Sonntagsblatt 3/2020 | Page 14

Besondere Ironie des Trianon-Jubiläumsdenkmals – gegenüber der Statue des István Tisza , der die ganze Namensmadjarisierung missbilligte - ist , dass man mit dem einsprachigen Ortsnamenbestand vom Anfang des 20 . Jahrhunderts des historischen ungarischen Staates gedenkt , der ein Auslöser der Nationalitätenkonflikte war , die zum Zerfall des Landes in besonderem Maße beigetragen haben . Es bleibt zu hoffen , dass ein anständiges Besucherzentrum entsteht , in dem die zwischen den in zufälliger Reihenfolge angebrachten Gedenksteinen Herumirrenden und an der heutigen Realität – und den zwei- oder mehrsprachigen Namen sowie der wahren Geschichte – der lebendigen Gemeinschaft Interessierten eine Hilfe und ein realistisches Bild erhalten . Digitale Karten und Datenbasen sollten ihnen all das zugänglich machen , was auf der zweimal hundert Meter langen Trianonwand keinen Platz gefunden hat .
Quelle : https :// ujszo . com / panorama / soknyelvu-orszag-egynyelvu-alom-es-emlekmu
Dr . Friedrich Wild vor 30 Jahren gestorben
UNSER FRITZI-BATSCHI
Von Georg Krix
Als erster Generalsekretär des 1955 vom ungarischen Staat bzw . dessen Partei gegründeten DEMOKRATISCHER VER- BAND ( ursprünglich Kulturverband ) DER DEUTSCHEN WERK- TÄTIGEN IN UNGARN war er für die Schwaben in Ungarn , also für die Ungarndeutschen immer und überall nur - so ganz einfach , volkstümlich und freundschaftlich – der Fritzi bácsi , UNSER FRITZI-BATSCHI .
Dr . Friedrich Wild war Wortführer der Ungarndeutschen 18 schwierige sozialistische Jahre hindurch . Er wurde am 5 . November l910 zu Bad Borseck / Borszék in Siebenbürgen geboren . Über seinen Geburtsort Bad Borseck wissen wir , dass dies ein sehr berühmter Badeort und auch - eben dank dem Heilwasser - ein wichtiges touristisches Zentrum war und ist sowie dass 1850 auf dem Gebiet der heutigen Stadt 320 Personen , darunter 144 Ungarn , 104 Deutsche und Juden und 67 Rumänen lebten . Bis 1880 war die Zahl der Bewohner auf 1116 und im Jahre 1910 auf 1862 gestiegen , doch da gab es neben 1702 Madjaren noch 126 Rumänen , jedoch nur mehr 10 Deutsche . Bei der Volkszählung 2002 wurden keine Deutschen mehr verzeichnet . Über die Eltern von Wild und seine Jugendjahre liegen uns leider keine Angaben vor . Er selber hat darüber – meines Wissens – nie erzählt .
Kurz über seinen Lebenslauf :
Als Bildung / Beruf führte er den Titel : Gymnasiallehrer , Dr . phil . Doch ihm Nahestehende wollen erfahren haben , dass Wild vor dem Krieg im legendären „ Pazmaneum zu Wien “ studierte , schließlich sollte er ja Priester werden . Auf jeden Fall promovierte er in Wien als Theologe ! Dieser Umstand ist dem ungarischen Staatssicherheitsdienst bestimmt nicht unbekannt geblieben , ebenso die Tatsache , dass er nach dem Krieg aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft nach Ungarn ( nicht in das heimatliche Siebenbürgen !) heimgekehrt ist . Dennoch konnte er unbeschadet ein neues Leben beginnen , was – damals und auch im Nachhinein - Spekulationen aufkommen ließ , welche Gegenleistungen wohl dafür von ihm ungarischerseits eingefordert wurden . Wild hat – dank seinen Rumänischkenntnissen - vorerst mal sieben Jahre in Jula / Gyula - Grenzstadt zu Rumänien und teils mit Einwohnern rumänischer Nationalität - als Direktor des dortigen rumänischsprachigen Balcescu-Gymnaiums verbracht . Dann wurde er 1954 / 55 als leitender Universitätslektor in Weißbrunn / Veszprém angestellt , schließlich beherrschte er ja sieben ( oder mehr ?) Sprachen : Ungarisch , Deutsch , Rumänisch , Italienisch , Französisch , Russisch und Latein .
