verhinderten dies, so hat er nur ins Tor geschossen. Daraus ent-
stand eine Rauferei zwischen meinen ungarisch empfindenden
Gläubigen und einigen Soldaten der Waffen-SS.“
1944. „Am 12. Juli wurden die männlichen Mitglieder des Volks-
bundes gemustert. Deswegen setzte gegen die Führung eine
große Entrüstung ein. Der „Bund“ beginnt zu zerfallen.“
1944. „Im September rücken die gemusterten Soldaten ein, aber
viele desertieren und verstecken sich zu Hause.“
Aus diesen Eintragungen im Buch der „Geschichte der Pfarrei“
ergeben sich folgende Schlussfolgerungen: Das Ziel des Volks-
bundes war also die „vollkommene sprachliche und kulturelle
Freiheit der deutschen Minderheit“. Es trifft zu, dass nach dem
Wiener Abkommen vom 30. August 1940 deutsches - auch na-
tionalsozialistisches - Gedankengutnach Ungarn, somit auch
nach Nadwar strömte. Pfarrer Mehringer sprach offen in seinen
Predigten die pseudochristliche Einstellung des Nationalsozia-
lismus zur Begründung seiner völkischen und antichristlichen
Weltanschauung an. Indes konnten den komplizierten Gedan-
kengängen eines Alfred Rosenberg in seinem „Mythos des 20.
Jahrhunderts“ auch die Bürger des Dritten Reiches nicht folgen,
geschweige denn die Nadwarer. Die Menschen in Nadwar - wie
auch anderswo - wollten einfach deutsch bleiben wie ihre Vorfah-
ren, sonst nichts. Deshalb kam für sie die „Treuebewegung“ mit
der Folge der Namensmagyarisierung nicht in Frage. Meine um-
fangreichen Recherchen über ein angebliches „Hitler-Bändchen“
auf dem Taufkissen ergaben, dass die verwendeten „Mäschelen“
(Stoffbändchen) keinen Bezug auf Hitler oder den Volksbund
darstellten. Zumindest nicht unter der Nadwarer Bevölkerung.
In Nadwar wurden auch Kinder auswärtiger Eltern mit fremden
Paten getauft.
Die Behauptung Pfarrer Mehringers, dass am 12. Juli 1944 die
männlichen Mitglieder des Volksbunds gemustert wurden, muss
insoweit berichtigt werden, dass jedermann mit deutscher Na-
tionalität oder Muttersprache in einem gewissen Alter gemustert
wurde. Mit der Mitgliedschaft im Volksbund hatte die Musterung
nichts zu tun. Maßgeblich war die Volkszählung 1941.
Nach der russischen Besetzung im Herbst 1944 wurde der Terror
des NKWD (sowjetische Stasi) und der ungarischen Kommunis-
ten stets als „Kampf gegen faschistische Elemente“ begründet.
Das war insofern logisch, als nach den üblichen kommunisti-
schen Definitionen alle Kräfte, die dem Kommunismus hinderlich
waren, unter dem Begriff des „Faschismus“ zusammengefasst
wurden. Es genügte damals in Ungarn, in den Verdacht des Wi-
derstands gegen den Kommunismus zu kommen beziehungs-
weise denunziert zu werden, um Verhaftung, Folter und gar den
Tod zu erleiden. Auch Besitzer von Betrieben, Landwirte und Ge-
schäftsleute, die der sozialistischen Wirtschaft im Wege standen,
wurden so beseitigt. Der Terror mit der Verbreitung von Angst
und Schrecken war das sicherste Fundament für den aufzuzwin-
WIR Bedanken UNS bei Allen
unseren LANDSLEUTEn IN UNGARN, Die
DAS Sonntagsblatt unterstützen
und weiterteilen.
jakob bleyer
GEMEINSCHAFT e . V .
20
genden Sozialismus. Diese ins Leid gestürzten Menschen wur-
den konsequent als „Faschisten“ deklariert - eine Klassifizierung,
die alle Gräueltaten decken sollte und gegen die kein Einwand
erhoben werden durfte. Die ungarischen Machthaber schlos-
sen sich dieser Bezeichnung an und erklärten den Volksbund
der Deutschen in Ungarn als eine faschistische Organisation.
