Sonntagsblatt 4/2019 | Page 14

Quellen nicht versiegen sollen… Dabei wäre es nötig eine Be- standsaufnahme unser selbst vorzunehmen, um jene Punkte auszuarbeiten, die unserer heutigen Zeit gerecht ein Bestehen für eine Volksgruppe ermöglichen. Natürlich ist es eine bittere Konsequenz, dass es nach alten (teils auch veralteten) Merk- malen und Kriterien nicht mehr möglich ist unsere Gemeinschaft zu erhalten. Aber wir leben nicht in einem Reservat und wir kön- nen uns auch nicht wie eine lebendige Zeitkapsel verhalten. Was gerade durch die Kulturgruppen und ihre Tätigkeit geschieht: Sie machen uns skanzenfähig, sie sind aber bis heute nur noch Schaufenster in einem Panoptikum, denn hinter der Fassade hat unsere sprachliche Substanz das Ungarische aufgefressen und statt der historischen Identifikation als Volksgruppe hat man sich zu Ungaren besonnen, die sich ihrer eigenen Wurzeln nicht mehr bewusst sind… Meine Hoffnung, aus dieser miesen Lage einen Ausweg zu fin- den, ist ehrlich gesagt, zaghaft geworden. Klar, alleine zu kritisie- ren ist leicht. Die Sache anzupacken beginnt wohl durch eigene Beispiele, durch Impulse, die vielleicht in manch anderem Mit- glied unserer zerrütteten Gemeinschaft „weitertakten”. Was wichtig wäre, was noch helfen könnte? – Die verantwort- liche, umfassende Idee, die den verschwundenen inneren An- spruch auf eine Gemeinschaft unter uns weckt, ist die Volks- gruppe der Deutschen in Ungarn zu reanimieren. Denn der Fortbestand als Nationalität kann nicht erzwungen werden. Die Bemühung alleine auf dem Bildungsweg es zu schaffen, ist zum Scheitern verurteilt, denn das Bestehen als Volksgruppe ist / kann nicht ein Schulfach sein – selbst wenn man dabei Erfol- ge erzielen kann. Die „Zugehörigkeit” als solche ist nämlich viel weniger eine kognitive als eine emotionale Erscheinung: Die Ge- meinschaft ist mehr eine erlebbare als eine erlernbare Sache. Dennoch hat all das mit Erziehung zu tun: durch unser eigenes Beispiel. Die Gemeinschaft einer Volksgruppe kommt aus den Familien gewachsen. Der Anspruch muss da sein, dann kann man auch mit den Angeboten der Bildung etwas anfangen. Wenn wir in uns als Gruppe mit Gemeinschaftsanspruch leben, dann werden auch die Kulturgruppen auf einen Schlag lebendig. Dann werden sie statt der jetzigen mechanischen Kopien plötzlich authentisch! Plötzlich wäre es uns selbst wichtig, uns nicht ab- zugrenzen, sondern uns zu zeigen, uns auszuteilen! Wir wären stolz uns vor aller Welt zu präsentieren und hätten plötzlich wah- res Interesse andere Gemeinschaften zu erleben, kennen zu ler- nen! Unsere Volksgruppe – wir selbst – wäre(n) mental gesund: Denn als Ungarndeutsche in dem jetzigen Zustand bleiben wir bis zu unserem Ableben nur scheinlebendig. Deutscher Vorname. Steh dazu! Über Vorbildfunktion und den Gebrauch deutscher Vornamen Von Richard Guth Gut, ich gebe es zu, es ist mein Steckenpferd. Oder eines mei- ner Steckenpferde! Ich müsste es langsam akzeptieren, dass es das unveräußerliche Recht jedes Einzelnen ist, seinen Vorna- men nach seinem besten Gewissen zu bestimmen. Wir kennen auch die historische Entwicklung, die dazu geführt hat, dass es heute so ist, wie es ist, für viele ein gottgegebener Zustand, den man nicht verändern kann. Ich könnte ja reichlich Beispiele aus dem Ausland bringen, die zeigen, dass es nicht nur anders geht, sondern dass das Standard ist wie in Siebenbürgen bei den Sie- benbürger Sachsen und Landlern. Dies