Sonntagsblatt 3/2019 | Page 28

Was sagt nun die Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen zur Volkszählung 2021: „Wir dürfen die bei den Ungarndeut- schen immer noch vorhandene Angst, die die ominöse Volkszäh- lung im Jahre 1941 verursachte, nicht vergessen: Das Resultat jener Erhebung war nämlich im Falle von Hunderttausenden die Enteignung und die Vertreibung. Wenn diese Gesetzesvorlage nicht schleunigst modifiziert wird, müssen wir uns darum Sorgen machen, dass es sehr viele Ungarndeutsche geben wird, die da- von nicht überzeugt werden können, sich zu unserer Nationalität zu bekennen. Dies würde natürlich unsere ungarndeutsche Ge- meinschaft bedeutend schwächen…” Kann man dieser Argumentation zustimmen? Nein! – ist meine Antwort. Warum? „Immer noch vorhandene Angst…” – dürfte/sollte es nach mehr als 70 Jahren seit der tragischen Geschehnisse nicht mehr ge- ben. Zeit und Menschen haben sich geändert, neue Generatio- nen sind aufgewachsen und die politische Lage ist eine andere. Hinsichtlich Schuld der Angst gibt es inzwischen vielfach Erklä- rungen in ungarischer und auch in deutscher Sprache. Wohl- gemerkt: Es gibt sie, doch sie sind dem Volk nicht oder kaum bekannt. Warum? Einfach ausgedrückt: Weil es auch heute noch anstatt Aufklärung nur Wundenlecken gibt – auch bei den Un- garndeutschen. Vor einigen Wochen konnte ich mit bekannten schwäbischen Frauen über das Thema sprechen. Da wurde gesagt: „Meine Großeltern haben alles verloren, weil sie Deutsch als Mutter- sprache bei der Volkszählung angaben. Dabei hatten sie doch „magyar nemzetiség” (ungarische Nationalität).” „Die Meinigen haben sogar auch bei anyanyelv (Muttersprache) ungarisch ein- schreiben lassen und doch sind sie heute in Deutschland.” „Ja, an allem ist nur dieser verfluchte Volksbund schuld, der damals uns Schwaben zu Deutschen machen wollte.” „Aber da haben wir unseren gewesenen Nachbar, den Schäffer Toni, der ließ sich sofort auf Bojtár madjarisieren und hat dann auch bei der „Aus- siedlung” (richtig: Vertreibung) sofort eine mentség (Enthebung) erhalten, doch mit dem letzten Zug ist auch er mitgefahren.” So ging es weiter mit vielen ähnlichen unverständlichen Beispielen. Und zum Ende blieb immer noch die Frage offen: Wer ist schuld an unserem Unglück? Deshalb wiederholte ich die Frage. Und die Antwort: „Naja, halt der schäbige Volksbund.” Ich: „Warum?” „Na, so hat man’ gsagt”. Ich: „Man hat - das war damals.” „Nana, die Leit sagn’ heit noch so. Drum sag’ma bei da Volkszählung magyarok vagyunk, des is a die Meinung von der Maris im német kórus (im deutschen Gesangchor).” Merkwürdig! Welch eine Unbesonnenheit! Heute, wo doch auch von vielen ungarischen Historikern Geschichte und Schuld längst klargelegt sind! Heute, wo wir wissen, dass Väterchen Horthy uns schon 1939 an Hitler verkaufen wollte! Wo unser Volkstod von den ungarischen Dichterfürsten bereits 1943 in Szárszó be- schlossen wurde, u.a. heute, wo geklärt ist, dass der Volksbund als Kulturverein von den deutschen und ungarischen Waffenbrü- dern zum Spielball der Politik benutzt wurde u. a.! Vorhandene Angst und Besorgnis? Warum, verehrte LdU? Was hat die Landesselbstverwaltung mit ihren vielen Ablegern – Ver- waltungen, Vereine, Organisationen – im Laufe von Jahrzehnten dagegen unternommen? Ja, unsere Landsleute müssten dringendst aufgeklärt und über- zeugt werden, dass hier Besorgnis nicht am Platze ist. Zur Be- gründung dazu Worte der LdU: Olivia Schubert, leider nur kurze Zeit Vorsitzende der Landes- selbstverwaltung der Ungarndeutschen, betonte in ihrer Begrü- ßungsansprache bei der Landesgala am 12. Januar 2019: 28 …Otto Heinek, der unlängst verstorbene LdU-Vorsitzende habe zwei Jahrzehnte hindurch, durch zahlreiche gravieren- de Initiativen dazu beigetragen, dass das Ungarndeutsch- tum zu neuem Selbstbewusstsein und einer stärkeren Ge- meinschaft gefunden hat … Liebe Frau Schubert bzw. verehrte Deutsche Landesselbstver- waltung: Wie/wo ist das neue Selbstbewusstsein des Ungarn- deutschtums? s Literatur Hans Dama: Banater Dorf (um die Jahrtausendwende) Du rühmtest dich dereinst als blühend Land der Ahnen, des Fleißes Stolz und wahrer Redlichkeit; doch wild gewordene Zeiten warfen dich aus festen Bahnen. Die wackren Streiter sich verloren weit, verjagt, getrieben von zersetzend-dunklen Mächten, die sich in sattelfester Sonnengleichheit wähnten. Banat samt Temeswar gar ausradieren möchten, wo dann geschichtsträchtige Helden sich auflehnten. Jahrzehnte gruben unentwegt Niedergangsspuren gesellschaftlich-sozial im ruinösen Gang. Äcker verkamen, fruchtarm gähnten Fluren, das einstig blühend Land zum Untergang hin drang. Gemeindenreiche Gassen ihr Gesicht verloren, prachtvolle Bauten schlummern tief im Hausruin. Gemüsereiche Gärten Unkrautdickicht nun geboren. Durch scheibenarme Fenster ungehindert Winde ziehn. In Dachlücken fällt ungehindert Regen ein, die Zimmerdecken ausgiebig und stets durchtränken. Was stolz sich reckte dazumal im Mondenschein, lässt machtlos vom Verfall sich unaufhaltsam lenken. Vereinzelt hat hierauf die Fremdhand da und dort wohlwollend rettend eingegriffen, wo es ging… Traurige Schwalben sind, bleiben für immer fort, obwohl ihr Dasein auch an jenen Breiten hing. Tragöß, 8.8.2019 Dama-Kolumne in „Contemporanul“ Vor einigen Monaten hat die Redaktion der 1881 in Jassy/Iaşi gegründeten, nunmehr in Bukarest erscheinenden Kultur- und Literaturzeitschrift „Contemporanul“ (deutsch: Der Zeitgenosse) für unseren regelmäßigen Gastautoren und langjährigen Wegge- fährten Hans Dama eine Kolumne eingerichtet: „Corespondenţă din Viena“ (Korrespondenz aus Wien), in der mittlerweile Kurz- prosa, Gedichte, Essays und Reiseliteratur erschienen sind. Da- durch sieht der Autor nach eigenem Bekunden die Möglichkeit, Banatisches und Österreichisch-Wienerisches der rumänischen Öffentlichkeit zuzutragen. Bereits im Frühjahr wurde Hans Dama ins Redaktionskollegium der von dem Institut für Banater Studien „Titu Maiorescu“ der Ru- mänischen Akademie der Wissenschaften – Filiale Temeswar – herausgegebenen Zeitschrift berufen. SoNNTAGSBLATT