Sonntagsblatt 6/2016 | Page 15

Die neueste serbische Historio - graphie über die Donauschwaben
nach Pannonien – der damaligen römischen Provinz im heutigen Ungarn – zurück .
Er wollte dort missionieren und taufte zuerst seine Mutter . In den Streitigkeiten um den Arianismus wurde Martinwieder ausgewiesen und zog sich nach mancherlei Wundern und Abenteuern über Mailand , wo ihm Ambrosius begegnet sein mag , auf die kleine Insel Gallinaria vor Albenga im Golf von Genua .
Er führt ein Einsiedlerleben , bis ihn Bischof Hilarius 360 nach Poitiers zu - rückrief . Martin errichtete in Ligugé in der Nähe von Pointers 361 eine Einsied - lerzelle , aus der das erste Kloster Galliens wuchs . Martin wurde 371 auf Drängen des
Volkes Bischof von Tours , trotz Vorbe - halten seitens des Klerus und gegen seinen Willen . Die Legende berichtet , er habe sich in einem Stall versteckt , um der Wahl zu entgehen , doch hätten ihn die Gänse durch ihr Schnattern verraten .
Der volkstümliche Brauch der Martinsgans , die man vielerorts zum Martinsfest verzehrt , rührt wohl von dieser Geschichte her .
Eine andere Überlieferung berichtet : Als Martin als Bischof predigte , wurde er durch eine Schar schnatternder Gänse , welche in die Kirche watschelten , unterbrochen . Sie wurden gefangen genommen und zu einer Mahlzeit verarbeitet
Beim Volk war Martin beliebt als ein gerechter , treusorgender Bischof . Seine Missionsreisen führten ihn durch das ganze Bistum , überall kümmerte er sich um Missstände . Auch in seinem hohen Amt verzichtete er auf alle Sonderrechte und zog sich in armseligen Holzhütten vor der Stadt zurück .
Aus dieser Einsiedelei entwickelte sich das Kloster Marmoutier , das zu einem bedeutenden religiösen Zentrum wurde .
Alle Legenden betonen Martins schlichte Lebensart und demütige Haltung : Er putzte selbst seine Schuhe und saß nicht auf der bischöflichen Kathedra , sondern auf einem Bauernschemel . Als er seinen Rock einem Armen gab und der für ihn auf dem Markt neu gekaufte zu kurze Ärmel hatte , bekleideten ihn Engel während der Messe .
Bei einem Mahl mit dem Kaiser ließ dieser Martin den Pokal zuerst reichen , er aber gab ihn nicht dem Kaiser zurück , sondern an seinen Priester weiter . Seine Askese brachte ihm aber immer wieder die Gegnerschaft des Klerus ein .

