Sonntagsblatt 4/2019 | Page 13

thoden angeworben wurden, in das schöne Ungarland umzusie- deln. Es war interessant zu beobachten, wie streng die Regeln waren; die Umsiedelung war nur für Ehepaare möglich. Daraus entstand eine Liebesgeschichte zwischen zweien an der Donau, die nur durch eine Ehe eine neue Heimat finden konnten. Ein Rahmen für das ganze Spiel gaben zwei Jugendliche, die im Dachboden alte Sachen aus dieser Zeit gefunden hatten und so mit der Großmutter darüber sprachen. Die Sprache sowohl der Veranstaltung als auch des Theaterstücks war Deutsch. Nach der Veranstaltung gab es einen kleinen Empfang mit Faschirtku- geln. An dieser Stelle möchten wir uns für die freundliche Gast- freundschaft bedanken. Deutsche Selbstverwaltung in Witschke gebildet Von Daniel Erlein, Vorsitzender der DSVW Witsche Am 13. Oktober 2019 wurden von den registrierten ungarn- deutschen Wählerinnen und Wählern drei junge Kandida- ten in die neu entstandene Deutsche Selbstverwaltung von Witschke/Bicske gewählt, die damit, unterstützt von der Jakob Bleyer Gemeinschaft, unter meinem Vorsitz ihre Arbeit aufnahm. In meiner Heimatstadt gab es zuvor keine deutsche Selbstver- waltung. Dem standen gesetzliche Vorschriften im Wege, denn erst 2018 wurde die Mindestanzahl an Wählern erreicht. Bei der Anmeldung der Kandidatur habe ich mit meinen Mitkandidaten Georg Izsák und Kristian Szerencsés auch die Herausgabe des Namensverzeichnisses derjenigen Bürgerinnen und Bürger be- antragt, die sich als Angehörige der deutschen Minderheit regis- trieren ließen. Wir haben uns bereits früher dazu entschlossen, alle Wähler aufzusuchen: In drei Runden haben wir von den 30 Wahlbürgern 24 erreicht. Man freute sich nahezu überall über unseren Besuch, wünschte uns viel Erfolg und gab uns eine Empfehlung. Mehrere Bürgerinnen und Bürger betonten, dass sie sich Nationalitätenamtsträger in unserem Alter wünschten. Auf unsere Überraschung hin hörten wir von einigen, dass sie sich nur deswegen registrierten, um 2018 für die Deutsche Liste stimmen zu können. Eine Untersuchung dieses Phänomens wird sicherlich zu unseren Aufgaben gehören. Die Deutsche Selbst- verwaltung hielt am 30. Oktober ihre konstituierende Sitzung, nun kann die Arbeit beginnen! Merkwürdigkeiten s Unsere Scheinexistenz dient nur dem Anschein einer Zukunft Von Georg Sawa Identität ist quasi das Wissen über uns selbst, die Definition von uns selbst. Ich frage mich oft nach diesem Selbstbild der Deutschen in Ungarn. Klar, eine Prägung des Landes, in dem wir leben, und seiner Völker, die uns umgeben, ist nicht wegzu- denken, was jedenfalls eine Bereicherung für uns selbst darstellt. Wie auch wir selbst eine Bereicherung für unser Heimatland dar- stellen: durch unsere Sprache, durch unsere Kultur. Alle, die dies nicht so sehen (unter uns oder seitens der Mehrheitsnation) sind nicht nur engstirnig, sondern sie legen ein Zeugnis dafür ab, dass sie akkulturiert sind, dass sie bereits nur noch eine uniformierte SoNNTAGSBLATT Einheitskultur verkraften – letztendlich weil ihre Selbstdefinition - ihre eigene Identität- zu schwach ist. Meine Meinung ist, dass nur jener Mensch das Anderssein als eine Bereicherung (für sich selbst und für die Gemeinschaft) empfinden kann, der es selber auch wagt – ja dafür stolz ist, sich selbst in seiner (wenn auch von der Mehrheit abweichenden) Tradition offen zu