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„ Naturheilkunde macht nur Sinn, wenn sie der Schulmedizin als eigenes medizinisches
Paradigma mit seinen ganz spezifischen Denk- und Vorgehensweisen Alternativen bietet“, sagt die Tierheilpraktikerin.
Ob Tierbesitzer manchmal mit ganz konkreten Vorstellungen zu ihr kommen und gezielt eine bestimmte Therapie verlangen? „ Kaum“, sagt Bettina Gutkauf. „ Selbst wenn Kunden persönlich eine bestimmte Methode bevorzugen, weil sie sie vielleicht aus eigener Erfahrung kennen oder davon gehört haben, überlassen sie mir die Wahl. Es kommt recht häufig vor, dass gezielt der Einsatz von Akupunktur oder Homöopathie erwartet wird. Empfehle ich im Einzelfall dann aber beispielsweise Bioresonanz-, Farblicht- oder Aromatherapie, zeigen sich die Kunden gleichermaßen offen dafür.“
So auch Nanna Metzger. Als Bettina Gutkauf ihr für den hibbeligen Balou eine Farblichttherapie vorschlägt, ist sie begeistert. Sie weiß: Auch Stress kann Durchfall verursachen. Zusätzlich soll Balou homöopathisch behandelt werden. Die Mittelfindung verschiebt die Tierheilpraktierin allerdings. „ Das Repertorisieren ist aufwändig, dafür brauche ich Zeit und Ruhe. Außerdem ist der nächste Patient sicher gleich da“.

Spezialistin für Pferde
Während sich Bettina Gutkauf in Hamburg ihrem nächsten Patienten widmet, packt Tierheilpraktikerin Isabella Nill 800 Kilometer weiter südlich in der Nähe von München ihre Utensilien für die Akupunkturbehandlung einer Quarter-Horse Stute aus.
Bei ihr sind im Rahmen einer tierärztlichen Blutuntersuchung zu hohe Muskelwerte festgestellt worden. Auf das Problem aufmerksam wurden die Besitzer, weil die Stute eine ausgeprägte Leistungsschwäche mit Dyspnoe( Atemlosigkeit) und starkem Schwitzen zeigte.
Die Fähigkeit, mit den Händen ins Tier hinein zu spüren, kann kein Gerät ersetzen.“
Unter Nills Arbeitsutensilien befindet sich auch ein kleiner Kasten. Sie sucht nach einer Steckdose im Pferdestall und schließt den Kasten daran an. „ Mit diesem Gerät kann ich meine Tastbefunde überprüfen – das gibt mir mehr Sicherheit, vor allem bei schwierigen Fällen“, sagt sie.
„ Die Fähigkeit, mit den Händen und Fingerspitzen zu sehen und ins Tier hinein zu spüren, kann jedoch kein Gerät ersetzen. Dessen muss man sich als Tierheilpraktikerin bewusst sein.“ Bei Nill bestimmt der individuelle Einzelfall, ob und wieviel Technik zum Einsatz kommt.
Der Puls der Stute ist schnell und dünn, die Zungenspitze erscheint rot. Das Schwitzen findet vor allem nachts statt. „ Für die Akupunktur lautet die Diagnose ‚ Herz Yin Leere‘“, sagt Nill. Nach der Palpation entscheidet sie sich dafür, die Akupunkturpunkte He7 und Pe6 zu stimulieren.
Das Behandlungskonzept der Akupunktur beruht auf dem Energiefluss des Körpers in bestimmten Leitbahnen. Diese werden als Meridiane bezeichnet. Sie verlaufen über den gesamten Körper sowohl beim Tier als auch beim Menschen. Die Traditionelle Chinesische Medizin( TCM) geht davon aus, dass ein Körper erkrankt, wenn der Energiefluss in den Meridianen gestört ist.
Isabella Nill fand durch ihre Tochter zur Naturheilkunde. „ Sie war als Kleinkind lange Zeit sehr krank. Die Schulmedizin konnte ihr nicht helfen, und sie wurde als austherapiert entlassen.“ Erst eine heilpraktische Behandlung hatte Erfolg. „ Ich war so begeistert. Und weil ich mich schon immer für Heilkunde und besonders auch für Tiere interessierte, dachte ich, dass es das, was meiner Tochter so geholfen hatte, auch für Tiere geben musste.“
Akupunktur beeinflusst den Energiefluss in den Meridianen
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