Durch das Mitwirken seiner bei den Barmherzigen Schwestern in
Fünfkirchen lebenden Tante kam Franz 1947 in das Fünfkirchner
Bischöfliche Lyzeum und Lehrerbildungsanstalt und wirkte nach
seinem Abschluss bis 1956 als Elementarschullehrer in einer
Dorfschule nahe Budapest.
Den Aufstand 1956 erlebte er hautnah in der Hauptstadt, wo er
bei einer Demonstration vor dem Parlament auch Plakate mit
der Aufschrift gesehen habe, „Új kormányt akarunk, zsidók és
svábok nélkül!“ (Wir wollen eine neue Regierung, ohne Juden
und Schwaben!). Das habe ihn, nach den erlebten schwaben-
feindlichen Nachkriegsereignissen, veranlasst, die günstige Ge-
legenheit zu nutzen und sich nach Deutschland abzusetzen. Sei-
ne Flucht endete in Dortmund, wo er einen Jugendfreund hatte,
den er während dessen Evakuierungsaufenthaltes in Hedjess
- zur Zeit der Bombardierung des Ruhrgebietes gegen Kriegs-
ende - kennen gelernt hatte. In Dortmund fand Franz persönliche
Aufnahme und die Chance für seine weitere berufliche Lauf-
bahn. Dazu musste er allerdings nochmal die „Schulbank“ drü-
cken, Teile seines ungarischen Studiums wiederholen und die
Abschlussprüfungen für das Lehramt in Deutschland bestehen.
Danach erhielt er eine Anstellung als Lehrer an einer Haupt-
schule in Dortmund, wo er bis zu seiner Pensionierung unterrich-
tete. Obwohl Franz immer ein kritischer und kein bequemer Geist
war, kein schneller Ja-Sager, muss er in der Schule als Lehrer
gut zurechtgekommen sein, denn er hat immer nur Freudiges
und Positives von seiner Arbeit erzählt. Im Lehrerkollegium muss
er auch gut angenommen worden sein, jedenfalls verbrachte er
drei Jahrzehnte lang gemeinsam mit seinem Direktor im bayeri-
schen Bad Füssing seinen sommerlichen Kuraufenthalt. Dort traf
ich ihn etwa 1986/87 zum ersten Mal persönlich.
Kennen gelernt habe ich Franz über die FAZ, die er seit 1960 bis
zu seinem Tod abonniert hatte. Mir waren seine Leserbrief-Bei-
träge zu Artikeln mit ungarndeutschem Kontext aufgefallen und
ich rief ihn einfach an. Von da an trafen wir uns fast jährlich bei
seiner Durchreise nach Bad Füssing in Niederbayern oder nach
Illmitz am Neusiedler See. Letztlich kam ich auf sein Zureden
zur Suevia Pannonica, deren Konvente er regelmäßig besuch-
te und mit leidenschaftlich vorgetragenen Wortmeldungen die
Diskussionen bereicherte und lebendig hielt. Seine oft beißende
Kritik an der ungarischen Nationalitätenpolitik und der Schön-
färbungspraxis der ungarischen Geschichtsschreibung kommt
in seinem Beitrag „Szatírikus válasz“ (Satirische Antwort) in der
ungarischen Broschüre HŰTLENSÉG A „HŰSÉGBEN“ (Untreue
in der Treuebewegung: Beiträge zur Dokumentation der Bonn-
harder Treuebewegung. Hg. Suevia Pannonica. 100 S. 1995)
zum Tragen, deren Übersetzung er auch übernahm. Genauso
sorgfältig übersetzte und betreute er die Veröffentlichung von
Johann Weidleins Hauptwerk, Schicksalsjahre der Ungarndeut-
schen (A magyaroszági németség küzdelme fennmaradásáért.
Hg. Suevia Pannonica, 1996)
Zu Franz Wesners „Lebensthema“ wurde seine Erkenntnis, dass
die ungarische Regierung die sowjetische Reparationsforderung
von Arbeitskräften zum Wiederaufbau einseitig und zielgerichtet
mit jungen Frauen und Männern ungarndeutscher Herkunft erfüll-
te. Die Schonung des „eigenen Blutes“ und die einseitige Preis-
gabe der arbeitsfähigen jungen Schwaben werden bis heute von
ungarischer Seite nicht thematisiert, als habe diese eklatante
ethnische Diskriminierung nicht stattgefunden. Dieser Vorgang
verletzte und bewegte ihn bis in seine letzten Tage. Aus diesem
Grund fand er auch keinen Frieden mehr mit seiner alten Heimat.
