Sonntagsblatt 6/2015 | Page 22

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Konrad-Adenauer-Straße und -Büste in Budapest eingeweiht

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mein ( ungarn- ) deutschtum ( 21 )

Bloggerin Rita Steckl aus Sankt Iwan bei Ofen im Gespräch
– Rita , Du stammst aus einer Werischwarer schwäbischen Familie . Er zäh le bitte über deine Familie ! – Ja , genau . Ich lebe jetzt in Sankt Iwan , aber stamme aus einer Werischwarer schwäbischen Familie . Alle meine Vorfahren waren Ungarndeutsche , also ich kann stolz sagen , dass ich eine 100 % -ige Schwäbin bin . Meine Mutter heißt Manhercz , und unter den Groß- und Urgroßeltern sind auch nur schwäbische Familien - namen zu finden : Schreck , Peller , Kimmel … Leider waren aber die Traditionen , Bräuche nicht so wichtig in meiner Familie , als ich noch Kind war . Meine Omas haben die Tracht in den letzten Jahrzehnten nicht mehr getragen , meine Eltern wurden auch nicht so erzogen . Aber den Dialekt haben alle meine Großeltern bis ans Lebensende alltäglich benutzt , meine Oma hat sehr viel mit mir schwäbisch gesprochen . Das kam mir auch zunutze , denn ich verstehe immer noch sehr viel davon . – Welche Rolle spielte , spielt die deutsche Sprache in deiner Familie ? – Die deutsche Sprache war immer enorm wichtig in meinem Leben . Im Kindergarten habe ich schon angefangen , deutsch zu sprechen und ich habe auch Verwandte in Deutschland . Sie haben uns mehrmals im Jahr besucht , mit meinen Cousinen habe ich nur deutsch gesprochen . Da der Dialekt und auch das Hochdeutsche schon als Kleinkind in meinem Leben anwesend waren , würde ich die Beziehung folgendermaßen beschreiben : Wenn ich den Dia - lekt oder deutsche Wörter höre , ist es für mich immer ein „ kleines Zuhause ”. – Du sprichst ausgezeichnet deutsch . Liegt das nur an dem familiären Hintergrund ? – Nein . Im Kindergarten haben wir schon deutsche Wörter , Lie - der gelernt . In der Grundschule hatte ich ausgezeichnete Deutsch leh rer ( Frau Judit Lazri muss ich nicht vorstellen ), und in der 5 – 8 . Klasse hatten wir eine Lehrerin aus Deutschland . Es war toll , da wir in den Stunden kein einziges ungarisches Wort gehört haben . In der Fachmittelschule habe ich eine zweisprachige Klasse be sucht , wo wir neben den sechs Deutschstunden auch noch andere Fächer auf Deutsch gelernt haben . Ich mochte es sehr , für mich war es immer leichter , einen Text z . B . auf Deutsch zu lernen . – Wie würdest du dich selbst definieren ? Was bist Du ? Deutsche , Schwä bin , Ungarndeutsche , Sanktiwanerin ? – Interessante Frage , ich habe noch nicht so richtig nachgedacht … In meiner jetzigen Lage würde ich sagen , ich bin eine Schwäbin in Ungarn . – Du betreibst den Blog „ Pilischer Schwaben ?” Was hat dich dazu veranlasst , diesen Blog ins Leben zu rufen ? Was sind deine Ziele mit dem Blog ? – Mein Blog „ Pilischer Schwaben ” ( Pilisi Sváb Hírmondó , www . pilisisvabok . blogspot . hu ) existiert schon seit drei Jahren . Ich stamme aus einer Familie , für die die Traditionen , unser Erbe nicht so wichtig sind . Als ich selber eine Familie gegründet habe , wurden mir meine Wurzeln wichtiger . Als ich mit der Recherche begann , habe ich keine Internetseite über die Pilischer Schwaben , also meine engere Heimat – Sankt Iwan bei Ofen , Werischwar , Schau mar – gefunden . Diese drei Gemeinden sind so nah zueinander , aber es kam oft vor , dass die Werischwarer über die traditionellen Programme von Schaumar z . B . keinerlei Informationen hatten . Ich dachte , das kann so nicht weitergehen – wir Schwaben werden immer weniger sein , wir müssen zusammenhalten und einander kennen lernen . Dieser Blog war nur der erste Schritt , denn ich habe dadurch viele nette Schwaben kennen gelernt .
