Pendlern, die ihr Glück im deutschsprachigen Ausland suchen.
Der Bus kommt, wir, die Dame und ich, der „Forscher”, verab-
schieden uns.
„Wenn Sie mehr über das Dorf wissen wollen, kann ich ihnen
die Erreichbarkeit meiner Kusine geben”, sagt eine andere Frau,
die gerade die Grünfläche vor dem elterlichen Haus pflegt. Sie
gehört zu den Auswanderern, von denen die erste Gesprächs-
partnerin erzählt hat: Nach eigenen Angaben hat sie ihr Dorf gen
Mohatsch verlassen, wo sie lange als Krankenschwester gear-
beitet hat. Den kargen Lohn besserte sie bzw. bessert sie durch
Pflegejobs in Österreich auf, sonst „hätte ich die Ausbildung mei-
ner Kinder gar nicht finanzieren können”, so die resolute Sechzi-
gerin. Die Arbeit habe auch beim Wiederentdecken der verlore-
nen Muttersprache geholfen, denn in ihrer Jugend habe sie sich
eher der ungarischen Sprache bedient, obwohl ihre Mutter kaum
ungarisch schreiben könne.
Vom Sprachverlust berichten auch andere Gesprächspartner,
wobei eine Madjarin aus der Batschka, deren Familie nach der
Grenzschließung hier geblieben ist, davon spricht, dass die Be-
wohner über 50 allesamt Deutsch sprächen. Eine Frau im frü-
hen Rentenalter, die gerade das Familiengrab herrichtet, erzählt
auch vom Vordringen der madjarischen Sprache. Dies zeigen
auch die Grabinschriften, von denen viele bis in die 1970er, 80er
Jahre hinein deutschsprachig waren, jüngere sind hingegen
fast nur ungarischsprachig. „Wir hatten vor über 15-20 Jahren
den letzten deutschsprachigen Pfarrer hier gehabt”, erinnert sie
sich. Seitdem fänden kaum noch deutsche Messen für die 15-20
Messbesucher statt, die Kirche scheint ohnehin nicht mehr Teil
des Alltags zu sein: Ich fand während meiner Fahrt durch die
Branau an diesem Samstagsvormittag keine einzige Kirche vor,
die ich betreten konnte. Alle abgeschlossen, drumherum kein
Zeichen von Leben.
„Nur zu kirchlichen Festen wie Taufe oder Hochzeit” würde sich
die Kirche wieder füllen, sagte die Dame von der Bushaltestel-
le. Auch der Betreiber des Dorfladens, der nach 27 Jahren bald
aufhört, macht sich Sorgen. Auch wenn sich ein einheimischer
Nachfolger finden ließ, fragt er sich, wie überlebensfähig solche
Läden im Medienzeitalter sind, wo Online auf dem Vormarsch
ist. Die Sparkasse schließe demnächst und damit stellt sich die
Frage, ob den Bewohnern der Geldautomat weiterhin zur Verfü-
gung stehen wird. Die Frau auf dem Friedhof hat andere Sorgen:
Weil es zu wenige Kinder gibt, stehe auch die Grundschule zur
Disposition, kein Einzelfall in dieser Region. Die Zahl der Ro-
ma-Kinder, die das Defizit stets ausgeglichen haben und so viele
Schulen am Leben halten, nimmt nach Eindruck der Frau auch
ab, was man mir auch in anderen Dörfern der Region bestätigte.
Die Abwanderung hält weiterhin an, oft Richtung Ausland, auch
wenn es Fälle von Zuwanderung gibt.
So bietet auch das Dorfbild von Bawarz, wie das von anderen
Dörfern, ein gemischtes Bild: Alte, aber neu hergerichtete Häu-
ser, verfallene Höfe und Neubauten reihen sich aneinander. Als
Zeugnisse einer bewegten Zeit!
Zählt die Größe nicht?
(A méret nem számít?)
Von Ákos Horony. Erschienen auf www.ma7.sk am 19. April
2019. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des
Autors. Deutsche Übersetzung: Richard Guth
Es ist überaus menschlich, dass, wenn wir etwas oft zu Ge-
sicht bekommen, es dann nicht mehr auffällt. Es wird für
SoNNTAGSBLATT
uns zum Teil des Alltags, zu einem was ganz Natürlichen,
so dass wir es als regelgerecht empfinden oder als etwas
Gottgegebenes - auch dann, wenn dem nicht so ist und auch
nicht so sein sollte.
