Sonntagsblatt 6/2015 | Page 19

und zum Tod verurteilt worden sein . Nach Jahren geht auch ihr Enkel László in die Fremde . László , den ihr Sohn Leopold mit der Magd Anuschka gezeugt hat .
Vor dem Krieg sei es unvorstellbar gewesen , dass in Werschetz ein Deutscher auf einen Jugoslawen geschossen hätte , und umgekehrt ebenfalls , erzählt Oma Aloisia . Mit dem Krieg ist alles eskaliert . Für einen umgebrachten deutschen Soldaten wurden 30 Ju - go slawen erschossen oder erhängt , Zivilisten , die nichts von Par - tisanen wissen wollten . Mit gleicher Münze haben Titos Parti - sanen es den Banater Deutschen am Kriegsende heimgezahlt . Sie erschossen die alten Männer und die Jünglinge auf der Schin - derwiese , Kinder und Frauen kamen in Lager , ein Teil nach Russ - land .
Der Vermieter der Wohnung , in der die Heimatbesucher untergekommen sind , ermuntert Ferdinand und seine Kinder , ihr ehemaliges Eigentum vom serbischen Staat zurückzufordern . Sie zaudern , doch schließlich stellen sie den Antrag . Am Ende erhält die Familie einen Teil ihrer Weinberge zurück .
Lange Jahre kann Aloisia nicht ins Ausland reisen . Doch dann ist es eines Tages soweit : Sie besucht ihre Enkel in Deutschland , sieht Ihre Urenkel , kehrt nach Werschetz zurück , um ein paar Wochen danach zu sterben .
In einem Art Nachwort zur Entstehung des Buches schreibt die in Sindelfingen geborene Autorin , die mit ihrer Familie in Argen - tinien lebt , dass nur sehr wenige die Geschichte der Donauschwa - ben kennen . „ Die Leidensgeschichte des jüdischen Volkes ist in vielen Büchern und Filmen bearbeitet und verarbeitet worden .” Und Nicola Schorm fragt : „ Doch gibt es genügend Werke über die Not und über das Leiden der vielen Vertriebenen ? Derer , die überlebt haben , und der Unzähligen , die gefoltert , misshandelt , erfroren , verhungert , erschlagen , erschossen , nie wieder ihre Fa - milie sahen , namenlos verscharrt , ohne Gedenkstein , ohne Ge - sicht , ohne Gerechtigkeit , ohne Würde , ohne dass wenigstens das Bewusstsein ihres Leidens in den Köpfen der Menschen etwas veränderte ?”
Nicola Schorm beschreibt einfühlsam das Schicksal einer Familie . Dieses Schicksal steht stellvertretend für jenes vieler Deutscher nach dem Krieg . Die Autorin legt mit „ Alte Heimat . Fremdes Land ” ein kurzweiliges , lesenswertes Buch vor . Eines fehlt ihm aber : eine Hand voll Beistriche . jst
Nicola Schorm : Alte Heimat . Fremdes Land . Eine Erzählung , Omnino-Verlag , Berlin 2015 , 156 Seiten , ISBN 978-3-95894-011-6
Rezension
Der Ackermann aus Rudolfsdorf . Eine Tragödie in drei Akten
Anklage und Schuldbekenntnis
Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen für die Donauschwaben be schäftigt junge Literaten auch heute noch . Zu ihnen gehört Pe - ter Wassertheurer , geboren 1964 in Spittal an der Drau in Kärn ten . Während sich die meisten Autoren der Narration bedienen , hat der promovierte Wassertheurer das Theater als Ausdrucks form gewählt . „ Der Ackermann aus Rudolfsdorf . Eine Tragödie in drei Akten ” nennt er sein Stück , das die letzten Tage des Zwei ten
Weltkriegs in Südosteuropa zum Thema hat . Bühne des Geschehens ist Rudolfsdorf , eigentlich Rudolfsgnad im Norden der Batschka nahe der serbisch – ungarischen Grenze . Serbische Partisanen verwandeln Rudolfsgnad im Herbst 1944 , noch bevor die sowjetischen Truppen einmarschiert sind , in ein Konzentra - tions lager für Donauschwaben , in dem die deutsche Bevölkerung einen brutalen Überlebenskampf führt , den viele verlieren . Die Zustände im Lager sind von Krankheit , Hunger , Gewalt und der Allgegenwart des Todes gekennzeichnet .
