Quellen nicht versiegen sollen… Dabei wäre es nötig eine Be-
standsaufnahme unser selbst vorzunehmen, um jene Punkte
auszuarbeiten, die unserer heutigen Zeit gerecht ein Bestehen
für eine Volksgruppe ermöglichen. Natürlich ist es eine bittere
Konsequenz, dass es nach alten (teils auch veralteten) Merk-
malen und Kriterien nicht mehr möglich ist unsere Gemeinschaft
zu erhalten. Aber wir leben nicht in einem Reservat und wir kön-
nen uns auch nicht wie eine lebendige Zeitkapsel verhalten. Was
gerade durch die Kulturgruppen und ihre Tätigkeit geschieht:
Sie machen uns skanzenfähig, sie sind aber bis heute nur noch
Schaufenster in einem Panoptikum, denn hinter der Fassade hat
unsere sprachliche Substanz das Ungarische aufgefressen und
statt der historischen Identifikation als Volksgruppe hat man sich
zu Ungaren besonnen, die sich ihrer eigenen Wurzeln nicht mehr
bewusst sind…
Meine Hoffnung, aus dieser miesen Lage einen Ausweg zu fin-
den, ist ehrlich gesagt, zaghaft geworden. Klar, alleine zu kritisie-
ren ist leicht. Die Sache anzupacken beginnt wohl durch eigene
Beispiele, durch Impulse, die vielleicht in manch anderem Mit-
glied unserer zerrütteten Gemeinschaft „weitertakten”.
Was wichtig wäre, was noch helfen könnte? – Die verantwort-
liche, umfassende Idee, die den verschwundenen inneren An-
spruch auf eine Gemeinschaft unter uns weckt, ist die Volks-
gruppe der Deutschen in Ungarn zu reanimieren. Denn der
Fortbestand als Nationalität kann nicht erzwungen werden. Die
Bemühung alleine auf dem Bildungsweg es zu schaffen, ist zum
Scheitern verurteilt, denn das Bestehen als Volksgruppe ist /
kann nicht ein Schulfach sein – selbst wenn man dabei Erfol-
ge erzielen kann. Die „Zugehörigkeit” als solche ist nämlich viel
weniger eine kognitive als eine emotionale Erscheinung: Die Ge-
meinschaft ist mehr eine erlebbare als eine erlernbare Sache.
Dennoch hat all das mit Erziehung zu tun: durch unser eigenes
Beispiel. Die Gemeinschaft einer Volksgruppe kommt aus den
Familien gewachsen. Der Anspruch muss da sein, dann kann
man auch mit den Angeboten der Bildung etwas anfangen. Wenn
wir in uns als Gruppe mit Gemeinschaftsanspruch leben, dann
werden auch die Kulturgruppen auf einen Schlag lebendig. Dann
werden sie statt der jetzigen mechanischen Kopien plötzlich
authentisch! Plötzlich wäre es uns selbst wichtig, uns nicht ab-
zugrenzen, sondern uns zu zeigen, uns auszuteilen! Wir wären
stolz uns vor aller Welt zu präsentieren und hätten plötzlich wah-
res Interesse andere Gemeinschaften zu erleben, kennen zu ler-
nen! Unsere Volksgruppe – wir selbst – wäre(n) mental gesund:
Denn als Ungarndeutsche in dem jetzigen Zustand bleiben wir
bis zu unserem Ableben nur scheinlebendig.
Deutscher Vorname. Steh dazu!