geht sogar so weit, dass 14 man sich in rumänischen Texten im Falle von ungarischen/ma- djarischen Namen an den Regeln der ungarischen Grammatik orientiert (hier bezüglich Wortstellung): So steht in den rumäni- schen Texten (beispielsweise in einem Buchimpressum) „Szabó János” und nicht „János Szabó”. Stellen wir uns vor: In „Magyar Nemzet” oder „HVG” würde man den Abgeordneten Koloman Brenner nicht als „Brenner Koloman”, sondern „Koloman Bren- ner” zitieren oder Imre/Emmerich Ritter als „Emmerich Ritter” und nicht „Ritter Imre”, wenn er dann seinen deutschen Vorna- men offiziell eintragen lassen und auch im ungarischen Kontext verwenden würde. Das wäre eine Sensation und würde mit Jahr- zehnte, nein Jahrhunderte alten Gewohnheiten aufräumen. Wie mein verstorbener Freund Franz Wesner stets zu sagen pflegte: „Ebben az országban (a) magyar az úr!” (In diesem Land ist (der) Madjare der Herr!”) Vielleicht besser für die Betroffenen, denn man würde sie womöglich für Ausländer (oder gar Migranten) halten! Deren Vorfahren waren es ja, insofern wäre selbst diese Kategorisierung sachlich nicht ganz falsch, lägen da nicht Jahr- hunderte meist friedlichen Zusammenlebens dazwischen. Aber bleiben wir bescheiden und auf dem Boden der Möglich- keiten! Anfang September wurde die Einheitsliste der LdU mit den Na- men der Kandidaten publik. Einheitlich war es dennoch nicht, denn das Flugblatt enthielt – bis auf wenige Ausnahmen bei Trä- gern mit deutschen amtlichen Vornamen – ausschließlich unga- rische Namensformen wie János und Terézia oder bei verheira- teten Kandidatinnen Vor- und Nachnamen mit der Endung -né (Frau von). Bei der Einzelvorstellung zeigte sich hingegen ein etwas anderes Bild: So dominierten zwar weiterhin ungarische Vornamen, aber es fanden sich zahlreiche deutsche Namens- varianten wie Johann, Richard oder Magdalena. Soviel ich weiß, wurde es jedem selbst überlassen, ob er die deutsche oder die ungarische Vornamensform angibt. (Positiv anzumerken wäre, dass auf der LdU-Seite von den Einzelvor- stellungen im Karteikartenformat nur eine deutsche Variante existiert, die man auch auf der ungarischen Seite so vorfindet.) Aber hier ist ja der Hund begraben – warum entscheidet sich ein Vertreter/eine Vertreterin der deutschen Minderheit dafür, anstelle der deutschen Form des Vornamens die ungarische zu verwenden? Es gibt natürlich Fälle, wo die ungarische Namens- form keine deutsche Entsprechung hat, weil es den Vornamen beispielsweise im Deutschen nicht gibt wie Ibolya oder Hajnalka. Aber bei allen anderen bestünde die (nun theoretische) Möglich- keit, zur deutschen Form öffentlich zu stehen. Man könnte sogar die deutsche Form eintragen lassen, ohne die ungarische gleich aufzugeben. Man könnte aber gleich die ungarische ablegen und per Namensänderung die deutsche annehmen, wie einige Akademiker (Maria Erb oder Koloman Brenner) es vorgemacht haben. Es ist jedermanns unveräußerliches Recht, über den eigenen Vornamen zu bestimmen – anfangs wird diese Entscheidung von den Eltern getroffen, später von jedem selbst. Aber als gewähl- te/r Vertreter/in einer Gruppe mit Werten, Sprache und Tradition ist es dennoch eine Pflicht, der Vorbildfunktion als gewählter Ver- treter/gewählte Vertreterin gerecht zu werden, zumal es Rechte gibt, die für uns da sind und die wir nur nutzen sollten - auch im Sinne einer Vorbildfunktion. In dem Sinne: Ungarndeutsch. Steh dazu! Auch namentlich! SoNNTAGSBLATT