Ein junger katholischer Priester wird ins Lager eingeschleust , um einer jungen Mutter die Sterbesakramente zu geben . Er kommt jedoch zu spät . Die Frau ist schon tot . Ihre drei kleinen Kinder beweinen ihre Mutter . Zwei Frauen nehmen sich der Kin - der an . In diesem Moment erscheint ein serbischer Partisan , der Lagerkommandant . Zwischen Priester und Offizier beginnt ein Dialog , in dem der Priester das Unrecht im Lager anprangert und den Offizier für den Tod der Frau verantwortlich macht . Der Offi - zier verteidigt das Lager als Symbol des neuen Gesellschafts - systems , dem die bäuerliche , traditionelle Ordnung der Donau - schwa ben geopfert wird . Der Priester wird zum Ankläger , der aber anerkennt , dass ein Teil seiner deutschen Landsleute Schuld auf sich geladen haben , weil sie zu Helfern der Besatzer geworden sind .
Später erscheint ein Richter , um im Namen der irdischen Gesetze Recht zu sprechen . Er verurteilt die Donauschwaben dafür , dass sich ein Teil von ihnen dem deutschen Besatzungs - regime dienstbar gemacht hatte , mahnt aber die Partisanen zu mehr Gerechtigkeit und Menschlichkeit . Sein Urteil bleibt ausgewogen , ohne dass die Schuld an den Grausamkeiten des Krieges und im Lager einer Seite zugeschoben wird . Der Richter spricht den Schuldigen Schuld , den Unschuldigen jedoch Unschuld zu . Das Schicksal der Donauschwaben wird jedoch vom Richter nicht in Frage gestellt , da er sich dafür nicht verantwortlich fühlt . Das Stück endet mit dem Freitod des Priesters , der sich angesichts des Elends und seiner Zweifel an Gott nicht mehr dem Selbstmord - verbot der katholischen Kirche verpflichtet fühlt . Der Geistliche fragt sich : „ Wie kann dieses Unrecht der Wille eines liebenden Gottes sein ?” Und im selben Monolog stellt er fest : „ In dieser Welt will ich kein Diener Gottes mehr sein .” Der Offizier wird infolge des Grauens zum Säufer . Ein Politkommissar und ein Sekretär , eigentlich ein Untergebener des Kommandanten , sorgen dafür , dass der Lagerleiter in eine Irrenanstalt eingeliefert wird . Der Teil der Überlebenden des Internierungslagers gelangt mit fremder Hilfe über Ungarn nach Österreich oder Deutsch - land . jst
Peter Wassertheurer : Der Ackermann aus Rudolfsdorf . Eine Tragödie in drei Akten , 92 Seiten , Preis 12,80 Euro , Verlag gsg medien , Waiblingen , ISBN : 3-937984-18-6
Gedichtband Wassertheurer
Worte des Autors Der Gedichtband „ Gegenüber der Grenze ” enthält Gedichte , die im Laufe der letzten zehn Jahre bei meinen Reisen in die Länder der volksdeutschen Heimatvertriebenen entstanden sind . Immer wieder stand ich auf Friedhöfen , deren Böden mit Gestrüpp übersät waren , sah verfallenes Mauerwerk stolzer Bauernhäuser von einst , sah die trostlosen Ruinen eingestürzter Kirchentürme oder entdeckte im verwilderten Gras Steinhaufen , die mir verrieten , dass hier einmal ein deutsches Dorf gestanden hatte . Und in diesen Momenten stellte ich mir das Leben der Menschen vor , denen das alles einmal Heimat war . Wann immer ich meine Augen
( Fortsetzung auf Seite 20 )
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