Sonntagsblatt 4/2020 | Page 5

Auch das auch heute noch lebendige Adventssingen , das jedes Jahr woanders stattfindet , ist in dieser Wendezeit entstanden .” Was Mayer schon immer beanstandet hat , war bzw . ist die Tatsache , dass die Kinder in der Schule zwar Deutsch lernen und wie er sagt , ganz gute Kenntnisse erwerben würden , aber dass man es nicht erreicht habe , deutschsprachigen Religionsunterricht anzubieten ( was beispielsweise bei den Fünfkirchener Kroaten durchaus gegeben sei ). „ Wie soll daraus deutschsprachige Liturgie mit Predigt erwachsen ?”, stellt Mayer die Frage . Damals habe man sogar das Problem gehabt , keine liturgischen Bücher zu besitzen . „ Wir lesen zwar Messen , aber trauen uns nicht , frei zu sprechen ”, gewährt der Altbischof in die Psychologie des Fehlens deutschsprachiger Predigten einen Einblick – neben fehlenden Sprachkenntnissen bei vielen als weiterer Faktor . Dass es anders geht , zeigt ein Erlebnis aus Maria-Radna im Banat . Mayer war damals als junger Kaplan in Rumänien unterwegs , wo er eine Kirche erblickte . Er war nach eigenen Angaben die ganze Zeit am Überlegen , wie er auf Latein den Grund seines Kommens erklären könnte , als er in der Sakristei die Kinder hörte , die sich auf Deutsch unterhielten . „ Die deutsche Sprache ist im Banat bis heute erhalten geblieben , eine ganz andere Entwicklung als bei uns . So sprach und betete Altbischof Martin Roos , der Vorgänger des jetzigen Bischof Csaba-Josef Pál , der als Sekler selber dreisprachig ist , mit seinen Priesterkollegen auf Deutsch . Dreisprachig zu sein ist dort selbstverständlich .” Daher stellt sich für ihn die Frage , ob die Deutschen so leben könnten , wie man es den Madjaren außerhalb der Landesgrenzen wünscht . Auch hier gelte es : Ohne Schule und Führungsschicht könne man keine kleine Gemeinschaft wie das Ungarndeutschtum erhalten . Selbstkritisch merkte er an , dass man als Einzelner keine Wunder bewirken könnte .
„ Ich war der Anfang ”, so erinnert sich der Altbischof an die Umstände seiner Abdankung 2011 . Man habe sich eine liberale Linie gewünscht und führte eine Medienkampagne , die einem Rufmord geähnelt habe , so Mayer . Als er das Gefühl hatte , dass sich niemand hinter ihn stellte , auch nicht der Nuntius , und „ alle zwei Wochen Beschwerdebriefe kamen , entschied ich mich dafür , als einfacher Priester weiterzumachen . Man hat mir dazu geraten , nach Deutschland zur Kur zu gehen , aber ich habe nichts zu verstecken , so blieb ich auch hier .”
Dieses Leben sei eines nach einem festen Tagesplan : Gegen 5:30 - 6:00 Aufstehen , danach Beichte abnehmen , 7:00 Messe , 8:00 Frühstück , danach Gebet , Lesen , Mails checken , nach dem Mittagsessen Siesta , Lesen , Abendessen und Nachruhe . Zweimal pro Woche liest er statt der Frühmesse eine Abendmesse , Er hat nach eigenem Bekunden Glück , von einer Schwester versorgt zu werden . „ Ich bin weder Bischof noch Pfarrer noch Kaplan und auch nicht verbittert ”, so der Geistliche .
Auf die Frage , was die größten Herausforderungen für die Kirche der Gegenwart seien , antwortet er mit einer Frage und beantwortet diese gleich : „ Gibt es einen Priester- oder Mitgliedermangel ? Wahrscheinlich beides ! Die Pfarrer müssen bis zu 17 Pfarreien betreuen . Nach der alten Methode geht es daher nicht mehr , da sie einmal im Monat oder alle sechs Wochen Heilige Messen in den Ortschaften feiern .” Vor 1945 dienten nach Angaben von Mayer 480 Priester und Ordensleute im Bistum – bis zum Jahr seiner Ernennung sank diese Zahl auf 140 . Gegenwärtig dienten nur noch 60-65 katholische Priester im von dem Heiligen Stephan gegründeten Bistum . Nach Eindruck des Altbischofs würde die Kirche seit Jahrzehnten diffamiert und ihr Ansehen in Frage gestellt – man spüre einen großen Gegenwind . Er wisse dabei um die Missbrauchsfälle in der Kirche , denn jedes System habe schwache Glieder – aber man möge bedenken , dass diese hohe Zahl an Fällen das Produkt von 70 Jahren gewesen sei . Dabei würden die immer zahlreicher werdenden katholischen Schulen dabei helfen , „ die Wahrheit ans Licht zu bringen .” Michael Mayer bringt im Gespräch seine „ Verzweiflung ” angesichts der
SoNNTAGSBLATT deutschen Verhältnisse zum Ausdruck , was er mit den Begriffen „ Gender ” und „ Synodaler Weg ” beschreibt . „ Wenn sich die Elite in diesem Zustand befindet , wo kommt die Gesellschaft hin ?”, fragt er anschließend .
Als Botschaft für Weihnachten will der Geistliche den Unterschied zwischen Kultur , die für ihn innere Freude bedeutet , und Zivilisation , gleichbedeutend mit technischem Fortschritt , Gegenständen , die einem das Leben erleichtern sollen - herausstellen . „ Wenn man an Weihnachten denkt , dann soll nicht der Konsum im Vordergrund stehen . Der Weihnachtsmarkt ist nur Zivilisation , was uns letztendlich nicht glücklich macht . Man soll hingegen Weihnachten aktiv erleben , indem man gemeinsam ein Vaterunser betet und Jesus nicht nur aus Büchern kennt . Das ist für mich „ seelisch konsumieren - mit Jesus leben .” Michael Mayer ruft im Gespräch Weihnachten in seiner Kindheit in Erinnerung - gezeichnet vom Beten vor bescheidener Kulisse mit dem Höhepunkt Christmette - denn der Inhalt sei wichtig : eine Werteordnung mit der Liebe im Mittelpunkt , gerade in Zeiten , in denen die Welt vor großen Herausforderungen stehe .
Aktuelles
Nach hohen Wellen noch keine Seeruhe eingekehrt
Ein heimlich aufgenommener Satz , der für viel Kritik gesorgt hat - nach deutschsprachiger Videobotschaft bleibt es noch ein weiter Weg zurück zur Normalität
Von Richard Guth
Hohe Wellen schlugen heimlich aufgenommene Worte des sozialistischen Kommunalpolitikers Balázs Bárány aus Schaumar / Solymár , die dem regierungsnahen Fernsehsender „ Hír TV ” Anfang November zugespielt wurden – diese bezogen sich auf den ungarndeutschen Bürgermeister der Großgemeinde , Koloman Szente . Bárány nannte darin Szente „ einen degenerierten , alteingesessenen schwäbischen , homophoben , judenfeindlichen , xenophoben Romahasser - ein richtiges faschistisches Arschloch “.

