Kreative Innenstadt
Warum ist Kultur- und Kreativwirtschaft eher in der Stadt als auf dem Land ein Standortfaktor?
Prof. Dr. Elmar D. Konrad Professur für Interdisziplinäres Gründungsmanagement und Kreatives Unternehmertum
Leiter des iuh – Institut für unternehmerisches handeln
Hochschule Mainz
EXTERNAL Literaturhinweise
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Zu nennen sind hier die Aussagen des ‚ Monitoring Report 2016‘ des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH( ZEW) & Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI( ZEW / ISI 2016).
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Hierzu liefern die Studien von McGranahan & Wojan 2007; Piergiovanni et al. 2009; DeMiguel-Mulina et al. 2012 interessante Befunde.
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Siehe hierzu die ausfühlichen Befunde zu Einflüssen von sozialen Netzwerken in der KuKw auf den Erfolg bei Konrad 2013.
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Anm.: Neben der aufregenden Dynamik der Großstadt kann es auch die grenzenlose Natur auf dem Land sein( White 2010).
Ein analytischer Ansatz aus der Perspektive der kreativen und kulturschaffenden Akteurinnen und Akteure
1. Kreativsektor als Standortfaktor & Standortfaktoren für den Kreativsektor
Die Kultur- und Kreativwirtschaft( KuKw) ist einerseits ein Standortfaktor für andere Unternehmen und andererseits selbst Nutznießerin weicher und harter Standortfaktoren eines Ortes oder einer Region. Der Schwerpunkt des Diskurses über die KuKw liegt vorwiegend auf den Großstädten. Die vielfältige kreative Arbeit in ländlichen Regionen bleibt meist außen vor. Jedoch zeigen regionale Kreativwirtschaftsberichte aber durchaus, dass es auch abseits der städtischen Cluster eine rege KuKw gibt. 1 Eine wesentliche Motivation für die Beschäftigung mit der KuKw ist ihre Funktion als Standortfaktor für eine Region und hier insbesondere auch für Innenstädte aber auch städtische soziale Brennpunkte. Kunst, Kultur und eine vitale Kreativszene machen eine Stadt attraktiv, ziehen qualifizierte Arbeitskräfte an und geben Impulse für Innovationen und Gründungen in der Wirtschaft. 2
Im Folgenden werden die Standortfaktoren aus Sicht der Akteurinnen und Akteure der KuKw sowie die Umfeldbedingungen für deren Gründungen in den Mittelpunkt gestellt. Eine Perspektive ist der Creative-Cities oder Creative-Class Ansatz von Richard Florida( 2004), der besagt, dass ein kreatives Milieu – und hier vor allem in Bezug auf städtische und großstädtische Gebiete – andere kreative Menschen anzieht.
Eine andere Perspektive sind agglomerationsbasierte Ansätze. Unter diesen ist der bekannteste der Cluster-Ansatz von Porter( 1998). Er bezieht sich auf natürliche Standortfaktoren wie die Nähe zu einer Ressourcenquelle, eine strategische Lage im Verkehrssystem, billige lokale Arbeitskräfte oder günstiges Terrain. Urbane Regionen sind in dieser Hinsicht im Vorteil. Gerade in der KuKw, in der wichtige Beziehungen in sozialen Netzwerken aufgebaut werden und wo die Beschäftigung von Freiberuflerinnen und Freiberufler der Einstellung von Festangestellten vorgezogen wird, ist ein Cluster von unschätzbarem Wert. 3 Neben vielen anderen wichtigen Effekten bietet ein solches Cluster die Möglichkeit des brancheninternen Vergleichs. So verfügen z. B. öffentliche Förderstellen und Finanzinstitute aufgrund der hohen Anzahl ähnlicher KuKw-Unternehmen über Erfahrungs- und Vergleichswerte. Durch deren KuKw-Branchenkenntnisse können sie auch neue Geschäftsmodelle besser einschätzen und so Informationsasymmetrien bei der Vergabe von Fördermitteln und Krediten abbauen.
2. Der Wissenspool in der Kulturund Kreativwirtschaft
Ein Konzept, das sich sehr gut für die Beschreibung und Erklärung der städtischen Konzentration aus Sicht der KuKw-Akteurinnen und Akteure eignet, ist das Wissenspool-Modell von Chapain und Comunian( 2010). Das Wissenspool-Modell besteht aus vier Ebenen, welche die Nähe zur kulturellen und kreativen Produktion angeben.
→ In diesem Ansatz stehen im Zentrum die kreativen Persönlichkeiten und Akteurinnen und Akteure selbst, die eine emotionale und kulturelle Verbindung zu ihrem Wohn- oder Arbeitsort haben( Ebene I: Kultur- und Kreativakteurinnen und-akteure). Sie schöpfen Energie und Inspiration für ihre kreative Arbeit aus ihrem Standort. 4
→ Die Ebene II( Kultur- und Kreativunternehmen) kann mit dem oben beschriebenen Cluster-Ansatz verglichen werden, da
70 Stadt Visionen – Wissen, Kreativität und Kultur in der Innenstadt der Zukunft