Zur Lage der deutschen Minderheit in den Nachkriegsjahren
Schon in all diesen Jahren verfolgte er aufmerksam das Dasein und die Entwicklung der in Ungarn lebenden ethnischen Minderheiten . Die Südslawen ( Kroaten , Serben , Bunjewatzen etc . inbegriffen ), die Slowaken und Rumänen hatten schon gleich bei Kriegsende ihre Nationalitätenverbände gründen können . Nicht so die Deutschen , die zu dieser Zeit noch auf der Anklagebank saßen und als Vaterlandsverräter noch ihrem Urteil harrten . Nachdem sie Hab und Gut und somit ihre Heimat ( durch Vertreibung und Zersiedlung ) verloren hatten und schließlich zahlenmäßig sehr zusammengeschrumpft waren , dauerte es noch Jahre , bis man auch sie als vollwertige Bürger Ungarns anerkannte , wobei jedoch bereits Ende 1948 die zur Macht gekommenen Kommunisten die Vertreibung als abgeschlossen erklärten und mit der Verordnung 84 / 1950 . M . T . die Entrechtung der im Land befindlichen Deutschen aufgehoben wurde . Gleich in diesen Tagen wurde Dr . Wild , dessen sächsische Abstammung bekannt war , ersucht auch bei der Gründung deutscher Kulturgruppen mitzuwirken .
Die erste deutsche Kulturgruppe ( Tscholnok ?) kam sehr schnell zustande und trat bereits im Sommer des Jahres bei einem Kulturfestival auf . Am Jahresende gab es in Jula bereits eine zweite deutsche Kulturgruppe . Ein Jahr darauf , im Dezember 1951 , trat diese Kulturgruppe im Rahmen einer Kulturrundreise in zehn deutschbewohnten Ortschaften im Komitat Komorn / Komárom auf . In den darauffolgenden Jahren entstanden deutsche Kulturgruppen noch in der Totiser Kolonie / Tatabánya , in Nadwar / Nemesnádudvar , Willand / Villány , Sulk / Szulok , Nadasch / Mecseknádasd und Werischwar / Pilisvörösvár . 1952 wurden die Deutschen im Rahmen einer allgemeinen Amnestie von weiteren kollektiven Strafen befreit , erhielten die Staatsbürgerrechte zurück und durften ihren früheren Besitz zurückkaufen .
Weitere Anzeichen der „ Anerkennung “ der Deutschen konnten 1955 verbucht werden . Im April dieses Jahres fand in Budapest ein Kulturfest der ungarländischen Nationalitäten statt , wozu auch die Vertreter der Deutschen eingeladen wurden . Auf der Bühne traten der Chor und die Tanzgruppe von Tscholnok auf . Im Mai wurde an der Universität anlässlich des 150 . Todestages von Friedrich Schiller eine Feier in deutscher Sprache veranstaltet , die erste dieser Art nach dem Krieg .
Die „ Wiederherstellung der Gleichberechtigung der in Ungarn verbliebenen Volksdeutschen “ im März 1950 mit Verordnung Nr . 84 / 1950 ( III . 25 .) M . T . machte es den Deutschen endlich auch möglich , in sehr bescheidenem Umfang am Nationalitätenschulwesen teilzuhaben . Als es zu dieser Zeit bereits 100 slowakische , südslawische und rumänische Nationalitätenschulen im Lande gab , machte das deutsche Unterrichtswesen seine ersten unsicheren Schritte . Aus dem Schuljahr 1950 / 51 liegen uns Angaben über den deutschen Sprachunterricht in etwa einem Dutzend Schulen vor . Beim Sprachunterricht handelte es sich damals allgemein um zwei Wochenstunden Deutsch , was für eine wirkliche Beherrschung von Rechtschreibung und Grammatik über die noch einigermaßen vorhandenen Mundartkenntnisse hinaus völlig unzureichend war .
Wild verfolgte aufmerksam diese Entwicklung und unterstützte zuständige Stellen laufend mit Ratschlägen . Auf sein Zutun hin erschien am 1 . Juli 1954 wieder eine deutsche Zeitung - mit dem Titel FREIES LEBEN , vorerst als Monats- , doch schon ab 1 . Oktober als Wochenblatt . Es muss angenommen werden , dass
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