Blick über die Grenze

Fortsetzung – 2 . Teil u . Ende
Zoran Janjetovic

Die neueste serbische Historio - graphie über die Donauschwaben

... Im Juni 2007 wurde an der Filosophischen Fakultät der Universität Novi Sad eine Magisterarbeit von Vladimir Barovic unter dem Titel „ Der Einfluss der NS-Ideologie und die Bedeutung der Medien für die politische Ereignisse unter den Vojvodina – Deutschen in der Zwischenkriegszeit ” 1 verteidigt . Der Verfasser ist bemüht objektiv zu sein , und keine ideologischen Urteile zu fällen . Daran liegt die Hauptstärke dieser Arbeit . Sonst bringt sie wenig Neues . Wie die Arbeit von Baji . ist sie teilweise zu ausschweiflich , und zwar über die Dinge die nur in losem Zusammenhang mit dem Thema stehen . 2 Der
Akzent der eigentlich and der Presse liegen sollte , spürt man nur ab und zu – und gerade das konnte und sollte ein neuer Beitrag sein . Sonst erzählt der Verfasser die schon bekannte Geschichte vom Streit innerhalb des Kulturbundes und vom endgültigen Sieg der » Erneuerer «. 3
Im 9 . Kapitel , » Kulturbund – Fünfte Kollone oder patriotische Organisation «, wiederholt er das schon Bekanntes über die Tä - tigkeit der Führung und eines Teiles des Deutsch-Schwäbischen Kulturbundes in den letzten Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg . Dabei hinterfragt Barovic die alte Literatur nicht , obwohl er einige neue Dokumente benutzt . Seiner Meinung nach handelte ein Teil des Kulturbundes als Fünfte Kollone , aber er bemüht sich nicht zu ergründen wie groß dieser Teil war . Was aber neu in serbischer Historiographie ist , ist sein Bestreben die Handlung der Kommunistischen Partei Jugoslawiens im Kontext der Fünften Kollone zu sehen . Er sieht seine Tätigkeit als nichts weniger illoyal als die Handlung eines Teiles des Kulturbundes . Diese Idee ist im donauschwäbischen Schrifttum nicht neu , aber Barovic kommt zum gleichen Schluß , ohne diese Literatur zu benutzen . Nicht nur das . Wenn jemand diese Sichtweise als billiger und modischer Antikommunismus abtun könnte , konnte man dies nicht sagen für Barovi . s Behandlung mancher serbischen bürgerlichen Parteien , Organisationen und Persönlichkeiten die auch mit den ausländischen Mächten gegen ihr Land , für Geld oder aus ideologischen Gründen , konspirierten . Grob gesagt , er sieht die Serben als nicht mehr oder die Deutschen als nicht weniger loyal gegenüber dem Staat . Gerade dies ist ein Novum in serbischer Historiographie und in dieser sonst ganz mittelmäßigen Arbeit .
Eine andere Magisterarbeit die noch immer nur als Manuskript vorliegt ragt unter anderen publizierten und nichtpublizierten Wer ken hervor . Es handelt sich um die Magisterarbeit von Mihael Antolovic „ Die Politik der deutschen Minderheit in der Donau - bannschaft ( 1929 – 1941 )” 4 die im Mai 2008 an der Philosophischen Fakultät der Universität Novi Sad verteidigt wurde . Auch hier handelt es sich um ein Werk das inhaltlich wenig Neues bringt , aber zum Unterschied von anderen bisher behandelten Werken , hier haben wir mit einer ausgezeichnet geschriebenen Magis - terarbeit zu tun , wo praktisch die ganze relevante Literatur auf serbisch , deutsch und englisch beachtet wurde . Zum Unterschied von Bajic und Barovic , hier gibt es keine Digressionen . Die Be - wertung der einschlägigen Fachliteratur ist kritisch , die Kom - position gut und die Sichtweise sachlich und objektiv . Die ganze Arbeit macht den Eindruck eines wohlgerundeten Ganzen .
Die Story die sie erzählt ist freilich nicht unbekannt : der Ver - fasser schildert kurz die Ansiedlung der Donauschwaben und ihre Geschichte bis 1918 . 5 Weiter beschreibt Antolovic die Lage und die Entwicklung der deutschen Minderheit im Königreich der Ser - ben , Kroaten und Slowenen , 6 und geht dann an die Schilderung der Prozesse und Ereignisse seit 1929 über . Obwohl er über diese Zeitspanne nichts Neues zu sagen hat , gebraucht Antolovi . die zugängliche Literatur und zeitgenössische Presse auf eine kreative Weise . Dabei fällt er keine moralische oder ideologische Urteile so dass seine Arbeit als ganz wissenschaftlich bezeichnet werden muss . Erfreulicherweise hat Antolovic , der Lehrer an der Somborer Pedagogischen Hochschule ist , die Absicht sich mit dem Thema weiter zu beschäftigen . Sein Aufsatz » Politische Organisierung der Deutschen in Syrmien Anfang des 20 . Jahrhunderts « wurde schon in der Zeitschrift des Historischen Archivs Syrmiens veröffentlicht . 7 Ein anderer Artikel über die Deutschen in Südungarn im 19 . Jahrhundert steht vor der Veröffentlichung in der angesehenen Zeitschrift der Matica Srpska . 8 Die beiden zeigen die gleichen Merkmale der wissenschaftlichen Objektivität und Gründ -
( Fortsetzung auf Seite 16 )
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