Sonntagsblatt 4/2019 | Page 15

#schwowisch Ungarndeutsche Internet-Medienlandschaft im SB-Test Von Armin Stein Es ist gar nicht so lange her, dass ein gewisser Herr Zucker- berg seine Anhörung vor dem Untersuchungsausschuss des US-amerikanischen Senats über sich ergehen lassen musste. Angeblich habe sein Portal Facebook die Präsidentschaftswah- len in den Vereinigten Staaten massiv beeinflusst und zum Erfolg des jetzigen Präsidenten, Donald Trump, geführt. Ob dies wahr ist oder nicht, ist außerhalb der Dimensionen dieses Artikels, je- doch ist es interessant sich Gedanken über den Einfluss der so- zialen Netzwerke zu machen. Die schwerwiegendste Konklusion dieser Anhörung war der Fakt, dass Reichweite und Fähigkeit zur Meinungsbildung jener Plattformen von den meisten traditio- nellen Kräften unterschätzt wurde. Mit dem Ziel diese Erkennt- nis für unsere Nationalitäten-Verhältnisse zu adaptieren habe ich die Soziale-Medien-Präsenz der deutschen Minderheit in Ungarn untersucht. Die Unterschiede der Onlinekommunikation im Vergleich zu Print-Medien ist bedeutend, statt auf einmal, zum Beispiel in einer Zeitung oder Nachrichtensendung, eine große Informationsmen- ge mitzuteilen, ohne dass der Verbraucher wählen könnte, wel- chen Inhalt er konsumiert, ergibt sich dabei die Möglichkeit für den Verbraucher seine Medieninhalte selektiv zu konsumieren. Durch die andere Art des Kommunikations-Gerätes, meistens ein Smartphone oder ein PC, und der Nutzungsintervalle verän- dert sich als erstes der Zeitplan der Inhaltsmitteilung, weshalb es aus Sicht der Content-Creators (Autoren des Inhalts) sinnvoll ist statt großen Infobündeln zeitlich gleichmäßiger verteilte Arti- kel zu teilen, da so ständig neue Inhalte zur Verfügung stehen und das Interesse des Konsumenten aufrechterhalten wird. Auf- grund des veränderten Zeitplanes und wegen der Konkurrenz mit anderen Quellen gewinnt die Einführung, oder traditioneller die Schlagzeile, an Bedeutung, nur falls diese das Interesse des Lesers weckt, wird sich dieser dem Lesen des ganzen Artikels widmen. In Anbetracht dieser Informationen habe ich mich auf die Suche nach ungarndeutschen Inhalten in verschiedenen so- zialen Netzwerken gemacht. Facebook Das meistgenutzte soziale Netzwerk Ungarns ist Facebook, dementsprechend ist auch unsere Präsenz als Minderheit hier am bedeutendsten, wenn man die Zahl der Abonnenten der ver- schiedenen Informationskanäle betrachtet. Doch nicht nur die reinen Zahlen, sondern auch die proportionale Medienpräsenz der ungarndeutschen Volksgruppe ist unter den „neuen“ Plattfor- men stark facebooklastig. Der wahrscheinliche Grund für diese Entwicklung ist die allgemeine Zugänglichkeit und generations- übergreifende Akzeptanz gegenüber Facebook. Als Erstes möchte ich eine bedeutende Gruppe von deutsch- sprachigen, aus Ungarn stammenden Seiten aus dieser Analyse herausnehmen. Diese sind, nur um jetzt die größten dieser Art zu nennen, die Budapester Zeitung (etwa 4400 Abonnenten), der Pester Lloyd (in etwa 3000 Abos) und, die weitaus größte, Un- garn Heute (in etwa 22000 Abos). Diese Nachrichtenseiten sind zwar die weitaus bedeutendsten und über die größte Reichweite verfügenden Nachrichtenportale, jedoch beschäftigen sie sich nicht mit den Angelegenheiten der ungarndeutschen Minderheit, vielmehr sind sie an deutschsprachige und ausländische Leser gerichtet, die mehr über Ungarn und die Innenpolitik Ungarns erfahren wollen. Deshalb sind diese Facebook-Seiten für die Me- dienlandschaft unserer Nationalität als irrelevant zu betrachten. SoNNTAGSBLATT Die meisten Anhänger (Follower) unter den ungarndeutschen Seiten hat Zentrum. Die über etwa 7000 Abonnenten verfügende Seite teilt generell alle Arten von Inhalten, die die ungarndeut- sche Nationalität betreffen, seien diese Veranstaltungen, politi- sche Ereignisse, Stipendien oder kulturelle