viele Projekte lassen sich mit Blick auf die Finanzen und die Personalausstattung nicht realisieren , regelmäßig scheitern Vorhaben am fehlenden politischen Willen , die dortige Verwaltung , Mobilität oder Gesundheit wirklich erfolgreich zu vernetzen . Bei der digitalen Transformation von Kommunen sind in erster Linie Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie die Lokalpolitik gefragt . Sie müssen endlich abseits vom eigenen Kirchturmdenken damit beginnen , im Rahmen interkommunaler Zusammenarbeit neue Lösungen finden . Der nächste Partner ist nicht weit – und wartet häufig schon in der Nachbarkommune oder im Landkreis .
gezielt beeinflusst werden kann . Für eine hohe Ressourceneffizienz kann auch die Anbindung an intelligente regenerative Energiekonzepte einer Stadt sorgen . Im Gegenzug ist eine sekundäre Nutzung der anfallenden Wärmeenergie in Nachbargebäuden denkbar . In Indoor-Farmen können bald auch Nährstoffe aus aufbereiteten biologischen Abfällen oder Kläranlagen genutzt und so der Kreislauf geschlossen werden . Indoor Vertical Farming hat das Zeug , in urbanen Räumen eine wichtige Säule in der Lebensmittelversorgung zu sein .