Sonntagsblatt 4/2019 | Page 18

Zeitgeschehen-Geschichte s Was jeder Ungarndeutsche über den „bösen” Volksbund wissen sollte Vor 81 Jahren Volksbund der Deut- schen in Ungarn (VDU) gegründet Teil 3, Von Georg Krix Ein geschichtsträchtiges Dokument Kundgebung des Volksbundes in Cikó – 30. April 1939 „Die meisten Teilnehmer kamen aus den Dörfern Südost-Trans- danubiens. Der Fahnenaufzug wurde mehrere Wochen lang von den Cikóer Volksbundanhängern sorgfältig vorbereitet. Auf der Ochsenwiese, dem Übungsgelände der örtlichen Leventemann- schaft, errichtete die Jugend aus weiß angestrichenen Holzklöt- zen ein riesiges Sonnenrad. Am Morgen trafen die auf Fahrrä- dern und mit dem Zug anreisenden Teilnehmer ein, um 10 Uhr erschien die Volksbundführung. Alle Teilnehmer wurden auf dem Hauptplatz der Gemeinde mit ‚Heil Rufen‘ und dem ‚deutschen Gruß‘ empfangen. Die Mädchen trugen ihre Festtracht, die Ord- nung wurde von uniform gekleideten Burschen aufrechterhalten: weißes Hemd, schwarze Krawatte, schwarze Hose in Stiefeln und ein rotes Armband mit der Aufschrift ‚V.D.U.‘. Die Teilnehmer sprachen sich mit ‚Volkskamerad‘ an, die Versammlung wurde ‚Gemeinschaft‘ genannt. Unter einem Festtor auf dem Weg zur Kirche empfing Johann Hengl, der örtliche Beauftragte des VDU, den Vorsitzenden Franz Basch, der in seinem Grußwort betonte, das ‚Verständnis der Regierung‘ mache diesen großen Tag erst möglich. Ein an den Ministerpräsidenten Pál Teleki abgesandtes Huldigungstelegramm vom gleichen Tag suchte das noch zu un- terstreichen. In diesem hob Basch hervor, dass Ungarn und das Deutsche Reich ‚durch eine unzertrennbare Schicksalsgemein- schaft miteinander auf Gedeih und Verderb verbunden sind‘. Den Volksbund bezeichnete Basch in seiner Ansprache als ‚die erste eigenständige Organisation des Deutschtums in Ungarn‘, womit sich der ‚Traum Jakob Bleyers‘ erfüllt habe. (Deutscher Volks- bote vom 7. Mai 1939) Georg Richter Die Wahrheit über den Volksbund der Deutschen in Ungarn „Der Irrtum wiederholt sich immerfort in der Tat. Deswegen muss man das Wahre unermüdlich in Worten wiederholen.“ (Goethe) Die allmählich bedrohliche Formen annehmende Assimilations- politik der ungarischen Regierung in den 1930er Jahren ließ die deutsche Bewegung als Reaktion entstehen. Das von Jakob Bleyer 1921 gegründete „Sonntagsblatt für das deutsche Volk in Ungarn“ und der „Ungarnländische Deutsche Volksbildungs- verein“ im Jahr 1924 sollten das kulturelle Zusammengehörig- keitsgefühl der Deutschen Ungarns stärken. Die Wirkung dieser Maßnahmen blieb wegen des Widerstands der örtlichen Behör- den begrenzt. Bleyer gründete 1929 mit den „Deutsch-ungari- schen Heimatblättern“ eine wissenschaftliche Zeitschrift. Er war davon überzeugt, dass eine auf Wahrheit eingestellte Forschung „... allen deutschen Volksgruppen Altungarns das unverlierba- re Bewusstsein einprägen wird, daß sie in ihrer Heimat keine Fremden sind, sondern daß ihnen die Würde europäischer Kul- turträger zukommt.“ Bleyer stand durch seine Bemühungen im Gegensatz zur Magyarisierungspolitik der Regierung. Nach dem Tod Bleyers im Jahr 1933 brach unter seinen Schülern und Mit- arbeitern Streit über den weiteren Kurs des Volksbildungsvereins aus. Gegen den liberalen Kurs des Volksbildungsvereins trat die um Dr. Franz Basch gescharte „Volksdeutsche Kameradschaft“, die bis 1938 unter nationalsozialistischen Einfluss geriet. In den 18 überaus harten Auseinandersetzungen innerhalb der deutschen Volksgruppe, aber auch zwischen dieser und der magyarischen Umgebung fielen 1937 in einer Rede des Abgeordneten Adam Rieß (Kleinlandwirtepartei) erstmals drohende Worte gegen die deutsche Volksgruppe, dass sie gut daran täte, sofort „ihre Sie- bensachen zu packen und auszuwandern, denn dies wird ihnen eher