und zum Tod verurteilt worden sein. Nach Jahren geht auch ihr Enkel László in die Fremde. László, den ihr Sohn Leopold mit der Magd Anuschka gezeugt hat.
Vor dem Krieg sei es unvorstellbar gewesen, dass in Werschetz ein Deutscher auf einen Jugoslawen geschossen hätte, und umgekehrt ebenfalls, erzählt Oma Aloisia. Mit dem Krieg ist alles eskaliert. Für einen umgebrachten deutschen Soldaten wurden 30 Ju- go slawen erschossen oder erhängt, Zivilisten, die nichts von Par- tisanen wissen wollten. Mit gleicher Münze haben Titos Parti- sanen es den Banater Deutschen am Kriegsende heimgezahlt. Sie erschossen die alten Männer und die Jünglinge auf der Schin- derwiese, Kinder und Frauen kamen in Lager, ein Teil nach Russ- land.
Der Vermieter der Wohnung, in der die Heimatbesucher untergekommen sind, ermuntert Ferdinand und seine Kinder, ihr ehemaliges Eigentum vom serbischen Staat zurückzufordern. Sie zaudern, doch schließlich stellen sie den Antrag. Am Ende erhält die Familie einen Teil ihrer Weinberge zurück.
Lange Jahre kann Aloisia nicht ins Ausland reisen. Doch dann ist es eines Tages soweit: Sie besucht ihre Enkel in Deutschland, sieht Ihre Urenkel, kehrt nach Werschetz zurück, um ein paar Wochen danach zu sterben.
In einem Art Nachwort zur Entstehung des Buches schreibt die in Sindelfingen geborene Autorin, die mit ihrer Familie in Argen- tinien lebt, dass nur sehr wenige die Geschichte der Donauschwa- ben kennen. „ Die Leidensgeschichte des jüdischen Volkes ist in vielen Büchern und Filmen bearbeitet und verarbeitet worden.” Und Nicola Schorm fragt: „ Doch gibt es genügend Werke über die Not und über das Leiden der vielen Vertriebenen? Derer, die überlebt haben, und der Unzähligen, die gefoltert, misshandelt, erfroren, verhungert, erschlagen, erschossen, nie wieder ihre Fa- milie sahen, namenlos verscharrt, ohne Gedenkstein, ohne Ge- sicht, ohne Gerechtigkeit, ohne Würde, ohne dass wenigstens das Bewusstsein ihres Leidens in den Köpfen der Menschen etwas veränderte?”
Nicola Schorm beschreibt einfühlsam das Schicksal einer Familie. Dieses Schicksal steht stellvertretend für jenes vieler Deutscher nach dem Krieg. Die Autorin legt mit „ Alte Heimat. Fremdes Land” ein kurzweiliges, lesenswertes Buch vor. Eines fehlt ihm aber: eine Hand voll Beistriche. jst
Nicola Schorm: Alte Heimat. Fremdes Land. Eine Erzählung, Omnino-Verlag, Berlin 2015, 156 Seiten, ISBN 978-3-95894-011-6
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Rezension
Der Ackermann aus Rudolfsdorf. Eine Tragödie in drei Akten
Anklage und Schuldbekenntnis
Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen für die Donauschwaben be schäftigt junge Literaten auch heute noch. Zu ihnen gehört Pe- ter Wassertheurer, geboren 1964 in Spittal an der Drau in Kärn ten. Während sich die meisten Autoren der Narration bedienen, hat der promovierte Wassertheurer das Theater als Ausdrucks form gewählt. „ Der Ackermann aus Rudolfsdorf. Eine Tragödie in drei Akten” nennt er sein Stück, das die letzten Tage des Zwei ten
Weltkriegs in Südosteuropa zum Thema hat. Bühne des Geschehens ist Rudolfsdorf, eigentlich Rudolfsgnad im Norden der Batschka nahe der serbisch – ungarischen Grenze. Serbische Partisanen verwandeln Rudolfsgnad im Herbst 1944, noch bevor die sowjetischen Truppen einmarschiert sind, in ein Konzentra- tions lager für Donauschwaben, in dem die deutsche Bevölkerung einen brutalen Überlebenskampf führt, den viele verlieren. Die Zustände im Lager sind von Krankheit, Hunger, Gewalt und der Allgegenwart des Todes gekennzeichnet.
