+3 Magazin April 2022 | Page 13

Anzeige

MEHR RÜCKENWIND FÜR DIE ENERGIEWENDE

© Maik Kern
Die Stadtwerke München ( SWM ) zeigen mit ihrer Ausbauoffensive Erneuerbare Energien , wie reibungslos die Energiewende gelingen kann : Nachdem 90 Prozent des Bedarfs heute schon durch Ökostrom gedeckt sind , ist das für 2025 angepeilte 100-Prozent-Ziel in greifbarer Nähe . Ein Gespräch mit Dr . Florian Bieberbach , dem Vorsitzenden der Geschäftsführung , über gesellschaftliche Akzeptanz , Windkraftvorteile im Winter und die Strategie für die Wärmewende .
Von fünf auf 90 Prozent Ökostromanteil in nur 13 Jahren – das klingt nach einem Kraftakt . Wir haben tatsächlich ab 2009 sehr radikal umgesteuert , obwohl das Thema Klimaschutz damals noch längst nicht so präsent war wie heute . Als die Weichen dann gestellt waren , hatten wir durchaus mit den Mühen der Ebene zu kämpfen : Natürlich mussten wir Lehrgeld zahlen bei den ersten Projekten . Es hat schon ein paar Jahre gedauert , bis diese Maschine wirklich ins Laufen gekommen ist . Heute sind wir sehr zuversichtlich , in den nächsten drei Jahren auch noch die letzten zehn Prozent zu schaffen . Trotzdem ist das alles kein Selbstläufer .
Gab es anfangs viele Unkenrufe ? In München hatten wir von Anfang an eine große Unterstützung für diesen Kurs . Natürlich gab es auch Gegenstimmen , aber das war eher eine Minderheit . Auf Bundesebene galten wir durchaus als Exoten der Energiebranche – und auch als ein bisschen verrückt . Oft hieß es : „ Die mit ihren Windparks .“
Inzwischen gibt es zahlreiche Standorte , die Ökostrom für München liefern . Wie viele davon befinden sich „ im eigenen Backyard “? Die größte Zahl unserer Anlagen befindet sich im Stadtgebiet oder ganz in der Nähe . Aktuell sind es rund 60 Anlagen . Allerdings sind diese Anlagen zumeist eher klein . Während die Photovoltaikanlagen kaum wahrgenommen werden , liegen die Wasserkraftwerke mitten in der Stadt , und auch die Geothermie-Anlagen sind sehr sichtbar . Da im dichtbesiedelten München kaum Platz dafür ist , stehen hier nur zwei Windräder , größere Windparks betreiben wir in anderen Teilen Deutschlands und Europas .
SWM Geothermie-Anlage München / Freiham
Schon jetzt liegen die Produktionskapazitäten dieser Standorte bei 6,3 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr … … im Vergleich zu rund sieben Milliarden Kilowattstunden Verbrauch – das ist die aktuelle Zielmarke . Unser Ziel lautet nun , den gesamten Strombedarf Münchens zu decken , natürlich inklusive derjenigen , die nicht bei uns Kunden sind . Unsere Ziele sind gerechnet auf den gesamten Stromverbrauch im Münchner Stadtgebiet , wovon die Privathaushalte übrigens weniger als ein Drittel ausmachen .
Schon aufgrund der Mobilitätswende dürfte diese Zielmarke demnächst weiter ansteigen . Ein Problem ? Bis 2025 glauben wir , mit der Zielmarke von sieben Milliarden Kilowattstunden gut hinzukommen . Bis 2035 rechnen wir mit etwa zehn Prozent mehr Strombedarf . Die Prognosen bis 2050 sind noch sehr vage , aber derzeit rechnen wir mit noch mal zusätzlichen zehn Prozent . Entscheidend sind hier die wachsende Zahl von Wärmepumpen im Heizungsmarkt und der immer stärkere Einsatz von Elektrofahrzeugen . Trotzdem sind wir zuversichtlich , auch dann den Bedarf durch Erneuerbare decken zu können .
