spiel das Beherrschen vom Lesen der Fraktur auch in ihrer handschriftlichen Form , damit wir wissen , was Opa von der Front in einem der Weltkriege an Oma zu Hause geschrieben hat . Dadurch kommen wir nicht alleine den uns vorangegangenen Generationen etwas näher , sondern auch uns selbst . Und das ist nur ein Beispiel . Deshalb mag ich weder die Schönrederei der alten und auch der jetzigen Zeit noch die verwissenschaftlichten Beschreibungen einfachster Sachverhalte . Das Abheben entfremdet .
Dass es die „ Jungen Wilden ” im und um das Sonntagsblatt gibt , ist ein wunderbares Zeichen . Selbst wenn sie nicht mehr in die althergebrachte Kultur hineingewachsen sind . Nicht nur eine Religion , auch eine Kultur ist semper reformanda – stets zu erneuern , zu reformieren . Die Zeiten ändern sich , man muss entsprechende Antworten auch auf die aktuell auftauchenden Fragen entwickeln . So will ich gemäß meiner Überzeugung ( um bei dem weiter oben angeführten Beispiel zu bleiben ) anhand dieses Gedankenganges betonen , dass das Deutschtum in unserem Lande nicht allein das Heben der Schnapsgläser beim Schlachtfest der örtlichen Selbstverwaltung vor dem weiteren Rückgang verschonen wird , sondern nur , wenn - was auch immer gemeinsam getan und unternommen wird - dabei die deutsche Sprache eine gewisse ( sagen wir : wichtige ) Rolle spielt . Wir können uns nicht alleine durch Äußerlichkeiten befriedigen ( lassen ), selbst wenn diese die besten Partys , „… wo stets gute Stimmung herrscht “, sind . Diese braucht man gewiss ebenfalls . Das bestreite ich auch nicht . Nur soll im Leben allem der wahre Wert beigemessen werden .
Mir liegt die Reihe meiner Ahnen nicht im „ astreinen Stammbaum “ festgehalten , sondern am Herzen . Es ist jedermanns Recht , sich über seine Zugehörigkeit zu einem Volk oder zu einer Volksgruppe frei zu entscheiden . Das ist gut so . Deshalb – schon weil ich im Kreise der Ungarndeutschen nie eine ( politische ) Funktion oder eine Rolle angestrebt oder auch nur angenommen habe ( und annehmen werde ), also keine führende Person bin , sehe ich meine Aufgabe darin , eventuelle Meinungsanregungen zu platzieren , alleine weil mir die Entwicklung dieser schrumpfenden Volksgruppe wichtig ist . Und dabei sehe ich gar nicht den zahlenmäßigen Rückgang als das Schlimmste an , sondern das Sich-Loslösen von den wahren Werten zugunsten des Einfachsten und des Unterhaltsamen …
Und nun zu den Einzelheiten
Den Titel „ Schlüsselkompetenzen “ des Beitrags von Matthäus Rauschenberger sehe ich aus der pädagogischen Fachsprache herangezogen . Wahre Anhaltspunkte finde ich dazu zwar im Text selbst nicht , ich kann mir aber vorstellen , dass es darum geht , dass ein jeder sich auf seine ( Schlüssel- ) Kompetenz beschränken sollte , denn die berührten Fragen seien Schlüsselkompetenzen , die Schlüsselfiguren und Fachkompetenzen vorbehalten sind . Dabei muss ich entschlossen betonen , dass eine Meinung zu haben , einem jeden Menschen jederzeit zusteht – so wie auch ich eine Meinung habe .
Das Zitat von Hermann Bahr : „ Was wir nicht ändern können , müssen wir ertragen lernen . Was wir nicht ertragen können , müssen wir ändern lernen .“ – In meinem Leben herrscht zwischen Änderung und der Fähigkeit , sie zu verkraften , Einklang . Alles , was ich als Meinung von mir gebe , ist von mir erfahren und gelebt . Wenn ich vom Wasser predige , meine ich auch Wasser . Der Puls der Zeit schlägt auch bei mir manchmal heftig : Die Aktualitäten unserer Zeit werden nicht ausgeschlossen , sondern es wird auf sie reagiert . Selbst wenn „ das Rad nicht neu erfunden werden muss und es trotzdem rollt “ ( wie im Artikel darauf hingewiesen wird ), ist es doch nicht falsch , wenn wir es nicht unkontrolliert davonlaufen lassen , sondern es zu lenken versuchen . Die erwähnte geistige Elite , deren Aufgabe in der Gestaltung und der Neuformulierung der jeweiligen Narrative einer Ethnie besteht , prägt in unserem Fall auch bei der wohlwollendsten Betrachtung hauptsächlich
32 das äußere Erscheinungsbild unserer Volksgruppe , mit dessen Mitgliedern sie ( die geistige Elite ) – machen wir uns nichts vor – in einem kaum nennenswerten Austausch steht .
