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? Wie sind Sie dann ausgerechnet zur Tiermedizin gekommen? Tierarzt war mein zweiter Traumberuf. Als ich die Aufnahmeprüfung für das Tiermedizinstudium in Wroclaw bestanden hatte, stand für mich fest, dass ich diesen Weg gehen würde. Nachdem ich in meiner Schulzeit übrigens ein echter Lehrer-Schreck gewesen war, entwickelte ich mich an der Uni zu einem akzeptablen Studenten. Meine Eltern hatten sich meine Zukunft allerdings anders vorgestellt: Sie wollten, dass ich Zahnmedizin studieren und später ihre Praxis übernehmen sollte. Aber statt in Mündern zu bohren, untersuchte ich Rinder – rektal – über 2.000 Mal in einem Jahr. Aber das war mir ehrlich gesagt auch lieber. ? Weil wir nicht weiter wussten, schickten wir die Leute zum Tierheilpraktiker, manchmal nur, um sie loszuwerden. Und dann, irgendwann, wurden sie wieder in der Praxis vorstellig, aber wegen etwas ganz anderem, einer Impfung zum Beispiel oder einer kleinen Verletzung. Was das einst unlösbare Problem betraf, so waren die Tiere gesund! Wir fragten: hey, was ist passiert, was habt ihr gemacht? Und die Leute antworteten: Wieso, Sie haben doch gesagt, wir sollen zum Heilpraktiker gehen!? Dank der kurativen Tätigkeit der Tierheilpraktiker außerhalb der Medizin eröffnen sich komplementäre Hilfen für Mensch und Tier, wobei viele Naturheilverfahren ursprünglich sogar aus der Medizin stammen und auf breiter Front eingesetzt wurden. Eine Herausforderung sind heute die vielen neuen Verfahren. Jedes erfordert dabei eine eigene Methodik, die der Tierheilpraktiker beherrschen muss. ? ? Und doch haben Sie den Tierarztberuf an den Nagel gehängt und sich der Tiernaturheilkunde zugewandt. Warum? Rückblickend gab es da kein einzelnes auslösendes Ereignis. Das Ganze beruhte eher auf einem Prozess, einer Art Reifeprozess. Ich habe viele Jahre als Tierarzt im Zoo gearbeitet sowie in der Groß- und Kleintierpraxis. Hier wurden wir immer wieder mit Fällen konfrontiert, die wir nicht lösen konnten und bei denen es fast schon sittenwidrig gewesen wäre, sie weiter mit den Mitteln der Schulmedizin zu behandeln und Geld dafür zu nehmen. 70 Unfassbar war manchmal für uns, dass Tiere nach der einmaligen Gabe weniger Globuli oder nach ein paar Akupunktursitzungen in spektakulärer Geschwindigkeit alle Beschwerden losgeworden waren. Derartige Geschichten geschahen immer wieder. Und schließlich tauchte meine alte Leidenschaft für die Pflanzenheilkunde wieder auf. Ich begann, mich intensiv mit Phytotherapie und Homöopathie zu beschäftigen, nahm wieder an Kräuterwanderungen teil und hatte auf einmal „Blut geleckt“. Witzig daran ist, dass ich von Kräutern so besessen war, dass ich jedes Pflänzchen in getrocknetem Zustand erkannte – sogar in Pulverform –, aber auf der „grünen Wiese“ kein Auge dafür hatte und sprichwörtlich alles zertrampelte,