Man habe versucht , den Angriff an ihm vorbeizuführen und sei bis zu jenen Höhen dort , hinter Budaörs gelangt . Dort war man von jenem durch frische Truppen geführten Gegenstoß getroffen worden . Der König nahm den Feldstecher und besah sich den aus der Ebene wie eine Klippe aufragenden Berg , der mit steilen Felsen zur Straße und mit sanften Weinhügeln zur Bahn hin abfällt . Im Glase konnte man deutlich einige Soldaten sehen , die sich dort oben , unter dem Steinbruch , eingruben . Das Schmettern einer Trompete kam näher , auf der Straße fuhr ein Auto mit einer weißen Fahne heran , dem zwei Offiziere entstiegen . Der König ging ihnen entgegen .
Oberst Svoy grüßte , und der König sagte im Tone des Vorwurfes zu ihm : „ Ich bin erstaunt , dass Offiziere gegen ihren König die Waffen erheben !” „ Majestät , ich melde gehorsamst , wir haben die Waffen nicht gegen den König erhoben , sondern gegen jene Truppen , die bewaffnet in Budapest eindringen wollen .”
„ Der Kampf wurde nicht von meinen Truppen eröffnet ”, erwiderte der König , „ man hat zuerst auf Ihrer Seite das Feuer auf die Züge eröffnet .” „ Majestät , es war sonst keine Möglichkeit , diese Züge zum Stehen zu bringen .” „ Nun gut . Das wird sich alles noch aufklären . Ich nehme immer noch an , dass alles ein böses Missverständnis war . Was haben Sie mir mitzuteilen ?” „ Ich habe den Befehl , Majestät zu bitten , nach Budapest zum Herrn Reichsverweser zu kommen , der Eurer Majestät alles erklären wird .” Der König wandte sich an seine Herren , aber diese rieten ihm ab , der Einladung des Reichsverwesers zu folgen . Hegedűs selbst schwieg . „ Nein , zu Horthy nach Budapest gehe ich nicht . Ich fordere Sie auf , mir den Weg freizugeben , damit ich die Fahrt mit meinen Truppen fortsetzen kann .”
Der Oberst stand unbeweglich : „ Majestät , ich werde mit gesenktem Säbel Front machen und meine Truppen werden Eure Majestät Allerhöchstselbst in keiner Weise behindern , dorthin zu gehen , wo es Eurer Majestät belieben . Ich habe aber den Befehl , die Truppen , die mit Eurer Majestät gekommen sind , unter allen Umständen aufzuhalten . Ich bin dem Reichsverweser dazu eidlich verpflichtet . Dieser Befehl richtet sich nicht gegen Eure Majestät , sondern gegen die Truppen .”
Der König wandte sich an seine Berater . Die Herren traten etwas zur Seite . „ Ablehnen ”, entschied Andrássy . „ Horthy wird Eure Majestät sofort verhaften lassen !” sagte Rakovszky .
„ Und wenn Horthy Eure Majestät nicht verhaften lässt , so wird er Eure Majestät mit Hilfe der Entente-Gesandten zur Abdankung zwingen .” „ Also ablehnen ”, sagte der König . Der Oberst hatte noch einen dritten Vorschlag : „ Die Vertreter der Budapester Regierung treffen mit den verantwortlichen politischen Ratgebern Eurer Majestät jenseits der feindlichen Linien zusammen und beraten über das , was zu tun ist .” Die Herren berieten sich mit dem König . „ Das können und sollen wir annehmen ”, sagte Rakovszky . „ Denn tun wir es nicht , wird Horthy sagen , er habe sich unterwerfen wollen , aber Eure Majestät habe sich geweigert , ihm Gehör zu schenken . Er wird Majestät dann für den Bruderkampf verantwortlich machen .”
„ Annehmen ”, riet Hegedüs leise dem König : „ wir werden die Demarkationslinien für die Nacht so festsetzen , dass wir morgen eine günstige Ausgangssituation haben .”
Der König überlegte eine Weile , dann entschloss er sich zur Annahme des dritten Vorschlages : „ Gut ! Meinetwegen . Aber jetzt will ich noch in die Schwarmlinie hinüber , um zu sehen , ob die einfachen Soldaten Horthys und die andern Offiziere auch die gleiche Meinung über den Eid haben wie dieser Oberst Svoy .”