Die Worte , ohne den Abgeordneten namentlich zu nennen , wurden von der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen scharf verurteilt . In einer Presseerklärung , gezeichnet von der LdU-Vorsitzenden Ibolya Englender-Hock und dem Abgeordeten Emmerich Ritter , heißt es : „ Wir , die leitenden Politiker der betroffenen Nationalität weisen auch im Namen anderer Nationalitäten und Minderheiten Ungarns zwieträchtige und feindselige Äußerungen wie diese zurück und halten es für unvertretbar , wenn man sich zur Lösung von jeglichen Spannungen solcher leichtsinnigen , respektlosen und beleidigenden Offenbarungen bedient . Die ungarndeutsche Gemeinschaft ist nach wie vor stolz auf ihre Traditionen , Kultur , Muttersprache und Werte und ist bestrebt , durch die Pflege und Weitergabe dieser zur Vielfältigkeit unserer gemeinsamen Heimat beizutragen .” ( Eine ähnliche Pressemitteilung der LdU erschien Ende November kurz vor Redaktionsschluss als Reaktion auf die das Deutschtum herabwürdigenden Worte von Szilárd Demeter ( und auch auf seine antisemitischen auf dem Portal Origó ), dem Kulturkommissar und Direktor des Petőfi-Literaturmuseums , das als Betreiber der gleichnamigen Literaturagentur im Januar bereits eine unrühmliche Rolle in der „ Logbuch-Affäre “ spielte , worüber das Sonntagsblatt in Nummer 1 / 2020 ausführlich berichtet hat . Auch der Jobbik-Abgeordnete Koloman Brenner verurteilte Demeters Worte .) s

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