Sonntagsblatt 4/2015 | Page 12

General Helmuth von Pannwitz mit Soldaten der 3 . Kosaken-Kavalle rie - division 1944 : Den britischen Lügen geglaubt Foto : picture-alliance / akg-images
tödliches Ränkespiel . Während der Konferenz von Jalta im Februar 1945 wurde vereinbart , daß alle Sowjetbürger , die sich im Gewahrsam der Westalliierten befanden , an die Sowjetunion ausgeliefert („ repatriiert ”) werden mussten . Doch Zehntausende in den Westen gelangte Stalin-Untertanen wehrten sich vehement gegen ihre Rückführung in die verhasste Diktatur . Viele fürchteten , zur Zwangsarbeit oder sogar zum Tode verurteilt zu werden – mit Recht , denn selbst Kriegsgefangene wurden in der Sow - jetunion als Verräter angesehen .
Der britische Historiker Nicholas Bethell , ein profunder Kenner der Materie , schrieb in seinem Buch „ Das letzte Ge - heimnis ” ( 1975 ): „ Keightley ignorierte einen sehr wichtigen Fakt , nämlich dass bis auf eine Person die führenden Kosakenoffiziere Altemigranten waren , die Russland um 1920 verlassen hatten . Nach dem Jalta-Abkommen fielen sie nicht unter die Zwangs - repatriierung . Das war den Engländern lästig , weil sie wussten , wie sehr die Sowjets gerade auf diese Leute aus waren , und sie wollten ihrem Verbündeten so gefällig sein wie nur möglich .”
Insbesondere jene Kosaken von Wolga , Don und Terek , die seit Mitte 1942 auf Seiten der Wehrmacht gegen das Stalin-Regime gekämpft hatten , fürchteten Rachemaßnahmen . Das galt vor allem für die 3 . Kosaken-Kavalleriedivision unter dem Komman - do des deutschen Generals Helmuth von Pannwitz . Sie zog sich im Frühjahr 1945 von Jugoslawien über die Alpen nach Österreich zurück . Anfang Mai ergaben sich etwa 45 000 und mit ihnen 4000 Frauen und 2500 Kinder den britischen Truppen . Sie alle wurden nebst ihrer Habe und Bewaffnung in mehreren Lagern zwischen Spittal , Klagenfurt und Wolfsberg interniert .
Faustdicke Lüge
Zur selben Zeit , als Keightley seinen oben genannten Befehl er - ließ , am 24 . Mai , erhielt General von Pannwitz durch einen britischen Offizier während einer Versammlung von Delegierten aller Kosakenregimenter auf dem Marktplatz von Althofen die Ver - sicherung , man werde die Kosaken nicht an die Sowjets übergeben . Natürlich handelte General Keightley nicht auf eigene Faust . In Wien hatten tags zuvor Vertreter des britischen Oberkom - mandos mit sowjetischen Emissären vereinbart , dass sämtliche Kosaken einschließlich deren Familienangehörige Stalins Hen - kern zu übergeben seien .
Zunächst mussten die Briten an die Bewaffnung der Kosaken gelangen . Auch dabei half ihnen eine faustdicke Lüge . „ Englische Offiziere erklärten uns , sie hätten für alle unsere russischen , rumänischen und italienischen Waffen gar keine Munition ”, berichtet einer der wenigen Kosakenoffiziere , die überlebten . „ Wenn wir in ihrem Heer dienen wollten , müssten wir unsere Gewehre und
Pistolen abgeben . Wir bekämen dafür neue , und zwar britische Standardmodelle . Wir glaubten ihnen und taten , was sie verlangten .”
Am 28 . Mai wurden alle Kosakenoffiziere unter dem Vorwand einer Besprechung mit höheren britischen Kommandostellen nach Villach befohlen . Insgesamt 2200 Offiziere folgten diesem Befehl . In Villach trieb man sie gewaltsam auf Lastkraftwagen und dann in ein mit Stacheldraht umzäuntes Lager bei Spittal an der Drau . Von dort wurden sie am folgenden Tag nach Judenburg transportiert und der Roten Armee ausgeliefert . Dabei spielten sich erschütternde Szenen ab .
Mütter stürzten sich mit ihren Kindern von der Brücke
Ein Augenzeuge berichtet : „ Kosakenoffiziere aller Ränge knieten am Boden , viele in Tränen aufgelöst , und viele schickten ein Gebet zu Gott empor , während die Läufe der englischen Gewehre auf sie gerichtet waren .” Einer der Offiziere schnitt sich unmittelbar nach der Übergabe an die Sowjets mit einer Rasierklinge die Kehle durch . Ein anderer sprang von der dreißig Meter hohen Drau- Brücke in den Tod .
Drei Tage später begannen die Briten mit der Räumung der Mannschaftslager zwischen Lienz und Oberdrauburg . Wer zu fliehen versuchte , wurde sofort erschossen . Mütter stürzten sich mit ihren Kindern von der Brücke in die Drau . Ein Kosak erschoss erst seine Frau , dann seine drei Kinder und beging anschließend Selbstmord . Solange die Briten noch in der Nähe waren , hielten die Sowjets sich zurück . „ Ich fürchte , einige Kosaken kamen nicht weit ”, erinnerte sich ein britischer Offizier .
„ Einige Minuten später hörten wir Schusssalven , und ich bin sicher , eine ganze Menge von ihnen wurden an Ort und Stelle erschossen – nicht gleich auf dem Bahnsteig , aber um die Ecke hinter dem Wald .” Der Infanterist James Davidson : „ Wir meinten , die MG-Salven mussten ihr Ende sein . Wir dachten , man hat sie einfach nach hinten gebracht und abgeschlachtet .”
Helmuth von Pannwitz , der freiwillig mit seinen Kosaken in Gefangenschaft ging , wurde Anfang 1947 mit drei weiteren Generalen wegen angeblicher Kriegsverbrechen in Moskau hingerichtet .
Entnommen : JF 23 / 15 ( 29 . Mai 2015 )
Vor 20 Jahren am 15 . März 1995 starb Béla Bellér , ungarischer Schriftsteller und Historiker . In seinen geschichtlichen Werken befasste er sich hauptsächlich mit dem Schicksal des ungarländischen Deutschtums . Dafür erhielt er 1990 den Donauschwäbischen Kulturpreis des Landes Baden Württemberg .
Nachstehender Aufsatz befasst sich mit Ungarns Nationalitäten- Schulpolitik allgemein , beleuchtet aber vorrangig die schulische Lage des Ungarländischen Deutschtums von den Anfängen bis 1990 . Wir bringen den Aufsatz – seiner Länge wegen – in Fortsetzungen .
BÉLA BELLÉR

Die ungarische Nationalitäten- Schulpolitik von der Ratio Educationis bis heute

( Ein Aufsatz aus dem Jahre 1990 )
1 . Teil
Von der Aufklärung bis zum Freiheitskampf um 1848 – 49
„ Nationalität ” ist keine ausschließlich neue , aber auch keine ganz alte historische Kategorie . Schon für ’ s Mittelalter war sie bekannt ,
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