Auch den Eintritt in die Kompanei verdanke ich diesem Blog . Die Reaktio nen waren und sind immer noch positiv , ich hoffe , dass ich so der Traditionspflege ein bisschen beitragen kann . – Die Seite enthält im Moment vornehmlich ungarische Inhalte . Hat das etwas mit der Sprachsituation der Pilischer Schwaben zu tun ? – Du meinst , warum die Artikel nicht auf Deutsch übersetzt wurden ? Nein , das hat leider mit Zeit- und Kapazitätenmangel zu tun . Obwohl ich gut Deutsch sprechen und schreiben kann , ist es für mich ein großer Zeitaufwand , bis ich alles übersetze . Ich hoffe zumindest , dass es sich bald ändert und auch die Leser dann in Deutschland meinen Blog lesen können . Aber in der Tat : Es ist nicht charakteristisch , dass mich hiesige Schwaben nach deutschen Inhalten fragen : Bisher waren es nur zwei in der Gegend lebende Schwaben . – Du bist Mutter dreier Kinder : Wie versuchst Du die deutsche Identität ( und Sprache ) weiterzugeben ? – „ Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen : Wurzeln und Flügel .” ( J . W . Goethe )
Diesen Gedanken kann ich mich nur anschließen . Ich halte es für sehr wichtig , dass die deutsche Sprache ein Teil unseres Familienlebens ist , auch wie es in meiner Kindheit war . Wir hören uns jeden Tag deutsche Kinderlieder an , oft schauen sie deutsche Märchen an . Im Kindergarten haben sie auch schon viele Wörter gelernt , sogar einige schwäbische Reime können sie bereits vorsagen . Sie haben auch Volkstanzunterricht , zu Hause hören sie gern Volksmusik . Meine große Tochter habe ich manchmal auf die Proben von der Kompanei mitgenommen , sogar das neue Stück hat sie angeschaut . Ich hoffe , dass dies alles ein guter Start für sie ist , und sie auf Ihre Identität mal stolz sein werden und sie die Traditionen weiterpflegen werden . – Wie siehst du die Zukunft der deutschen Minderheit in Ungarn ? Wo liegt unsere Verantwortung als Akademiker ? – Unsere Verantwortung ist sehr groß . Wir sind die letzte Gene - ration , die noch Kontakt zu den „ alten ”, zu der älteren Generation hat , die die alten Bräuche , Traditionen , die Sprache noch gut kennt . Unsere Aufgabe ist , dieses Erbe zu pflegen und weiterzugeben . Wenn wir das nicht tun , wer wird es dann sonst machen ? Wir haben keine leichte Aufgabe , da es sehr schwierig ist , die nach kommenden Generationen zu motivieren . Wir können sie nur mit ihren eigenen Mitteln , d . h . über das Internet , Facebook etc . ansprechen . Auch die Traditionen müssen zum Geschmack der modernen Generationen interpretiert werden . Außerdem ist es noch wichtig , dass wir als eventuelle „ Vorbilder ” existieren , – also tun , tun , tun ! – Liebe Rita , vielen Dank für das Gespräch .
Das Gespräch führte : Richard Guth
Ungarndeutsches Kultur- und Informationszentrum

Konrad-Adenauer-Straße und -Büste in Budapest eingeweiht

Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung und Präsident des Europäi - schen Parlaments a . D ., Hans-Gert Pöttering , hat am 4 . November 2015 in Budapest im Rahmen einer Feierstunde die erste Büste von Konrad Adenauer in Ungarn feierlich enthüllt . Zu diesem Anlass wurde auch das Schild der Konrad-Adenauer-Straße im Budapester Stadtwäldchen eingeweiht .
In seiner Ansprache vor Gästen aus Politik , Wirtschaft , Wissen - schaft und Bürgergesellschaft betonte der Stiftungsvorsitzende die Bedeutung des Ungarnaufstandes für die Freiheit des Kontinents . Die Einigung Europas sei erst möglich geworden , als 1989
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