Das Beispiel mit den Slowaken würde ich in unserem Land gar nicht erwähnen , wo man sich seit Jahrhunderten nicht einmal auf die Herkunft des Volkes als „ Narrativ “ einigen kann , weil man die sagenhafte Größe mythischer Völker an den Haaren herbeigezogen wissenschaftlichen Erkenntnissen vorziehen möchte .
Zu den „ emotionalen Vorteilen “, wie im Beitrag von Herrn Rauschenberger steht : „… die Frage der ethnischen Zugehörigkeit und der damit verbundenen Alltagskultur ist eine Frage der Sympathie . Ist mir eine Kultur oder eine Gemeinschaft sympathisch , so bin ich bereit meine Zeit in deren Narrativ zu verbringen .“ – Was heißt das ? Ist das nicht das Grundproblem unseres Daseins oder unseres Verschwindens , wenn wir unsere Sympathien auf der Basis von Äußerlichkeiten entwickeln ? Wenn wir stets der Mehrheit angehören wollen , weil wir dann unsere Identität nicht hinterfragen müssen ? – Wäre dies so einfach , so hätte sich auch der aus der Politik bekannte Cs . Sz . nicht so schwer tun müssen , als seine jüdischen Wurzeln , über die er nichts wusste , sich eines Tages herausgestellt haben . Im entscheidenden Moment blieb ihm sonst nichts übrig , als sich zu seiner wahren Abstammung zu bekennen , die er zuvor sogar recht hart bekämpft hatte . Seine Herkunft kann man halt nicht auswählen , nur gegebenenfalls verleugnen . In Wahrheit ist man aber was man ist - ob es einem gefällt oder nicht .
„ Auch der astreine deutsche Stammbaum und die entsprechende Muttersprache bringen nichts , wenn die Alltagskultur einen nicht anspricht , und ihre Akteure nicht anziehend sind .“ Da stellt sich leider die Frage danach , ob es noch so etwas wie eine ungarndeutsche Alltagskultur gibt . Oder gibt es nur die vorgetäuschte Festtagskultur mit ihren Veranstaltungen voll „ Kirmes-Glanz “ und ihren verkleideten Akteuren … Sollen wir das „ Wohlfühlkultur “ nennen ? Soll das schon alles sein ? Uns befriedigen ?
„ Wo fühlt es sich besser an ? Sind es die pessimistischen Kommentare im Sonntagsblatt-Forum , oder verbringt man seine Zeit lieber in einer Tanzgruppe , wo zwar keiner deutsch spricht , aber stets gute Stimmung herrscht ?“ – Bleiben wir dabei , über „ exklusive Kompetenzen “ zu sprechen , wobei wir den Verlust des eigentlichen Kulturträgers - der Sprache - schmerzlos hinnehmen ! Das hat nur jenen Vorteil , dass wir dann in der Tat über nichts mehr diskutieren müssen , sondern den Tschardasch bis zum Umfallen mittanzen können . Ja , und noch eins : Über mich soll niemand denken , dass ich pessimistisch bin , nur weil ich in gewissen Fragen mich - nach meiner Meinung - objektiv äußere oder weil ich um manches Sorge trage .
Schon längst will ich niemand „… von der Fülle der Freude und dem Genuss unserer eigenen Kultur abbringen .“ Ganz im Gegenteil ! Nur möchte ich es gerne mit den Worten von Johann Gottfried Herder halten : „ Alle kommen wir zur Vernunft nur durch Sprache und zur Sprache durch Tradition , durch Glauben ans Wort der Väter .“
Georg Sawa , Ungarn
An dieser Stelle bedanken wir uns bei allen deutschen Minderheitenselbstverwaltungen und Privatpersonen , die uns im ganzen Jahr unterstützt haben ! Ohne Sie wäre unsere Arbeit unmöglich gewesen !
Das Ziel ist unverändert : Für das Ungarndeutschtum des 21 . Jahrhunderts !
SoNNTAGSBLATT