Es wird in diesem Beitrag um Aufschriften gehen, um die lingu-
istische Landschaft hier an den madjarischen Enden. Wenn je-
mand schon mal in der Umgebung von Niedermarkt/Dunajská
Streda mit dem Auto unterwegs war – wo es gemessen an der
madjarischen Bevölkerungsdichte pro Quadratmeter immer noch
die meisten ungarischsprachigen Aufschriften gibt – hat man
vielleicht schon mal großflächige Plakate gesehen, die einen ins
Einkaufszentrum Árkád (City-Arkaden) in Raab locken wollen.
Auf diesen Plakaten lädt man die Madjaren und Slowaken der
Großen Schüttinsel in der Regel zu einer kleinen Konsumfahrt
ein, lobenswerterweise in zwei Sprachen. Das Problem mit die-
sen Plakaten ist lediglich, dass die Madjaren nur in einer halb
so großen Schriftgröße angesprochen werden wie die Slowaken.
Was hat sich der Auftraggeber des Plakats wohl gedacht? Wo-
möglich, dass es schwieriger ist, die Slowaken zum Shopping im
Nachbarland zu bewegen, weshalb wir es für sie dann mit grö-
ßeren Buchstaben hinschreiben, damit sie die Werbebotschaft in
einer größeren Dosis bekommen?! Oder denken unsere ungari-
schen/madjarischen Brüder und Schwestern in Raab aus irgend-
welchen nationalen Stereotypen heraus über uns, dass die klei-
nere Aufschrift dank unseres im Vergleich zu den Slowaken wohl
schärferen Blicks für uns ausreicht?!
Wahrscheinlich nein! Wahrscheinlich ist es ihnen nicht bekannt,
dass man es bereits kann, ja, sogar, dass es sich gehöre, es
anders zu machen. Auf gut Deutsch gesagt haben sie ihren dies-
bezüglichen Kenntnisstand nicht „updated”. Wenn ich mich recht
erinnere, sind sie mit rein ungarischsprachigen Plakaten durch-
gestartet, irgendwann nach 2006. Weil sie (hoffentlich) wussten,
dass bei uns vornehmlich ungarisch gesprochen wird, haben sie,
was ja auf der Hand liegt, von den für Ungarn bestimmten Pla-
katen ein paar mehr drucken lassen. Dann kam 2009 die Ver-
schärfung des slowakischen (Staats-) Sprachgesetzes und dann
die große Furcht vor den „Sprachpolizisten”. Womöglich wurden
sie von irgendeinem Amt gewarnt (was wir nicht wissen können),
so dass dann irgendwann der slowakische Text vor dem ungari-
schen auf dem Plakat angebracht wurde, der dann auch kleiner
wurde. Und von nun an scheint es, dass sie sich dran gewöhnt
haben, weil sie seitdem an dieser Tradition festhalten.
Und womöglich haben wir uns mittlerweile auch daran gewöhnt.
Und das, obwohl seit der Gesetzesänderung im Jahre 2011 in
den madjarischen bewohnten Ortschaften nicht einmal die Rei-
henfolge der Sprache vorgeschrieben ist, hinsichtlich Werbetex-
te nirgendwo im Land! Es ist Fakt, dass man sich auf der Großen
Schüttinsel als gesetzestreuer Marktbeteiligter ruhig an erster
Stelle auf Ungarisch und in mit dem Slowakischen identischer
Schriftgröße bewerben könnte.
Wohlgemerkt, ich habe mir nicht irgendeine Firma ausgesucht,
sondern das Phänomen, was in unseren Gefilden nicht einmalig
ist: Unternehmer madjarischer Nationalität, Firmen und Kommu-
nen unter madjarischer Führung bringen den ungarischsprachi-
gen Text in kleinerer Schriftgröße und an zweiter Stelle an, wenn
sie ihn überhaupt anbringen. Und das, obwohl sie nichts dazu
- also zur Abwertung und Geringschätzung der eigenen Sprache
- zwingt, abgesehen von möglichem Zwangs- oder Irrglauben.
Das Gesetz, wie oben bereits geschildert, lässt eine Aufschrift
in einer anderen Sprache zu, deren Schriftgröße der des Slowa-
kischen entspricht, eine Reihenfolge in madjarisch bewohnten
Gemeinden ist bezüglich der ungarischen Sprache nicht vorge-
schrieben. „In solchen Gemeinden, in denen gemäß einer Son-
derregelung eine nationale Minderheitensprache im Amtsverkehr
(Fortsetzung auf Seite 26)
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