zeigen, sich anders als der Mainstream zu definieren. Als Volksgruppe bedarf die gemeinsame Definition Anhaltspunk- te, an denen man sich als Gemeinschaft festhalten kann. Im Fal- le der Deutschen in Ungarn sind das in erster Linie die Sprache unserer Ahnen, die historischen Momente, die uns als Gemein- schaft erfasst haben, unsere Volkstracht, unsere religiösen Prä- gungen, die Sitten und Bräuche sowie die kulturellen Leistungen und Merkmale. Im Falle der Sprache müssen wir davon ausgehen, dass unsere Ortsmundarten – schon durch die aufgelösten und sich weiter auflösenden Dorfgemeinschaften – in bereits absehbarer Zeit verschwinden werden. Ob Hochdeutsch dieses Defizit je wird ausgleichen können, ist fraglich – ja, fast eine Illusion. Es ist klar, dass es im Karpatenbecken immer Leute geben wird, die Deutsch auf Muttersprachen-Niveau beherrschen werden, nur: Werden sie auch eine Gemeinschaft bilden (können), die sich als (Volks)Gruppe definiert? Historische Identifikationspunkte sind für uns die Fragen, wann, woher, wie und weshalb unsere Vorfahren anno dazumal in „das schöne Ungarnland” eingewandert sind, wie sie zusammenge- lebt haben – unter sich und unter für sie fremden Völkern, unsere Leistung bei dem Neuaufbau unserer neuen Heimat sowie bei der erneuten Festigung des Kirchenlebens nach der Türken- zeit und dann die neue Treue in einem sich nach dem Ausgleich von 1867 national und nationalistisch prägenden Ungarn, die Magyarisierung mit dem Verlust einer eigenen Intelligenz und die Rolle der katholischen Kirche dabei, der Kampf (besonders unter Jakob Bleyer) um das Deutschtum in Ungarn politisch zu erfassen, um es im Sinne des Fortbestehens zu mobilisieren, das Blutzeugnis an der Seite Ungarns in zwei Weltkriegen – und schließlich Malenkij Robot und die Vertreibung mit der bis heute aktuellen Frage danach, wer und was wir als Person und was wir als Gemeinschaft geblieben sind. Wenn man in alter Zeit jemanden in seiner Volkstracht sah, konnte man nicht nur die Nationalität eines Menschen erkennen, sondern oft auch seine bis auf eine Ortschaft genaue Herkunft. Diese Präzision einer Selbstdefinition, einer Identität, ist nicht nur verschwunden, sondern ist durch die Globalisierung bis auf die Kontinentenebene aufgehoben. Fazit: Äußere Merkmale werden uns als Gemeinschaft nicht noch einmal zusammenführen. Auch die Volksgruppen befinden sich also auf dem Weg in Richtung der globalen Anonymität. Die Kirchen sind in ihrer ehemaligen sprachlichen Vielfalt (und in sich selbst als Gemeinschaft) geschwächt und kommen jener ihrer Mission, jedem in seiner Muttersprache Gottes Wort zu ver- mitteln, nicht mehr nach. Leider hat die katholische Kirche mehr als hundert Jahre lang hart daran mitgewirkt, die Sprachen der Volksgruppen aus dem kirchlichen – aber auch aus dem gesell- schaftlichen – Leben in Ungarn zu verdrängen. Wichtig geblie- ben ist für uns als Volksgruppe zum Beispiel an Festtagen oder bei Wallfahrten bis heute und auch in der Zukunft, uns öffentlich als Gemeinschaft zu definieren. Dabei zeigen sich weniger nur Ortsgemeinschaften, sondern regionale oder überregionale Ver- anstaltungen. Die Frage danach, ob und wie wir fortbestehen sollen oder wol- len, wird in der Regel bei den Ungarndeutschen kaum gestellt. Es herrscht eine Schönrederei vor, die es bezweckt, dass (Geld) (Fortsetzung auf Seite 14) 13