Der zweite Strang der Ausbauoffensive Erneuerbare Energien ist das Thema Wärme . Wie weit sind sie da ? Beim Thema Wärme haben wir etwas später angefangen : Seit zehn Jahren peilen wir auch in der Fernwärme Klimaneutralität an – und zwar bis spätestens 2040 . Das Datum liegt in etwas fernerer Zukunft , weil der Zubau sehr viel mühsamer ist , da man Wärme nicht über längere Strecken transportieren kann . Man muss sie also im Wesentlichen vor Ort erzeugen , und das ist nicht so trivial . Wir haben inzwischen sechs Geothermie- Anlagen und haben beim Bau viel gelernt . Auch die richtigen Partner dafür muss man erst mal finden . Inzwischen läuft das sehr gut . Trotzdem muss man wissen : Selbst eine große Geothermie-Anlage kann nur etwa zehn Prozent der Wärmeproduktion eines klassischen Kohle- oder Gaskraftwerks erreichen . Entsprechend viele müssen wir eben auch bauen – und ich bin wirklich sehr froh und dankbar , dass wir dafür die nötige Akzeptanz haben . In anderen Städten Deutschlands sind die Widerstände offensichtlich viel größer , und genau daran scheitert die Wärmewende momentan .
Wie könnte auch anderswo die Akzeptanz für Geothermie erhöht werden ?
Intensive Aufklärung ist das Allerwichtigste . Und natürlich brauchen sie schon eine Bevölkerung , für die Klimaschutz einfach eine hohe Priorität hat . Bei der konkreten Umsetzung der Anlagen ist es ganz wichtig , Dinge wie Schallschutz sehr ernst zu nehmen . Wir betreiben da sehr großen Aufwand , der sich lohnt – weil man mit Geothermie eben auch im Winter klimaneutral Wärme erzeugen kann . Das ist der Vorteil gegenüber Photovoltaik plus Wärmepumpe oder Solarthermie .
München eignet sich gut für Geothermie . Wo könnte das noch funktionieren ? Es eignen sich viele Orte in Deutschland , besonders im Westen , im Rheingraben , in ehemals vulkanischen Gebieten . Eine neue Studie besagt , dass gerade die Ballungsräume – Berlin , Hamburg , das Ruhrgebiet – ein erhebliches geothermisches Potenzial haben . Insgesamt werden diese Möglichkeiten noch total unterschätzt . Immerhin rückt die neue Bundesregierung das Thema mehr in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen , weil langsam allen bewusst wird , dass wir um die stärkere Nutzung von Erdwärme nicht herumkommen .
Welche Impulse wünschen Sie sich noch von der Politik ? Entscheidend ist , dass der Ausbau der Windenergie wieder deutlich schneller voranschreitet , nachdem er zuletzt doch ein bisschen eingeschlafen war . Da muss Geschwindigkeit reinkommen . Auch die Photovoltaik ist wichtig , doch leistet die vor allem im Sommer ihren Beitrag . Und dann wünsche ich mir , dass die Wärmewende nicht nur von der Verbrauchsseite angegangen wird . Es war zwar richtig , beim Thema Gebäudesanierungen aktiv zu werden . Zugleich war die Versorgung mit erneuerbarer Wärme lange Zeit von untergeordneter Bedeutung . Daher ist es wichtig , dass nun die Umstellung von Fernwärmenetzen auf erneuerbare Energien vorangetrieben wird .
Ausbauoffensive Erneuerbare Energien ( AEE )
2009 haben die Stadtwerke München ( SWM ) ihre Ausbauoffensive Erneuerbare Energien gestartet . Heute decken sie bereits 90 Prozent des gesamten städtischen Stromverbrauchs , also von Haushalten , Gewerbe , Industrie , öffentlichem Sektor sowie U-Bahn- , Tram- und E-Bus-Betrieb mit Ökostrom aus eigenen Anlagen . Bis 2025 wollen die SWM so viel Ökostrom erzeugen , wie ganz München verbraucht . Bis spätestens 2040 soll auch die Fernwärme in München CO 2 -neutral , überwiegend aus Geothermie , erzeugt werden .
Mehr Informationen unter : swm . de