Nun ist auch er eingegangen in die donauschwäbische Ewig-
keit. Sein von ihm rege kontaktierter „Ungarndeutscher Freun-
deskreis“ ist von 15 auf sechs Mitglieder geschrumpft.
Wir nehmen Abschied von einem leidenschaftlichen und fundier-
ten politischen Mitstreiter, von einem humanistisch gebildeten,
sozial engagierten Menschen, der im Stillen ein Liebhaber klas-
sischer Musik, barocker Kirchen und guter Weine war. Mir wurde
er zum geistigen Freund und geschätzten Weggefährten. Reqie-
scat in pace!
SoNNTAGSBLATT
Auch die Besten müssen gehen.
Franz Wesner – das „Lexikon des
Ungarndeutschtums” – gestorben
Von Georg Krix
Es ist immer zu früh, zu früh für die Hinterbliebenen, wenn ein
geschätzter Angehöriger der engeren oder weiteren Familie, in
diesem Fall der großen Familie des Ungarndeutschtums, für im-
mer entschwindet.
Franz wird uns besonders fehlen. Hatte jemand von uns mal eine
Frage hinsichtlich der Geschichte des deutschen Volkes in Un-
garn, Franz wusste die Antwort darauf. Galt es Berichte, Vorträge
oder Bücher zu übersetzen – vom Deutschen oder ins Deutsche
–, dann war Franz der richtige Mann dafür. Stets freundlich und
hilfsbereit. Aber immer kritisch! Die gesunde, aufbauende – oft
auch schmerzliche und ätzende – Kritik gehörte bei ihm zum All-
tag.
Franz Wesner hat auch den „Sozialismus” in Ungarn miterlebt.
Er wollte diesem entfliehen, wurde erwischt und verurteilt und ist
auch aus der Haft entsprungen. Deshalb verbrachte er 60 Jahre
in der Ferne, in Sehnsucht nach der Heimat, in die er jedoch
nicht mehr wollte beziehungsweise sich nicht mehr getraut hat
zurückzukehren. Oft verbrachte er seinen Urlaub in Illmitz/Öster-
reich und blickte am Ufer des Neusiedler-Sees sitzend verbittert
und sehnsuchtsvoll in Richtung Heimat, in das Land seiner Ah-
nen und seiner Jugend.
Ja, hier in Illmitz oder eben in Bad Füssing/Deutschland traf ich
mich regelmäßig mit Franz, wo wir dann bei einem Gläschen
Wein die traurige Lage des untergehenden Ungarndeutschtums
besprachen und freche Zukunftspläne schmiedeten. Ich habe
sehr viel von Franz gelernt, er war mir ein guter Lehrer.
Schwer zu fassen, dass es diesen guten, treuen Freund nicht
mehr gibt.
Lieber Franz, Du bleibst mir/uns unvergesslich.
Abschied von Franz
Von Richard Guth
Herr Wesner bzw. Franz, wie ich ihn in den letzten drei Jahren
seines Lebens nennen durfte, ist Mitte September von uns ge-
gangen. Zwischen der ersten und letzten Begegnung lagen ge-
nau zwanzig Jahre (1998 bzw. 2018), die Orte lagen auch nahe
beieinander (Dortmund/Unna). Ich kam an diesem Aprilsonntag
des Wahljahres 1998 mit dem Regionalexpress aus Düsseldorf,
wo ich damals studierte, und war die ganze Zeit am Überlegen,
wie ich ihn erkennen werde. Der Zug fuhr am Hauptbahnhof von
Dortmund ein, Menschenmassen verließen den NRW-Express
– der Bahnsteig leerte sich aber rasch, ein älterer Herr lediglich
blieb oben auf der Rampe stehen – Franz Wesner, pensionier-
ter Real- und Hauptschullehrer. Für die kommenden über zehn
Jahre bleibt Dortmund, besser gesagt „der Kroate in Lanstrop”
der Ort unserer regelmäßigen Begegnungen, wo wir beide immer
das Gleiche bestellen: Er „Halbe-Halbe”, ich Putenschnitzel mit
Essig und Öl. So sind eben Waage-Menschen, sie mögen das
Beständige. Und auch, einen Blick in die Vergangenheit zu wer-
(Fortsetzung auf Seite 30)
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