Inhalte. Die Seite hat viele Schnittstellen mit weiteren in den folgenden Absätzen vor- gestellten Content (Inhalts)-Quellen, was sie zu einem Zentrum ungarndeutscher Online-Aktivität macht. Alles in allem verfügt sie über keine auffallenden Inhalte oder ein spezielles Design, doch trotz dessen erfüllt sie ihre Aufgabe recht gut, da sie die sonst sporadisch auf mehrere Seiten verteilten Informationen auf einer Seite zusammenfasst und allen Interessierten einfach und klar sichtbar zur Verfügung stellt - und das mit einer vergleichs- weise hohen Abonnentenzahl. Die nächste betrachtete Seite hat ein Alleinstellungsmerkmal und zwar ist sie die offizielle Seite der Repräsentanten der Un- garndeutschen, der LdU. Mit in etwa 4500 Abonnenten ist sie die zweitgrößte ungarndeutsche Content-Quelle. Nach kurzer Über- sicht zeigt das Profil eine große Palette an Themen. Als primä- re und wahrscheinlich originär vorgesehene Hauptaufgabe der Seite werden Personalentscheidungen, Beschlüsse und Treffen vorgestellt. Dieser die Hauptarbeit der Nationalitätenselbstver- waltung betreffende Inhalt wird von Programmangeboten und Ausschreibungen/Stipendien ergänzt. Die Seite erfüllt diese Grundaufgaben auch zufriedenstellend, jedoch fällt dem Besu- cher ein bedeutender Mangel auf: Wenn man die Seite auf Sach- informationen hin überprüft, wird man leider nicht fündig. Beson- ders enttäuschend ist, dass nicht einmal Seiten, Interviews oder Info-Blätter zu den politischen Ambitionen vorhanden sind. Die Seite unserer Minderheit - besonders wenn wir bedenken, dass sie vor kurzem im Wahlkampf-Modus war - ist recht arm an auch in sozialen Netzwerken dringend benötigten, unsere Minderheit betreffenden Themen. Über weitere Möglichkeiten wie bessere visuelle Erkennungsmerkmale von Posts und eine zielstrebigere Themenwahl, da ein ähnliches Profil bei Zentrum schon existiert und Überschneidungen nur zum Aufmerksamkeitsverlust von wichtigen, nur hier auffindbaren Inhalten führt, ließe sich auch reden. Zusammengefasst erscheint die Seite etwas chaotisch und programmatische Inhalte, die besonders für junge, gerade politisch aktiv werdende Ungarndeutsche wertvoll wären, kann man nicht finden, was ein großes Manko dieser Seite ist. Facebook wäre ohne neue oder generationsspezifische Arten der Kommunikation nie zu dem einflussreichem Portal gewor- den, das es heute ist, weshalb es wichtig ist, dass sich unsere Nationalität auch für diese neuen Kommunikationsarten öffnet, um den Kontakt mit der Jugend nicht zu verlieren. Ein interessan- tes Projekt ist deshalb die Facebook-Seite Svung mit 3000 Abon- nenten, womit sie gleich die drittgrößte ungarndeutsche Seite ist. Meines Wissens ist sie auch die einzige größere Seite, die nur Unterhaltungsinhalte teilt. Die Memes, die geteilt werden, sind thematisch und ästhetisch ansprechend, da sie ungarndeutsche Inhalte auf eine humorvolle Weise präsentieren, während ihr blau-weißer Hintergrund gut differenzierbar ist. Der einzige, gro- ße Kritikpunkt an der Seite ist die vertauschte Sprachpriorität der Posts, bei denen Ungarisch die Hauptsprache ist und Deutsch nur im Post vorkommt. Diese Kritik soll die Arbeit der Meme-Ma- cher jedoch nicht schmälern; sie ist sehr wichtig und kann als digitale Pionierarbeit für unsere Minderheit bewertet werden, vo- rangetrieben unter anderen von Ildiko Jencsik, die neulich den Geza-Hambuch-Preis erhielt. Die anhand der Zahl ihrer Follower bedeutendste Facebook-Sei- te in der Kategorie „Journalismus“ ist die der Neuen Zeitung. Mit über 2700 Abonnenten hat sie eine bedeutende Online-Präsenz. Nach einem kurzen Blick auf die geteilten Inhalte lässt sich er- kennen, dass das Ziel der Posts ist, auf neue Artikel aufmerksam zu machen. Die einzige Anmerkung zu den geposteten Inhalten ist, dass ein Link, der den Facebook-Post und den Online-Artikel (Fortsetzung auf Seite 16) 15