Was machen Abstand, Isolation und unsichere
Lockerungen mit uns – und wir mit ihnen?
von Peter Wendl, Zentralinstitut für Ehe und Familie in der Gesellschaft (ZFG),
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
ir alle erleben eine Zeit außerge-
wöhnlich intensiver Nähe einerseits
(manchmal auch zu viel davon) und von
(über-)großer Entfernung andererseits.
Für die einen ist es eine Zeit wohltuender
Freiheiten, für andere ist die Gegenwart
besetzt mit Sorgen, Sehnsucht oder
auch wachsender Einsamkeit. Die einen
atmen auf und erleben eine Befreiung
von Hamsterrädern des Funktionierens;
manche sprechen gar von wohltuender
„Entschleunigung“. Andere scheint das
Höchstmaß an gleichzeitigen Anforde-
rungen zunehmend zu überfordern und
zu erschöpfen – insbesondere, da die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf und
die eigene seelische Gesundheit durch
zeitlich noch nicht Absehbares extrem
erschwert wird. Im schlimmsten Fall
kann die beklemmende Enge für einige
sogar häusliche Gewalt und Missbrauch
befördern. Darum ist es unersetzlich,
besonders aufmerksam für die Not und
notwendige Unterstützung zu sein.
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Um es vorwegzunehmen: Selbstver-
ständlich bietet diese außergewöhnliche
Zeit – trotz aller Einschränkungen – spe-
zielle Chancen zur Selbstverwirklichung,
zur persönlichen Weiterentwicklung so-
wie zu neuem Austausch miteinander.
Wie wir diese Zeit mit Kontakt- und
Ausgangsbeschränkungen bis hin zur
Isolation aber letztlich persönlich erle-
ben und für uns bewerten, ist stark von
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unseren individuellen Bedingungen ab-
hängig. Meine Lebenssituation – und
die der Menschen, die mir wichtig sind
– entscheidet stark, wie belastend ich
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aber, ob ich sie als Bereicherung sehen
kann, mit vielleicht gar wohltuenden Un-
terbrechungen, mit anderer Taktung und
größerer Selbstbestimmung.
Entscheidend sind also zunächst
meine Rahmenbedingungen:
Bin ich oder sind die Menschen,
die ich schätze, gesundheitlich
gefährdet oder einsam?
Kann ich mich selbst versorgen – und
für meine Lieben da sein? Welche
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machen mir jetzt Sorgen?
Weiter entscheidend sind die Wohnver-
hältnisse. Mit welchem Freiraum kann
oder in welcher Enge muss ich leben
und arbeiten – und besonders wich-
tig: mit wem? Lebe ich alleine oder mit
anderen eng zusammen – und welche
Qualität hat die Situation? Sind die
Menschen in meiner Nähe entlastend
oder gar zusätzlich belastend? Habe
ich zudem Kinder oder Angehörige zu
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änderten Verantwortungen bringt diese
Zeit für mich? Und eine zentrale Frage
für viele lautet derzeit: Wie kann ich alle
Entbehrungen und Belastungen mög-
DURCHHALTEN TROTZ CORONA-KRISE
lichst so handhaben, dass sie mich nicht
dauerhaft überlasten?
Alleinstehende – Alleinerziehende –
Paare – Familien – Großeltern –
Fernbeziehung
Singles oder Fernbeziehungspartner, die
jetzt alleine oder entfernt voneinander
leben müssen, können möglicherweise
eine gewisse Freiheit erleben (aufgrund
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aus auch eine zunehmende Einsamkeit
und Sehnsucht – bis hin zur schmerzli-
chen Erfahrung, die Partnerin/den Part-
ner, Familie, Kinder und Menschen aus
dem Freundeskreis nicht treffen und vor
allem auch nicht in den Arm nehmen zu
können. Eine wachsende Sehnsucht
nach Normalität, die Einsamkeit sowie
das Fehlen von körperlicher Berüh-
rung beginnt für uns alle zunehmend
zu schmerzen, je länger die Verände-
rungen dauern. Diese Erfahrung wird
für alleinstehende Menschen sowie für
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jetzt noch mehr als sonst deutlich; zumal
wenn Besuchsbegrenzungen die Gege-
benheiten zusätzlich verschärfen – und
oft nicht verstanden werden können.
Alleinerziehende (in den allermeisten
Fällen: die Mütter) und getrennt Erzie-
hende sind nun einer noch größeren
Beanspruchung ausgesetzt als sonst.