TUHH Spektrum Oktober 2016 | Page 14

14 Wohl kaum! Aber diese Vorstellung hilft, um sich die LängenDurchmesserRelationen von Bohrsträngen vorzustellen, wie sie bei Tiefbohrungen nach Öl- und Gasvorkommen ins Erdreich getrieben werden. Im Maschinenraum Bohren ohne ins Trudeln zu geraten Bis zu 10 000 Meter lang und nur etwa zehn Zentimeter im Durchmesser ist der aus Stahlrohren zusammengesetzte Bohrstrang. Die Abmessungen verhalten sich unterirdisch wie bei einem bis zu zehn Meter langen Haar. Es entwickeln sich folgenschwere Verdrillungen von mehr als zehn Umdrehungen zwischen den Endpunkten: Dann springt der Bohrkopf, es rüttelt und vibriert das Gestänge – immer wieder kommt es zu ungewollten und unkontrollierten Schwingungszuständen. Im Extremfall frisst sich der Bohrkopf irgendwo tief unten im Gestein fest, während sich oben der Antriebsmotor solange weiter dreht, bis sich der Bohrer mit enormer Wucht losreißt oder schlimmstenfalls das Gestänge bricht. Mit anderen Worten: Tiefbohrungen sind ein idealtypisches nichtlineares dynamisches System. Und teuer. Die Miete einer Bohranlage ist also Grund genug, für eine Lösung des Phänomens zu forschen. „Was unten in der Tiefe passiert, war oben als Information nicht verfügbar.“ So beschrieb Edwin Kreuzer, bis zu seinem Ruhestand 2012 Leiter des Instituts für Mechanik und Meerestechnik, das Kernproblem. Am Anfang war es reine Grundlagenforschung. Zwanzig Jahre später ist die in Teams aus Doktoranden und technischen Mitarbeitern entwickelte Schwingungsdämpfung in Bohrsträngen in der angewandten Forschung angelangt, patentiert und Objekt der Begierde von Ölfirmen, vorgestellt zuletzt im Mai 2016 während der Offshore Technology Conference in Houston, Texas. Zwei überirdisch angebrachte Sensoren senden Informationen über die Vorgänge in die Tiefe direkt an den Motor, so dass folgenschwere Verdrillungen vermieden werden. Der Doktorand Ludwig Krumm beschreibt in der vierten Doktorarbeit auf diesem Forschungsgebiet, worum es in seiner Arbeit geht. Ludwig Krumm (32) aus Hamburg hat an der TUHH Maschinenbau im Diplomstudiengang studiert und promoviert am Institut für Mechanik und Meerestechnik bei Professor Edwin Kreuzer über: Sensoren für die Schwingungsdämpfung er Clou unserer Technik hat noch einen kleinen Haken. Die beiden für die Technologie benötigten Drehzahlsensoren müssen einen möglichst geringen Abstand zueinander haben, abhängig von der Sensorauflösung und der Abtastrate. Noch ist dieser Abstand zu groß. An einem Versuchsstand mit real großem Bohrgestänge testen wir, wie weit wir beim Verringern des Abstands gehen können und erproben verschiedene Sensortypen, um für den Prototyp die optimale Konstellation der einzelnen Komponenten (Sensoren, Motor) zu vereinen. Soweit so gut, doch noch lange nicht serienreif. Auch wenn die Ölfirmen aktuell Investitionen in neue Technologien wegen der niedrigen Ölpreise eher scheuen, arbeiten die Ingenieurwissenschaftler dem Ziel nahe mit Hochdruck an ihrer Entwicklung zum Produkt. In der vierten Doktorarbeit zum Thema muss ein technisches Problem gelöst werden, um Kosten zu reduzieren. D