„ Majestät ”, riet Hegedűs ab , „ dazu ist es schon zu spät . In einer halben Stunde wird es dunkel werden . Da kann dann Eurer Majestät alles Mögliche zustoßen , denn in der Nacht neigt jede Truppe leicht zu einer Panik , da kann blödsinnig herumgeschossen werden ! Und dann - nehmen wir die Waffenruhe an , können die drüben den Besuch Eurer Majestät bei den Regierungstruppen geradezu als Bruch der Vereinbarung auffassen .” Die Herren des Gefolges teilten die Meinung des Generals . Sie rieten aber , da man ja doch Horthy nicht trauen dürfe , die Zusammenkunft der Politiker diesseits der königlichen Linien zu verlangen , damit diese nicht der Gefahr einer Verhaftung ausgesetzt würden .
Man begab sich also wieder zu Oberst Svoy : als Treffpunkt für den morgigen Tag , den 24 . Oktober 1921 , um acht Uhr früh , wurde der Meierhof Csíki-Major , nördlich der Haltestelle Törökbálint , festgesetzt .
Die Demarkationslinien für die Nacht sollten General Hegedűs und Oberst Svoy festsetzen . Der König , die Königin und das Gefolge bestiegen wieder die Lokomotive . Ostenburg grüßte und begab sich dann in das Wächterhaus , um die Befehle für die Nacht auszugeben . General Hegedűs begleitete den Oberst Svoy zu dessen Auto . „ Armer König ”, sagte Svoy , sich nach der zurückfahrenden Lokomotive umblickend . „ Er glaubt nicht , dass es Emst ist . Und seit Gömbös Bevollmächtigter des Ministerpräsidenten ist , seit Gömbös alles in die Hand genommen hat , ist es sehr ernst .” „ Ich werde jetzt die Demarkationslinien festlegen ”, sagte Hegedűs .
„ Exzellenz , das sind blutige Kaisermanöver ”, erwiderte der Oberst .
„ Eben , weil es Kaisermanöver sind ”, sagte Hegedűs , „ bleibt für einen Schiedsrichter immer noch ein gewisser Spielraum .”
Der Oberst blieb stehen und starrte den General an : „ Exzellenz , ich glaube , ich habe nicht richtig verstanden .”
„ Du hast schon richtig verstanden . Meine beiden Söhne stehen bei euch drüben .” „ Sind Exzellenz nicht von Seiner Majestät vereidigt worden ?” „ Ich glaube nicht , dass der König das Recht hat , uns den Eid abzuverlangen . Mein Lieber , ich bin überrumpelt worden . Mir hat Lehar gesagt , dass alles bis ins kleinste organisiert ist , dass die Budapester Regimenter sogleich zum König übergehen , dass der Reichsverweser und alle Gegner des Königs in Budapest durch Beniczky verhaftet werden . Du siehst , wie sie mich an der Nase herumgeführt haben . Nun will ich einmal dasselbe tun .”
Der Oberst blickte zu Boden , er hatte einen bitteren Geschmack im Munde .
„ Siehst du , und dann glaub ’ ich , dass es für das , was der König vorhat , zu spät geworden ist . Ich bin ja nur deshalb mitgefahren , um Ungarn zu helfen . Ich kann meinem Vaterlande mehr nützen , wenn ich noch bis morgen diese Doppelrolle spiele . Ich weise euem Truppen da die Höhenzüge zu , ihr könnt in der Nacht Verstärkungen heranschaffen und die Ostenburgleute umgehen . Morgen in der Früh werden sie dann sehen , woran sie sind und die Waffen strecken . Das ist meiner Ansicht nach das einfachste Mittel , ein weiteres Blutvergießen zu vermeiden . Wenn du Nagy siehst , grüß ihn von mir und sag , dass ich das alles in Ordnung bringen werde .”
Als der General mit einem flüchtigen Blick das abweisende Gesicht des Obersten gestreift hatte , fuhr er im Tone der Beteuerung fort : „ Glaubst du denn , die drüben machen es anders ? Was hat denn Oberst Kurcz getan ? Die essen das Brot der Regierung und greifen die Regierung mit den Waffen an .”
„ Aber sie schwören nicht dem König ”, konnte sich der Oberst nicht enthalten , auszurufen .
„ Das war aus rein taktischen Gründen , das war eine Art Kriegslist . Der König wollte doch eben selbst zu den Truppen Horthys Vorgehen und diese bewegen , ihren Eid zu brechen und den Reichsverweser im Stich zu lassen . Mach dir um meine Handlungsweise keine Sorge - es geschieht alles aus Liebe zum Vaterlande . ” ( Fortsetzung auf Seite 20 )
19