Ein junger katholischer Priester wird ins Lager eingeschleust, um einer jungen Mutter die Sterbesakramente zu geben. Er kommt jedoch zu spät. Die Frau ist schon tot. Ihre drei kleinen Kinder beweinen ihre Mutter. Zwei Frauen nehmen sich der Kin- der an. In diesem Moment erscheint ein serbischer Partisan, der Lagerkommandant. Zwischen Priester und Offizier beginnt ein Dialog, in dem der Priester das Unrecht im Lager anprangert und den Offizier für den Tod der Frau verantwortlich macht. Der Offi- zier verteidigt das Lager als Symbol des neuen Gesellschafts- systems, dem die bäuerliche, traditionelle Ordnung der Donau- schwa ben geopfert wird. Der Priester wird zum Ankläger, der aber anerkennt, dass ein Teil seiner deutschen Landsleute Schuld auf sich geladen haben, weil sie zu Helfern der Besatzer geworden sind.
Später erscheint ein Richter, um im Namen der irdischen Gesetze Recht zu sprechen. Er verurteilt die Donauschwaben dafür, dass sich ein Teil von ihnen dem deutschen Besatzungs- regime dienstbar gemacht hatte, mahnt aber die Partisanen zu mehr Gerechtigkeit und Menschlichkeit. Sein Urteil bleibt ausgewogen, ohne dass die Schuld an den Grausamkeiten des Krieges und im Lager einer Seite zugeschoben wird. Der Richter spricht den Schuldigen Schuld, den Unschuldigen jedoch Unschuld zu. Das Schicksal der Donauschwaben wird jedoch vom Richter nicht in Frage gestellt, da er sich dafür nicht verantwortlich fühlt. Das Stück endet mit dem Freitod des Priesters, der sich angesichts des Elends und seiner Zweifel an Gott nicht mehr dem Selbstmord- verbot der katholischen Kirche verpflichtet fühlt. Der Geistliche fragt sich: „ Wie kann dieses Unrecht der Wille eines liebenden Gottes sein?” Und im selben Monolog stellt er fest: „ In dieser Welt will ich kein Diener Gottes mehr sein.” Der Offizier wird infolge des Grauens zum Säufer. Ein Politkommissar und ein Sekretär, eigentlich ein Untergebener des Kommandanten, sorgen dafür, dass der Lagerleiter in eine Irrenanstalt eingeliefert wird. Der Teil der Überlebenden des Internierungslagers gelangt mit fremder Hilfe über Ungarn nach Österreich oder Deutsch- land. jst
Peter Wassertheurer: Der Ackermann aus Rudolfsdorf. Eine Tragödie in drei Akten, 92 Seiten, Preis 12,80 Euro, Verlag gsg medien, Waiblingen, ISBN: 3-937984-18-6
Gedichtband Wassertheurer
Worte des Autors Der Gedichtband „ Gegenüber der Grenze” enthält Gedichte, die im Laufe der letzten zehn Jahre bei meinen Reisen in die Länder der volksdeutschen Heimatvertriebenen entstanden sind. Immer wieder stand ich auf Friedhöfen, deren Böden mit Gestrüpp übersät waren, sah verfallenes Mauerwerk stolzer Bauernhäuser von einst, sah die trostlosen Ruinen eingestürzter Kirchentürme oder entdeckte im verwilderten Gras Steinhaufen, die mir verrieten, dass hier einmal ein deutsches Dorf gestanden hatte. Und in diesen Momenten stellte ich mir das Leben der Menschen vor, denen das alles einmal Heimat war. Wann immer ich meine Augen
( Fortsetzung auf Seite 20)
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