oder später doch zuteilwerden“ (Eberl, Die Donauschwa- ben, S. 174). Die „Kameradschaft“ um Dr. Franz Basch gründete am 26. No- vember 1938 den „Volksbund der Deutschen in Ungarn“. Der alte Volksbildungsverein wurde daraufhin aufgelöst. Die Satzung des Volksbundes der Deutschen in Ungarn (VDU) wurde am 13. April 1939 vom ungarischen Innenminister Keresztes-Fischer eingesehen und nicht beanstandet. Nach §2 der Satzung hatte der Volksbund den Zweck, „die kulturellen Belange der ungari- schen Staatsbürger deutscher Volkszugehörigkeit auf allen Ge- bieten volklicher Lebensäußerung zu fördern und zu schützen, die Anhänglichkeit an das Vaterland zu pflegen und zu stärken“. Der VDU wollte die kulturelle Autonomie mit Anerkennung Volks- gemeinschaft und Rechtspersönlichkeit der Volksgruppe, die Lösung der Schulfrage, die Gründung von Tages- und Wochen- zeitungen und eine eigene Partei. Eine gewisse Annäherung zwischen dem VDU und der Regierung erfolgte im Zuge des Wiener Abkommens (30. August 1940). In einer Vereinbarung der deutschen und ungarischen Außenminister wurde der „Deut- schen Volksgruppe“ eine enge Beziehung zum Deutschen Reich und damit auch zum Nationalsozialismus zugestanden, ebenso eine Beteiligung an der Stellenbesetzung in den Behörden nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung und auch das Recht, ihre früher geführten deutschen Familiennamen anzunehmen. Einen Erfolg verbuchen konnte der VDU im letzten Schuljahr 1943/1944 mit 2 Lehrerbildungsanstalten, 6 Gymnasien, einer Handelsmittelschule, einem Handelskurs, einem Bürgerschul- kurs, 9 Bürgerschulen, 2 landwirtschaftlichen Schulen und 69 Volksschulen (Grundschulen) sowie einem einjährigen Lehr- gang für Kinderheimleiterinnen. In der hohen Zahl der deutschen Schulen sind die aus Nordsiebenbürgen und der Batschka auch enthalten. Diese Gebiete verfügten schon zuvor über deutsche Bildungsanstalten. Die deutschen Schulen wurden weiterhin vom ungarischen Kultusministerium beaufsichtigt und die Presse der Volksgruppe ebenso von ungarischen Behörden zensiert. Während die ungarndeutsche Bevölkerung infolge dieser Erfol- ge des VDU aufatmete und die Gefahr der Magyarisierung ge- bannt sah, entstand - von der ungarischen Regierung gefördert - die „Treuebewegung“ (Hűséggel a Hazához), die unter führen- der Mitarbeit des Geistlichen Josef Pehm (Kardinal Mindszen- ty) versuchte, die Ungarndeutschen für sich zu gewinnen, die nicht dem VDU nahestanden. Dazu zählten vor allem das reiche Bauerntum und die sozialdemokratisch eingestellte deutsche Arbeiterschaft Budapests und der Industriebezirke. Die „Treue- bewegung“ verlangte ein uneingeschränktes Bekenntnis zum Magyarentum mit dem nach außen sichtbar geführten Beweis der Namensmagyarisierung. Die „Treuebewegung“ war das Sammelbecken der gesellschaftlich und sozial höhergestellten und bedingungslos magyarisierungswilligen Ungarndeutschen. Die „Treuen“ plädierten unumwunden für die Einsprachigkeit, für das Magyarische. Die Mehrsprachigkeit führe das Land ins Verderben (Trianon) und zur schädlichen Doppelidentität. Sie zerfleische den Körper, selbst wenn Stefan der Heilige einst die Mehrsprachigkeit als Ideal verkündete. Deshalb trete man offen gegen deutsche Schulen auf, denn: „Wenn die Übertünchung der Volksschulen glückt, werden sie (gemeint sind die „Untreuen“) auch deutsche Mittelschulen fordern.“ Dadurch würde es ermög- licht, eine deutsche Intelligenz heranzubilden und das führe ganz selbstverständlich zum Pangermanismus (Kolta László-Solymár Imre: Válogatott dokumentumok a Hűséggel a Hazához moz- galom történetéhez, Bonyhád, 1994 - Ausgewählte Dokumente zur Geschichte der Treuebewegung). Die enge Verbindung zum katholischen Klerus wird durch die Volkslieder und Spottgedich- SoNNTAGSBLATT