Über Vorbildfunktion und den Gebrauch
deutscher Vornamen
Von Richard Guth
Gut, ich gebe es zu, es ist mein Steckenpferd. Oder eines mei-
ner Steckenpferde! Ich müsste es langsam akzeptieren, dass es
das unveräußerliche Recht jedes Einzelnen ist, seinen Vorna-
men nach seinem besten Gewissen zu bestimmen. Wir kennen
auch die historische Entwicklung, die dazu geführt hat, dass es
heute so ist, wie es ist, für viele ein gottgegebener Zustand, den
man nicht verändern kann. Ich könnte ja reichlich Beispiele aus
dem Ausland bringen, die zeigen, dass es nicht nur anders geht,
sondern dass das Standard ist wie in Siebenbürgen bei den Sie-
benbürger Sachsen und Landlern. Dies geht sogar so weit, dass
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man sich in rumänischen Texten im Falle von ungarischen/ma-
djarischen Namen an den Regeln der ungarischen Grammatik
orientiert (hier bezüglich Wortstellung): So steht in den rumäni-
schen Texten (beispielsweise in einem Buchimpressum) „Szabó
János” und nicht „János Szabó”. Stellen wir uns vor: In „Magyar
Nemzet” oder „HVG” würde man den Abgeordneten Koloman
Brenner nicht als „Brenner Koloman”, sondern „Koloman Bren-
ner” zitieren oder Imre/Emmerich Ritter als „Emmerich Ritter”
und nicht „Ritter Imre”, wenn er dann seinen deutschen Vorna-
men offiziell eintragen lassen und auch im ungarischen Kontext
verwenden würde. Das wäre eine Sensation und würde mit Jahr-
zehnte, nein Jahrhunderte alten Gewohnheiten aufräumen. Wie
mein verstorbener Freund Franz Wesner stets zu sagen pflegte:
„Ebben az országban (a) magyar az úr!” (In diesem Land ist (der)
Madjare der Herr!”) Vielleicht besser für die Betroffenen, denn
man würde sie womöglich für Ausländer (oder gar Migranten)
halten! Deren Vorfahren waren es ja, insofern wäre selbst diese
Kategorisierung sachlich nicht ganz falsch, lägen da nicht Jahr-
hunderte meist friedlichen Zusammenlebens dazwischen.
Aber bleiben wir bescheiden und auf dem Boden der Möglich-
keiten!
Anfang September wurde die Einheitsliste der LdU mit den Na-
men der Kandidaten publik. Einheitlich war es dennoch nicht,
denn das Flugblatt enthielt – bis auf wenige Ausnahmen bei Trä-
gern mit deutschen amtlichen Vornamen – ausschließlich unga-
rische Namensformen wie János und Terézia oder bei verheira-
teten Kandidatinnen Vor- und Nachnamen mit der Endung -né
(Frau von). Bei der Einzelvorstellung zeigte sich hingegen ein
etwas anderes Bild: So dominierten zwar weiterhin ungarische
Vornamen, aber es fanden sich zahlreiche deutsche Namens-
varianten wie Johann, Richard oder Magdalena.
Soviel ich weiß, wurde es jedem selbst überlassen, ob er die
deutsche oder die ungarische Vornamensform angibt. (Positiv
anzumerken wäre, dass auf der LdU-Seite von den Einzelvor-
stellungen im Karteikartenformat nur eine deutsche Variante
existiert, die man auch auf der ungarischen Seite so vorfindet.)
Aber hier ist ja der Hund begraben – warum entscheidet sich
ein Vertreter/eine Vertreterin der deutschen Minderheit dafür,
anstelle der deutschen Form des Vornamens die ungarische zu
verwenden? Es gibt natürlich Fälle, wo die ungarische Namens-
form keine deutsche Entsprechung hat, weil es den Vornamen
beispielsweise im Deutschen nicht gibt wie Ibolya oder Hajnalka.
Aber bei allen anderen bestünde die (nun theoretische) Möglich-
keit, zur deutschen Form öffentlich zu stehen. Man könnte sogar
die deutsche Form eintragen lassen, ohne die ungarische gleich
aufzugeben. Man könnte aber gleich die ungarische ablegen
und per Namensänderung die deutsche annehmen, wie einige
Akademiker (Maria Erb oder Koloman Brenner) es vorgemacht
haben.
Es ist jedermanns unveräußerliches Recht, über den eigenen
Vornamen zu bestimmen – anfangs wird diese Entscheidung von
den Eltern getroffen, später von jedem selbst. Aber als gewähl-
te/r Vertreter/in einer Gruppe mit Werten, Sprache und Tradition
ist es dennoch eine Pflicht, der Vorbildfunktion als gewählter Ver-
treter/gewählte Vertreterin gerecht zu werden, zumal es Rechte
gibt, die für uns da sind und die wir nur nutzen sollten - auch im
Sinne einer Vorbildfunktion.
In dem Sinne: Ungarndeutsch. Steh dazu! Auch namentlich!
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