Beweggrund für diese Einstufung war, dass das Vermögen der
Volksbundmitglieder sofort konfisziert werden konnte. Die Be-
scheide über das konfiszierte Vermögen wurden nie zugestellt,
sie sind auch für ehemalige Nadwarer noch heute teilweise im
Komitatsarchiv Kecskemét zu finden.
Nach der Wende 1989 entschloss sich die ungarische Regierung,
auch ehemaligen Mitgliedern des Volksbundes oder deren Nach-
kommen eine symbolische Entschädigung in Form von Entschä-
digungsscheinen wie allen übrigen Antragstellern zu gewähren.
Das Gesetz XXIV / 1992 gewährt teilweise Entschädigung der
durch die Anwendung von Verfügungen zwischen 1.5.1939 und
8.6.1949 vom Staat am Eigentum der Staatsbürger ungerecht-
fertigterweise verursachten Schäden. Es hat also Jahrzehnte
gedauert, bis Ungarn von der Einstufung der Kulturorganisation
des Volksbundes als „faschistisch“ de facto Abstand genommen
hat. Das so etwas in Ungarn lange dauern kann, ist nicht un-
gewöhnlich. Als Beispiel erwähne ich die Tatsache des langsa-
men Zerfalls der Einheitsmeinung bei der Ungarischen Sozialis-
tischen Arbeiterpartei (USAP) im Streben nach Pluralismus im
Jahr 1989. Als wichtigster Reformer der Partei kristallisierte sich
Imre Pozsgai heraus, der die Diskussion über die Beurteilung
der Ereignisse von 1956 entfachte. In erbitterten Streitgesprä-
chen wurde sein Standpunkt angegriffen, die Geschehnisse vom
Oktober 1956 seien ein „Volksaufstand“ gewesen und keine
„Konterrevolution“, was die USAP 33 Jahre lang behauptet hat-
te. Der reformerische Flügel gewann diese Debatte und die Be-
zeichnung „Volksaufstand“ wurde offiziell festgelegt. Die Opfer
des Stalinismus - allen voran der hingerichtete Ministerpräsident
Imre Nagy - wurden rehabilitiert und die sterblichen Überreste im
Ehrenfriedhof der Parzelle 301 im Budapester Rákoskeresztúri
Új köztemető (Zentralfriedhof) feierlich beigesetzt.
Ein weiteres Beispiel betrifft den Verfasser dieses Artikel selbst:
Über 40 Jahre war er als ehemaliger Soldat der Waffen-SS (ein-
gezogen nach den Deutsch-Ungarischen Vereinbarungen vom
14.4. 1944) 9 Jahre in sowjetisch-ungarischer Kriegsgefangen-
schaft als Kriegsverbrecher abgestempelt. Mit Schreiben der
Ungarischen Regierung vom Mai 1993 entschuldigte sie sich
wegen des Unrechts der 9-jährigen Freiheitsberaubung und
Zwangsarbeit: Sie hält es für ihre moralische und rechtliche
Pflicht, ihr Haupt vor mir zu neigen, meinen beispielhaften Mut
und meine heldenhafte Standhaftigheit anzuerkennen, heißt es
u. a. wörtlich. In der Tat: In der 9-jährigen sowjetisch-ungarischen
Kriegsgefangenschaft war es nicht leicht, dem Druck und den
Versuchungen der Diktatur zu widerstehen und den Grundsätzen
von Freiheit, Menschenwürde und Gerechtigkeit treu zu bleiben.
(Merkwürdig, weil dieser Kämpfer für das ungarländische Deut-
schtum den Ungarndeutschen unbekannt ist)
Otto Hermann Krause
Von Georg Krix
Bei Streifzügen im Internet besuche ich auch die ehemals deut-
schen Ortschaften der Ofener/Budaer Gegend. So stieß ich un-
längst auch auf Paumasch/Pomáz, welches Städtchen recht
ausführlich beschrieben ist, leider nur in ungarischer Sprache.
Aufgefallen ist mir da jedenfalls eine Überschrift: „Akire szívesen
emlékezünk: Krause Ottó-Hermann”, zu Deutsch:
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